Band: Parkway Drive
Vorbands: Emmure, The Word Alive & Structures
Location: Große Freiheit 36, Hamburg
Homepage: http://grossefreiheit36.de/
Datum: 19.11.2012
Einlass: 19:00 Uhr / Konzertbeginn: 20:00 Uhr
Kosten: VVK: 29 €
Besucher: keine Angaben
Veranstalter: Avocado Booking (http://www.avocado-booking.com)
Nach einer recht zügigen Autofahrt auf der endlich wieder freien A1 von Bremen nach Hamburg komme ich, so denke ich zumindest noch, recht pünktlich um 19:40 Uhr in der Großen Freiheit 36 an. Was sich meiner Meinung nach wie der Soundcheck der ersten Band des Abends, namentlich Structures, anhört, entpuppt sich leider nach kurzem Gespräch mit bereits länger anwesenden Besuchern als Soundcheck der bereits zweiten Band, The Word Alive. Sehr schade, aber diese Praktik, eine der auf dem Billing des Abends stehende Band als “Get-In-Band” spielen zu lassen – also bereits vor Beginn der eigentlichen Veranstaltung während des Einlasses – scheint sich immer größerer Beliebtheit zu erfreuen. Nun ja – bleiben mir immerhin noch drei Bands zu bestaunen, obwohl ich mich sehr auf das junge Quintett aus Kanada gefreut hatte und die Band laut Besucheraussagen eine sehr gute Show abgeliefert hat, trotz der sehr kurzen Spieldauer von ca. 20 Minuten, insgesamt vier Songs umfassend.
Auf dem Programm steht also jetzt The Word Alive aus Phoenix, Arizona. Man darf gespannt sein. Der Club füllt sich zwar schon ganz ansehnlich, ist jedoch bei Weitem noch nicht voll. The Word Alive liefern direkt vom ersten Akkord an eine sehr eingängige Mischung aus schnellen und melodiösen Parts, gesungenen und geshouteten Passagen und einer ganzen Menge der so szenetypischen Breakdowns und Bassdrops.
Insgesamt merkt man dem Fünfer eine Menge Spielfreude an, was jedoch noch nicht so ganz recht auf das Publikum überspringen möchte. Bis auf einen kleinen Pit in der Mitte reagiert das Publikum eher verhalten auf die Anfeuerungen durch Frontmann Tyler Smith, der mich rein optisch an diesem Abend doch sehr stark an Matt Tuck von Bullet For My Valentine erinnert. Die Band weiß musikalisch wie auch performancetechnisch durchaus zu überzeugen, lässt die längste Zeit aber so etwas wie ein eigenes „Gesicht“ vermissen. Man wird das Gefühl nicht los, die Melodien und auch Breakdowns so oder in sehr ähnlicher Form schon mehrfach gehört zu haben. Nach etwas mehr als 30 Minuten und dem für die Band obligatorischen „Tourpublikumsfoto“ räumen erst die Instrumentalisten die Bühne, nach einer kurzen Solo-Shout-Einlage dann unter großem Applaus auch Tyler Smith.
Kurze Umbaupause – jetzt kommen Emmure. Die Große Freiheit ist auch gleich mal ein gutes Stück voller geworden und man merkt dem Publikum die Vorfreude auf das, was jetzt kommen soll, förmlich an – schon ein deutlicher Unterschied noch zur ersten Band – hier geht’s jetzt also in die Oberliga 😉
Während eines kurzen Intros „aus der Konserve“ betritt die Band unter tosendem Applaus und Geschrei die Bühne und macht gleich mit dem ersten Song klar, warum sie zur Speerspitze ihres Genres zählt. Eine derartig groovende Soundwalze lassen nicht viele Bands von der Kette, immer nach vorne gepeitscht durch das Super-Aggro-Organ Frank Palmieri. Das Publikum, das vorhin – wie gesagt – noch eher verhalten agierte, ist jetzt wie ausgewechselt…ein riesiger Pit in der Mitte des Clubs bleibt die ganze Show über bestehen und mehr als willig wird jedem Wunsch Palmieris zum Mitmachen Folge geleistet.
Der Sound von Emmure ist noch mächtiger als man ihn von CD her gewohnt ist – die kellertief gestimmte Saitenfraktion füllt den gesamten Raum mit Schwingungen aus, auch die Drums sind ultrafett abgemischt…die so typischen Elektrospielereien werden authentisch abwechselnd durch Samplereinspielungen von Drummer Mark Castillo oder den beiden Gitarristen Jesse Ketive und Mike Mulholland eingebaut. Jeden Augenblick der Show merkt man der Band ihre große Routine an, immer wieder wird das Publikum mit eingebunden, die Gitarrenfraktion untermalt die Soundspielereien mit dazu passenden Bewegungen, Drummer Mark Castillo baut Sticktricks in sein Spiel mit ein, und Frank Palmieri glänzt mit der ein oder anderen Tanzeinlage und zeigt, dass er nicht nur über ein Ausnahmeorgan verfügt, sondern durchaus auch über ein mehr als gutes Rhythmusgefühl. Das Set beinhaltet neben vielen neueren Songs wie etwa Protoman oder Solar Flare Homicide auch sämtliche Klassiker wie When Keeping It Real Goes Wrong oder I Thought You Met Telly And Turned Me Into Casper. Nach einem mehr als gelungenen Set mal wieder die Erkenntnis, dass sich Emmure live immer lohnen.
So…letzte Verschnaufpause…Parkway Drive kommen. Schlagartig ist die Große Freiheit 36 rappelvoll und man merkt noch intensiver als zuvor bei Emmure die Vorfreude und Erwartungshaltung beim Hamburger Publikum. Die Bühne wird jetzt erstmals voll ausgenutzt (bei den vorangegangenen Bands wurde vor der Backline des Headliners aufgebaut) und es gibt als visuellen Leckerbissen Videobeamereinspielungen hinter dem imposant bestückten Drumpodest von Parkway Drive–Drummer Ben Gordon. Nach wiederum kurzem Intro vom Band passiert etwas, was mich auch nach dem jetzt vierten Mal, dass ich die sympathischen Australier live sehe, doch stark erstaunt: Selten habe ich so eine intensive Publikumsreaktion auf eine Band aus diesem Genre gesehen. Direkt vom ersten Song Sparks, welcher auf dem noch recht frisch erschienenen 2012er Lonplayer Atlas zu finden ist, ist das Publikum wie entfesselt…überall im Club sind größere oder kleinere Pits auszumachen und was hier an Mitsingaktion geboten wird, hat schon fast Popmusikausmaße. Es werden nicht nur, was ja durchaus üblich ist, Textpassagen mitgegrölt, sondern ganz stumpf auch einfach mal alles, was die beiden Gitarreros Luke Kilpatrick und Jeff Ling an Melodie- und Sololinien vom Stapel lassen – und das in einer durchaus gleichberechtigten Lautstärke – WOW, soetwas habe ich bisher selten erlebt. Der Band, und hier besonders Fronter Winston McCall, sieht man die Freude hierüber überdeutlich ins Gesicht geschrieben und so ist das Quintett in einer absolut angestachelten Spiellaune, um diesem Level auch gerecht zu bleiben. Soundmäßig wird hier jetzt auch noch mal deutlich eine Steigerung hingelegt – zwar nicht mehr ganz so mächtig wie noch bei Emmure, aber absolut homogen und ausgewogen – alles genau am richtigen Platz und in der richtigen Lautstärke…so wünscht man sich das als geneigter Konzertgänger.
Die Band ist absolut fit aufeinander eingespielt und so wird während der gesamten Diskographie Parkway Drives alles abgeschossen, was man hat – von Klassikern wie Romance Is Dead über Dead Mans Chest bis hin zu Home Is For The Heartless – also alles, was das Parkway Drive–Fanherz höher schlagen lässt. Zusammen mit den zum jeweiligen Song passenden Videoeinspielern ergibt sich eine absolut perfekt abgestimmte Liveshow, es wird zur Mitte des Sets hin sogar dem Publikum per Beifallswahl überlassen, ob man nun mit einem älteren oder mit einem neuen Song fortfahren soll. Nach Ende des regulären Sets brechen augenblicklich Zugaberufe im gesamten Publikum aus – hier hat man definitiv noch nicht genug. Nach kurzer Pause kommt die Band zurück auf die Bühne und fertigt mit weiteren drei Klassikern, unter anderem dem frenetisch gefeierten und mit einer kleinen Publikumseinlage versehenen Carrion, die Große Freiheit 36 endgültig ab. Unter tosendem Applaus verlässt die Band mit dem so oft an diesem Abend gebrachten Ausspruch: „Holy Shit“ und mehreren Danksagungen die Bühne. Und dem kann ich mich nur anschließen – was für ein Abriss, was für eine Stimmung und was für eine souverän aufspielende Liveband!!!
Fazit: Mit Ausnahme der Tatsache, dass man trotz pünktlichem Erscheinen die erste Band des Abends verpasst hat, war dieser Konzertabend eine stetige und spannende Steigerung von dem, was da auf der Bühne von den Bands abgeliefert wurde und auch eine deutliche Anschauungsstunde dafür, wie ein kollektiv ausrastendes und dauermitsingendes Publikum eine Band zu Höchstleistungen anspornen kann.