Portrait – At One With None

Das Metal-Zepter liegt in der Hand der Schweden

Artist: Portrait

Herkunft: Kristianstad, Schweden

Album: At One With None

Spiellänge: 52:36 Minuten

Genre: Heavy Metal

Release: 03.09.2021

Label: Metal Blade Records

Link: https://www.facebook.com/portraitsweden

Bandmitglieder:

Gesang – Per Lengstedt
Gitarre – Christian Lindell
Bassgitarre – Fredrik Petersson
Schlagzeug – Anders Persson

Tracklist:

  1. At One With None
  2. Curtains (The Dumb Supper)
  3. Phantom Fathomer
  4. He Who Stands
  5. Ashen
  6. A Murder Of Crows
  7. Shadowless
  8. The Gallow’s Crossing

Die Schweden von Portrait sind in jeder Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung: Zum einen spielen die Herren Heavy Metal moderner Prägung, was mir die Frage nach dem Genre erleichtert. Kein „Post Progressive Technical Dark Metal“, sondern good old Heavy Metal. Allerdings nicht der „ich spiele die Songs meiner Helden nach und klebe ein anderes Etikett drauf Metal“. Dazu noch in der klassischen Besetzung mit Gesang, Gitarre, Bass und Drums. Keine Streicher, keine Keyboards, kein Trallala. Portrait haben in den letzten 15 Jahren ihre eigene Identität geschaffen und mit Album Nummer fünf sind sie tatsächlich At One With None (dt. Eins mit niemandem). Diese Tatsache wird unterstrichen von der Aussage des Gitarristen Christian Lindell: „Am Anfang lässt man sich von anderen inspirieren, von außen, von anderen Bands, Alben usw., aber irgendwann muss man in der Lage sein, die Inspiration stattdessen aus sich selbst heraus zu kanalisieren. Dann fangen die Dinge an, interessant zu werden.“

Aufgenommen wurden die acht neuen Stücke in den JFK Studios im schwedischen Kristianstad und den Mix veredelte Legende Tommy Hansen (u. a. Helloween, Hatesphere) in Dänemark. Lyrisch geht es wieder in die Untiefen der Seele, was gut zum leicht dunkleren Sound im Vergleich zum Vorgänger Burn The World passt. Der knapp achtminütige Titeltrack startet den neuen Feldzug der Schweden. Akustikgitarren ebnen den Weg für schweres Riffing. Dann betritt Sänger Per Lengstedt die Bühne. Mit seinem Mix aus warmen und aggressiven Vocals, gepaart mit King Diamond Gedächtnis-Schreien beschert er der Band einen Wiedererkennungswert par excellence. Der Text stellt die Wahrheit jeglicher Entitäten infrage. Beim Grundrhythmus zucken die Beine unterm Schreibtisch zur Doublebass von Anders Persson. Die Melodien versetzen mich schnell in Verzückung.

Curtains kommt im typischen Metal-Galopp aus den Boxen. Im Vergleich zum Opener eher festivaltauglich. Dort gehört eine Band wie Portrait ohnehin auf die ganz große Bühne. Stattdessen dürfen dort Panzer-Prediger und andere Absurditäten ihre Musik präsentieren. Nun ja, lassen wir dieses Fass lieber verschlossen. Mir macht der Song jedenfalls mächtig Spaß.

Phantom Fathomer fräst sich schon seit der Veröffentlichung vor zwei Monaten in meine Hirnwindungen. Preiset den Metal, eine epische Hymne, wie man sie kaum besser schreiben kann. Mit den geilen Bassläufen zu Beginn steigert sich der Songaufbau ständig und entlädt seine Energie im mächtigen Refrain – Fäuste hoch! Der Songtext rechnet mit dem blinden Vertrauen in Autoritäten bzw. Religionen ab: „From the day when I came to know life, I no longer have trust in anything in this world.“ Das eingestreute Beckenspiel und die versetzten Drums gegen Ende des Stücks sind großartige Details und unterstreichen die Hingabe beim Songwriting der Band. Gut ist eben nicht immer gut genug.

Die Wolken verdunkeln sich wieder: He Who Stands verbreitet die Kunde des Häretikers Simon Magus und greift damit die Thematik der Verweigerung von auferlegten Grenzen wieder perfekt auf. Musikalisch verkörpert der Song eine wilde Rohheit und ein sich langsam anschleichendes Raubtier zugleich. Per Lengstedt spielt Dr. Jekyll und Mr. Hyde und schickt tiefen Tonlagen umgehend spitze Schreie hinterher. Das Stück ist schwärzer als so manche Black Metal Scheibe.

Die Glocken läuten zum längsten Lied namens Ashen. In neun Minuten nehmen Portrait den Hörer mit auf eine großartige Reise durch ihr eigenes Metal-Wunderland. Eindrucksvoll beweisen die Schweden, dass man es auch bei stattlicher Spielzeit schafft, Fans bei der Stange zu halten. Abwechslungsreich, ohne in unnötige Frickelei zu verfallen. Stets gibt es diese eine Melodie, die so packend ist, dass man sie so schnell nicht wieder vergessen wird.

A Murder Of Crows rumpelt zunächst etwas unbeholfen durch die Membrane, fängt sich aber schnell und verwandelt sich in einen echten Banger. So eigenständig Portrait auch klingen, hier grüßt der King mit Mercyful Fate ohne Unterlass. Per Lengstedt ist allerdings der deutlich bessere Sänger und so geht Schweden mit 1:0 gegen Dänemark in Führung.

Shadowless macht mit seinen Melodien keine Gefangenen. Der ganz große Aha-Effekt bleibt für mich jedoch nach mehreren Durchläufen aus. Das ist beim bisher gezeigten Niveau locker zu verschmerzen. Auf geht’s zum großen Finale. Dieses trägt den Titel The Gallow’s Crossing. Unverzerrte Gitarren legen sich wie Nebel unter die verschwörerischen Vocals von Mr. Lengstedt. Dieser ruft noch mal sein ganzes Spektrum ab. Nach gut zwei Minuten lichtet sich der Nebel und musikalisch bricht die Hölle aus. Für mich gibt es kein Halten mehr, die Riffs und Soli nehmen mich einfach mit. Bei all dem Kopfschütteln hätte ich fast das geniale Artwork von Adam Burke außen vor gelassen – da könnte man sich glatt mal wieder ein Poster übers Bett hängen.

Portrait – At One With None
Fazit
Vier Jahre haben sich die Schweden seit Burn The World Zeit gelassen und das Warten sich gelohnt. Portrait sind in diesem Genre At One With None. 'Nuff said!

Anspieltipps: Phantom Fathomer, He Who Stands, Ashen und The Gallow’s Crossing
Florian W.
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