Scarnival im Interview

Mach dein Ding!

Artist: Scarnival

Herkunft: Hannover, Deutschland

Genre: Melodic Death Metal

Label: Kernkraftritter Records

Link: https://scarnival.de

Bandmitglieder:

Gesang – Alexander Unruh
Bass – Gerrit Mohrmann
Schlagzeug – Max Herlyn
Gitarre – Christian Kähler
Gitarre – Henna Deutsch

Seit Juni dieses Jahres ist das Album The Hell Within von Scarnival veröffentlicht (Review hier). Zu diesem Anlass durfte ich mit den Jungs ein bisschen schwatzen und sie über die Releaseshow in der Subkultur, die neue Platte und den Metal e.V. 30666  ausfragen.

Time For Metal / Lommer:
Moinsen!
Vorab, wie geht es euch?
Der Release eurer Platte war am 02.06.2023 in der Subkultur in Hannover. Wie lief die Show?

Scarnival / Max Herlyn:
Das war eine feine Sache. Wir wurden im Vorfeld und während der Show wirklich ganz hervorragend unterstützt. Die Jungs von Damnation Defaced haben uns ordentlich unter die Arme gegriffen, besonders Hannes, bei dem Alex die Gesangsaufnahmen für das Album gemacht hat. Der hat ordentlich Licht-Equipment angekarrt, damit alles schön funkelt. Zudem gab’s noch Unterstützung von Laser-Tanny am Licht und Willi Dammeier hat den Sound gemischt – alles Weltmeister auf ihrem Gebiet. Die Britta (Görtz) war auch am Start und hat mit uns unseren Song 30666 H-Town Destroyer performt. Der Laden war gut gefühlt, Damnation Defaced haben ne geile Show abgeliefert und wir haben viele alte und neue Wegbegleiter*innen getroffen. Das war echt ein sehr schöner Abend. Danke an alle, die da waren!

Time For Metal / Lommer:
Eure letzte Platte, die The Art Of Suffering, ist nun acht Jahre alt. Seit 2015 ist ja eine Menge passiert: Neuer Sänger, neues Album, die Pandemie … Gebt doch mal einen kurzen Umriss, wie die Zeit für euch war und was bei euch besonders hängen geblieben ist.

Scarnival / Gerrit Mohrmann:
Jau, ich denke, das kann man sagen. Wir sind ja alle irgendwie ständig Väter geworden, haha! Immer, wenn das eine Kind aus dem Gröbsten raus war, kam bei jemand anderes ein neues. Hehe. Ne im Ernst, Familie, Haus und Hof hatten schon immer auch einen wichtigen Stellenwert und da ging es tatsächlich in Sachen Bandarbeit dann etwas langsamer voran, als das ggf. bei anderen Bands der Fall ist. Aber hey, wir sind noch hier und haben ein Album am Start, das ist gar nicht so schlecht. 😉 Wir haben 2017 noch eine großartige Zeit in Schweden gehabt, da uns Freunde eingeladen haben. Wir durften im Sticky Fingers in Göteborg spielen, was für ein Traum! Mit dem Einstieg von Alex 2018 mussten wir uns erst mal etwas sortieren und dann stand gefühlt direkt Corona vor der Tür. Das hat uns im Grunde komplett lahmgelegt. Zumal alle irgendwie erst mal ihren (Familien-)Alltag in den Griff bekommen mussten. Mit dem Gig 2021 auf dem Helmfest ging es dann eigentlich erst wieder richtig los.

Time For Metal / Lommer:
Ihr habt ja so „leichte“ Schweden Vibes, was eure Musik angeht. Auf der The Art Of Suffering hattet ihr Björn Strid (Soilwork) als Gastsänger. In meinem Review habe ich In Flames als Referenz hinzugenommen. Was hattet ihr noch als kleine Goodies bei der The Hell Within mit dabei?

Scarnival / Max Herlyn:
Es gibt ja durchaus Stimmen, die bei unserer Musik einen Core-Einschlag vernehmen 🙂 Aus meiner Sicht schwingen bei unserer Musik die Einflüsse der Songwriter mit. Das waren bei diesem Album hauptsächlich Chris und Henna, und ich habe auch hier und da ein bisschen mitgeschraubt. Als Ergänzung zu den von dir genannten Bands könnte man sicherlich noch weitere aufzählen, wie Mors Principium Est oder Parkway Drive und Bleed From Within. Da der eine oder andere von uns ja auch in der einen oder anderen Thrash-Kapelle unterwegs war, kann man z.B. bei Songs wie Space Is My New Home auch solche Elemente finden.

Time For Metal / Lommer:
Wie lief denn eigentlich die Aufnahme der Platte? Mix und Mastering hat ja wieder Dan Swanö gemacht, oder? Hattet ihr für den Sound eine konkrete Vorstellung oder habt ihr ihn einfach „machen lassen“? (Off Topic, sorry, ich hatte damals von Henna keinen Pressetext bekommen und hole mir hier was aus meiner Erinnerung zusammen 😀 )

Scarnival / Christian Kähler:
Den Mix hat Rob Kukla in den Obsidian Recording Studios in Göteborg gemacht. Es war tatsächlich ein bisschen so, wie du gesagt hast. Wir haben ihn machen lassen. Als ich ihn letztes Jahr im August in seinem Studio besucht habe, war schnell klar, dass er dieselbe „Vision“ für die Platte hatte wie wir. Und dann haben wir einfach gesagt: „Mach dein Ding.“

Time For Metal / Lommer:
Bei Titeln wie Modern Slave und Alternative Facts musste ich erst mal ein bisschen schlucken, da hier gefühlt der Wortlaut von Corona-Leugnern mitschwingt. Wie sehr hat euch die Zeit beim Songwriting beeinflusst?

Scarnival / Chris Kähler:
Weder Modern Slave noch Alternative Facts haben per se irgendetwas mit Corona zu tun. Im Diskurs über die heutige Arbeitswelt ist Modern Slave ein, wie ich meine, mehr oder weniger unbelasteter Begriff. Worum es im Text allerdings genau geht, dazu sollte Alex etwas sagen, denn der hat ihn geschrieben. Alternative Facts ist tatsächlich bereits entstanden, als der Begriff seinerzeit durch Donald Trump geprägt wurde. Klar, auch Corona-Leugner haben sich auf alternative Fakten bezogen, im Song allerdings geht es eher um die generelle Denkweise der Leute, die sich solche „Fakten“ zu eigen machen als um konkrete Themen, bei denen alternative Fakten eine Rolle spielen.

Scarnival / Max Herlyn:
Da kann ich Lommers Reaktion erst mal gut nachvollziehen. Und sie bestätigt für mich auch das, was wir mit dem Song erreichen wollten – den Spiegel vorhalten. Wir wollten zeigen, wie absurd solche Denkweisen sein können. Ich denke, dass beispielsweise Corona-Leugner ihre Sicht- oder Denkweise nicht als „Rabbithole Of Wrath“ bezeichnen würden. Durch Textstellen wie diese haben wir versucht, den Zynismus deutlich zu machen, aber man muss schon zweimal hinhören und sich Gedanken machen. Von daher würde ich sagen, wären die Songs wahrscheinlich nicht in der Form entstanden, wenn es die Pandemie mit all ihren gesellschaftlichen Entwicklungen nicht gegeben hätte.

Time For Metal / Lommer:
Wo wir gerade beim Songwriting sind: Wie geht das bei euch vonstatten? Habt ihr da eine Blaupause, nach der ihr arbeitet?

Scarnival / Christian Kähler:
Gegenfrage: Würden wir geplant dabei vorgehen, hätte es dann acht Jahre gedauert, bis das Album fertig ist? 😉

Scarnival / Max Herlyn:
Ja, unser Chrüschi wieder 🙂 Beim ersten Album The Art Of Suffering haben wir die Songs eher gemeinsam im Proberaum geschrieben. Während der Produktion haben wir dann einiges umgemodelt. Bei The Hell Within dachten wir uns, dass wir das mit dem Ummodeln irgendwie überspringen können, indem wir die Songs am Rechner schreiben. Das hat eigentlich ganz gut geklappt. Beides hat Vor- und Nachteile, würde ich sagen. Ich denke, die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte. Von daher würde ich da Chris schon irgendwie zustimmen.

Time For Metal / Lommer:
Jetzt rudern wir aber mal ganz weit zurück: Wie seid ihr auf euren „neuen“ Sänger Alex gestoßen? Was waren die Gründe für den Wechsel von Daniel? Gerade den Sänger von einer Band zu ersetzen, ist ja eher schwierig.

Scarnival / Max Herlyn:
Wenn man mehrere Jahre zusammen in einer Band unterwegs ist, ist der Ausstieg eines Bandmitglieds immer erst mal irgendwie komisch. Zwischen Daniel und dem Rest der Band gab es aus meiner Sicht ab einem gewissen Punkt zu viele Unterschiede in der Betrachtungsweise zu bandrelevanten und auch persönlichen Dingen. Selbstverständlich gehe ich hier nicht weiter ins Detail. Aus meiner Sicht hat es allen Beteiligten im Nachhinein gutgetan, getrennte Wege zu gehen – so konnten alle befreiter ihr Ding machen. Ich bin Daniel sehr dankbar, dass er zu unserer letzten Releaseshow gekommen ist und rechne ihm seinen Support hoch an!
Nun zu diesem Alexander. Alex und ich kennen uns schon seit Beginn der 2000er-Jahre, als wir mit unseren damaligen Bands (Revolt und Sylent Green) öfter mal die Bühne geteilt haben. Ich fand Alex schon damals geil, als Sänger und als Typen. Nach Daniels Ausstieg haben wir länger überlegt und gesucht und uns schließlich entschieden, die Position öffentlich „auszuschreiben“. Alex hat, ich glaube durch Frank von Surgical Strike, davon Wind bekommen und sich daraufhin bei uns gemeldet. Von den Auditions, die wir abgehalten haben, hat uns Alex im Gesamtpaket einfach am meisten gefallen. So kam zusammen, was zusammengehört.

Time For Metal / Lommer:
In eurer Heimatstadt Hannover gibt es den Metalverein 30666, bei dem Teile von euch mehr oder weniger mit involviert sind. Reißt doch mal kurz an: Was macht ihr da, und inwiefern beeinflusst das eure Bandarbeit?

Scarnival / Gerrit Mohrmann:
Auf The Hell Within ist der Hannover Metal Szene ein Song gewidmet, die Idee zum Song hatte Alex. Im Song hat uns unsere liebe Freundin Britta (Görtz, Hiraes, ex-Cripper, ex-Critical Mess) unterstützt. In den Gangshouts hört man diverse Menschen aus dem Verein und hannoverschen Metalbands. Danke an dieser Stelle an die verrückte Bande, haha!

Henna (Hendrik Deutsch) und ich sind bei 30666 im Vorstand aktiv. Henna, unser Rhythmusgitarrist, hatte 2018 die Idee, einen Verein zu gründen. Damals hatten wir den Eindruck, dass eine Anlaufstelle neben den üblichen Konzerten fehlt. In unserer bisherigen Musiker-“Karriere“ haben auch wir letztlich immer von Menschen profitiert, die sich ehrenamtlich oder voller Idealismus um junge Bands bemüht haben. Daher gab es ein paar von uns, die etwas an die Szene zurückgeben wollten. Dass es am Ende ein e.V. geworden ist, lag in erster Linie aber an der Förderpartnerschaft mit der Stadt, die eine nachvollziehbare rechtliche Struktur verlangte. Tatsächlich war das etwas mehr Bürokratie als ursprünglich geplant. 😀 Durch seinen Job als Kulturreferent hatte Henna den Kontakt zur Stadt Hannover und in der Form als Verein ist es uns somit möglich, auch ganz offiziell geförderte Veranstaltungen zu machen. Und da ist im Grunde von ganz klein bis inzwischen für unsere Verhältnisse recht groß alles dabei:
Ein Highlight ist sicherlich die 30666-Metal-Stage auf der Fete de la musique jedes Jahr am 21.06. in der Innenstadt von Hannover, daneben haben wir einen monatlichen Stammtisch, Frühschoppen, kleinere Partys und Konzerte sowie ein Sommerfest und Motorradausfahrten. … und natürlich eine ganze Menge Ideen für weiteres verrücktes Zeug. Schaut also gerne mal auf die Seite des Vereins unter 30666.de. Auch Nicht-Mitglieder sind immer herzlich willkommen.

Time For Metal / Lommer:
Dann erst mal Danke für das Interview! Habt ihr noch was, was ihr unbedingt loswerden wollt?

Scarnival / Chris:
Vielen Dank für deinen Support, Lommer, und viele Grüße an alle, die das hier lesen!

Scarnival / Max:
Herzlichen Dank Lommer! Auf ein baldiges Wiedersehen und beste Grüße an alle Leser*innen.