Lonely The Brave – The Hope List

Die musikalische Hoffnungsliste

Artist: Lonely The Brave

Herkunft: Cambridge, England

Album: The Hope List

Spiellänge: 38:41 Minuten

Genre: Rock, Alternative Rock, Indie Rock

Release: 22.01.2021

Label: Easy Life Records

Link: https://www.facebook.com/LonelyTheBrave/

Bandmitglieder:

Gesang – Jack Bennett
Gitarre – Mark Trotter
Gitarre – Ross Smithwick
Bassgitarre – Andrew Bushen
Schlagzeug – Gavin Edgeley

Tracklist:

  1. Bound
  2. Distant Light
  3. Bright Eyes
  4. Chasing Knives
  5. The Hope List
  6. Keeper
  7. (Untitled)
  8. Something I Said
  9. Open Door
  10. Your Heavy Heart
  11. The Harrow

Ausnahmsweise ist jetzt nicht die Zeit für Metal, sondern Zeit für emotionale Rockmusik mit lyrischem Tiefgang. Lonely The Brave sind eine dieser Bands, die sich nur alle paar Jahrzehnte wie Phoenix aus der Asche erheben. Im Jahr 2008 begann der kometenhafte Aufstieg der Engländer, die es trotz aller Widrigkeiten geschafft haben, Kritiker sowie Fans gleichermaßen zu beeindrucken und darüber hinaus auch noch Radio-Airplay zu bekommen. Aufgrund der angespannten finanziellen Situation war die Band während der Aufnahmen ihres Debüts gezwungen, im Bus vor dem Studio zu übernachten. 2014 kam das erste Album The Day’s War auf den Markt und die britische Presse überschlug sich vor Begeisterung. Wenige Zeit später enterten LTB bereits die Bühne des Download Festivals. Im Jahr 2016 erschien der Nachfolger Things Will Matter und der Sound der Briten hatte sich bereits in den Gehörgängen Tausender Rockfans weltweit verankert. Vorangegangene Vergleiche mit Bands wie Pearl Jam oder Biffy Clyro waren spätestens jetzt nicht mehr nötig, denn der Sound von Lonely The Brave konnte eine eigene Marke manifestieren. Die Band wollte von Anfang an nicht wie das Ergebnis ihrer musikalischen Einflüsse klingen. Selbst Coverversion so legendärer Songs wie Streets Of Philadelphia oder Comfortably Numb drückte die Band ihren eigenen Stempel auf.

Die Bilderbuchkarriere der Alternative Rocker bekam 2018 einen herben Dämpfer: Ausnahmesänger David Jakes verkündete seinen Ausstieg. Die Touren und Livekonzerte verschlimmerten seinen angeschlagenen psychischen Zustand. Der introvertierte Jakes war eigentlich von Anfang an das Gegenteil eines Frontmanns. So stand er auf der Bühne stets im Hintergrund und gab auch selten Interviews. Der verbliebene Rest von LTB verkündete umgehend, dass sie Jakes für alles dankbar sind und mit neuem Sänger weitermachen werden. Die Fußstapfen seines Vorgängers sollte Jack Bennett ausfüllen, der schon Solomaterial unter dem Namen Grumble Bee veröffentlichte. Bennett, der sich in eine verschworene Einheit integrieren musste, wurde auf dem neuen Album auch als Tontechniker und Produzent eingesetzt. So stehen die Zeichen in der noch jungen Karriere wieder auf Neuanfang, sozusagen Lonely The Brave 2.0. Das Ergebnis sind elf Songs voller Trauer, Wut, Entschlossenheit und Hoffnung – The Hope List. Gitarrist Mark Trotter sagte zur neuen Banddynamik: „Wir sind seit über zehn Jahren eine Band und haben viel an unseren Gewohnheiten festgehalten. Jetzt hat sich die Dynamik stark verändert. Es ist ein ganz anderer Vibe, als wir ihn vorher hatten. Es gibt eine neue Energie und einen neuen Fokus. Alles fühlt sich sehr positiv an im Lonely The Brave Lager.“

Was hat sich am Sound der Briten in über vier Jahren seit dem letzten Album getan? Grundsätzlich bleibt die Verflechtung von melancholisch getragenen Arrangements und stadiontauglichen Hymnen bestehen. Die Songs verlieren die Schwere von düsteren Ergüssen des Vorgängers wie Black Mire. Gleichzeitig gibt es eine positive Leichtigkeit, die dem Klang der Band eine neue Dimension gibt. Dann wäre da noch der neue Sänger Jack Bennett: Wie sein Vorgänger schreibt er auch die Texte. Das war es dann auch schon mit Gemeinsamkeiten. Dem dunklen Timbre von David Jakes setzt Bennett eher klassische Alternative Rock Gesangspassagen entgegen. Er wandelt zwischen warmen und leicht aggressiven Vocals und zeigt mehr Variationen als Jakes. Mir persönlich gibt Bennetts Gesang über die volle Spielzeit eines Albums mehr, auch wenn ihm vielleicht etwas der Wiedererkennungswert gegenüber dem original LTB Sänger abhanden geht. Bleibt abzuwarten, welche Energie er der Band auf der Bühne mitgeben kann.

The Hope Light startet mit Bound und Distant Light, den ersten Lebenszeichen der Band, die bereits im Laufe des Jahres unter die sehnsüchtig wartenden Fans gebracht wurden. Bound beginnt fast schwerelos, bevor nach einer Minute die bandtypischen großflächigen Gitarrenwände aufgebaut werden. Sänger Jack Bennett zeigt gleich sein ganzes stimmliches Repertoire und dürfte auch eingefleischte Fans überzeugen. Distant Light läuft bei mir seit Veröffentlichung im Juni in Dauerschleife und fügt sich nahtlos in die Reihe von Livehits wie Trick Of The Light oder Call Of Horses ein. In Bright Eyes wird Drummer Gavin Edgeley von der Leine gelassen und zeigt, dass diese Musikrichtung nicht nur aus einfachen Viervierteltakten besteht. Ein kurzes Akustik-Break unterstreicht den progressiven Charakter des Songs. Chasing Knives ist dann eher wieder der melancholische Pop-Rock Song mit radiotauglichen Harmonien. Der Titelsong wird aufs Wesentliche reduziert und zeigt die in sich gekehrte Seite von Lonely The Brave, wie man sie schon von den Redux-Versionen der Band kennt. Keeper vereint wieder alle Trademarks der Band: zurückgefahrenes Tempo, emotionaler Gesang und immer wieder die unverkennbaren Gitarren von Mark Trotter und Ross Smithwick. Das einminütige (Untitled) dient als kurze Überleitung zu Something I Said, der auch nach einigen Durchläufen nicht richtig zünden will. Deutlich gefälliger ist dann Open Door, welches mit rauer Stimme voller Leidenschaft von Bennett intoniert wurde. „I’m so sick of it all“, in der Ballade Your Heavy Heart lässt der Sänger ganz tief in sein Innerstes blicken. Zum großen Finale The Harrow ziehen die Briten erneut alle Register ihres unvergleichlichen Sounds: Musikalische Hingabe untermalt von Gitarren und Drums der Extraklasse – ganz großes Gefühlskino.

Lonely The Brave – The Hope List
Fazit
Wundervoll, dass die Band trotz des Ausstiegs von Sänger und Gründungsmitglied David Jakes nicht das Handtuch wirft. Zumal sie mit Jack Bennett einen absolut würdigen Nachfolger gefunden haben. The Hope List ist wie eine wohlig warme Decke und ein heißer Kakao an kalten Wintertagen. Wie eine Umarmung nach langer Zeit des Social Distancing. Ein Freund, den man nach Jahren wiedersieht, sich alles wie früher anfühlt und doch anders ist. Hoffnung in einer Welt, die auf dem Kopf steht. 40 Minuten vertonte Poesie – danke, Lonely The Brave.

Anspieltipps: Bound, Distant Light und The Harrow
Florian W.
8.8
Leser Bewertung7 Bewertungen
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