Terra Odium – Ne Plus Ultra

Psychotic Architect Warning

Artist: Terra Odium

Herkunft: Norwegen

Album: Ne Plus Ultra

Spiellänge: 52:24 Minuten

Genre: Progressive Metal

Release: 11.06.2021

Label: Frontiers Music

Link: https://www.facebook.com/TerraOdium/

Bandmitglieder:

Gesang und Gitarre – Øyvind Hægeland
Gitarre – Bollie Fredriksen
Bassgitarre – Steve Di Giorgio
Keyboard und Orchestrierung – Jon Phipps
Schlagzeug – Asgeir Mickelson

Tracklist:

  1. Crawling
  2. The Road Not Taken
  3. Winter
  4. The Shadow Lung
  5. The Thorn
  6. It Was Not Death
  7. The Clouded Morning

Es gibt diese Alben, bei denen man vorher nicht wusste, dass man sehnsüchtig auf sie gewartet hat. Im Begleitschreiben steht für Fans von: Death, Atheist, Cynic, Watchtower und auch noch Dream Theater. Mein Körper wird augenblicklich mit Erpeltapete tapeziert und das Wasser läuft mir im Mund zusammen.

Doch wer oder was sind Terra Odium? Terra ist die Erde und Odium der Hass. Dank der Bandmitglieder könnte man wieder einmal das Schimpfwort Supergroup in den Mund nehmen. Wen haben wir denn hier? Das Grundgerüst bilden die beiden Spiral Archtitect-Mitglieder Øyvind Hægeland (Vocals, Gitarre) und Asgeir Mickelson (Drums). Hauptsongwriter und Produzent ist Bollie Fredriksen (Gitarre). Dieser zockte auch gemeinsam mit Wundersänger Hægeland bei den aufgelösten norwegischen Kult-Proggies Manitou. Hinzu kommt der Komponist und Keyboarder Jon Phipps, der u. a. schon Orchestrierungen für Moonspell, Amorphis und Angra in seiner Vita stehen hat. Last but not least einer der großartigsten (Fretless)-Bassisten im Metal: Mr. Steve Di Giorgio. Seine Arbeit kennt man von zahlreichen Größen diverser Genres wie Death, Testament, Iced Earth und Soen. Zudem gibt es noch die opernhafte Stimme von Kjetil Nordhus (Tristania, Green Carnation) als Gastsänger zu hören.

Als Fan des Spiral Architect-Klassikers A Sceptic’s Universe wartet man seit über 20 Jahren sehnsüchtig auf ein neues Werk der Frickelkönige. Als es auf der Facebook-Seite vor Monaten die ersten Zuckungen gab, fingen die schwitzigen Hände an zu zittern. Verkündet wurde „nur“ das erste Album Ne Plus Ultra des Projekts Terra Odium. Bleibt zu hoffen, dass sich aus diesem vielversprechenden Zusammenschluss weitere Alben und zahlreiche Liveauftritte ergeben.

Einen kleinen Seitenhieb in Richtung Label kann ich mir an dieser Stelle nicht verkneifen, denn das verspätete Review ist leider auf einen nicht vorhandenen Zugriff zum Songmaterial zurückzuführen. So what? Stürzen wir uns kopfüber in das über 50-minütige Prog-Abenteuer Ne Plus Ultra. Nach dem kurzen einleitenden Kehlkopfgesang des Openers Crawling legen die Gitarrenriffs von Hægeland und Fredriksen los wie die Feuerwehr. Im Hintergrund, aber dennoch perfekt hörbar, knarzen die unnachahmlichen Fretless-Basslinien von Steve Di Giorgio. Teilweise polyrhythmische Drums von Asgeir Mickelson, untermalt mit einer Orchester/Bläser-Sektion von Jon Phipps liefern die perfekte Einführung in den Bandsound. Schnell wird klar, dass mindestens zwei Bands in der oben erwähnten Aufzählung fehlen. Nämlich Fates Warning und Psychotic Waltz. Erstere aufgrund der Herangehensweise bei den Riffs und Letztere wegen der ähnlichen Stimme von Hægeland zu Devon Graves aka Buddy Lackey.

Die Wucht von The Road Not Taken schlägt noch mehr zu. Die Arrangements von Phipps sorgen immer wieder dafür, dass man meint, einen Film-Soundtrack vor sich zu haben. Dennoch bin ich froh, dass diese Passagen nicht die Überhand gewinnen, denn Terra Odium erscheinen mir am stärksten, wenn der gute alte Riff-orientierte Prog obsiegt. Winter bei aktuell 26 Grad Außentemperatur? Na gut, in Skandinavien ist ja gefühlt das ganze Jahr über kalte Jahreszeit angesagt. Der eindringliche Gesang vereint das Beste von John Arch und Devon Graves. Dazu gibt es so schöne Details wie das Beckenspiel von Mickelson zu entdecken. Bassfreunde fangen eh schon an zu sabbern. Getragene Passagen wechseln sich mit fetten Riffs ab und bei Minute 4:30 kommen sogar Fans auf ihre Kosten, die nur wegen vermeintlicher Spiral Architect Reminiszenzen hier sind. Melodische Soli machen das Gesamtkonzept perfekt und so liefert Winter das erste absolute Highlight der Platte.

Das Stichwort Highlight lässt sich der nächste Song The Shadow Lung nicht zweimal sagen und legt gekonnt nach. Obwohl ein Großteil der beteiligten Musiker aus Norwegen kommt, ist die Nähe zum amerikanischen Prog der 80er und 90er nicht abzustreiten. Auch hier gibt es nach Dutzenden Durchläufen so viel zu entdecken. Hört euch nur mal den Part ab Minute 2:10 an – zum Niederknien. Es wird gerifft, gefrickelt und zwischendurch gibt es Hooks ohne Ende. Die Orchestrierung inklusive der tiefen Chöre von Kjetil Nordhus dienen als i-Tüpfelchen und heben Terra Odium von der Masse ab, solange sie es nicht damit übertreiben.

Auf was warten Progfans schon sehnsüchtig? Richtig, den Longtrack. Mit knapp 12 Minuten entfaltet sich The Thorn in voller Pracht. Die Riffs zu Beginn sind fast schon simpel und bauen gemeinsam mit Vocals und Keyboards eine dramatische Überleitung zum Duell der Gitarrensoli. Danach folgt eine Passage, wie sie Psychotic Waltz nicht besser hätten intonieren können. Die Mauern des Labyrinths, welches auf dem Albumcover zu sehen ist, beginnen zu wachsen. Auf symphonische Parts folgt der fast schon gesprochene, eindringliche Gesang im Mittelteil, der über melodische Gitarrenharmonien gelegt wird. Spielerisch wechseln Terra Odium eingängige Abschnitte mit Seemannsknoten für menschliche Gehirnwindungen ab.

Das vorletzte Kapitel trägt den Namen It Was Not Death. Ein Hörspiel-artiges Intro nebst Akustikgitarren erzeugt ein düsteres Ambiente. Eine Ballade, nicht klebrig süß, sondern verstörend und intensiv wie Nevermore zu ihren besten Zeiten. Der Abschluss The Clouded Morning war zugleich das erste Lebenszeichen von Terra Odium in Form einer Single-Auskopplung. Im Prinzip beschreibt der Song wieder die fiktive Band „Psychotic Archtitect“ ohne dabei den eigenen Charakter zu vernachlässigen.

Terra Odium – Ne Plus Ultra
Fazit
US-Prog-Freunde mit Hang zu Bands wie Fates Warning, Psychotic Waltz oder Watchtower sollten Terra Odium unbedingt eine Chance geben. Die beteiligten Musiker sind in der Lage, jeden Anhänger von ihrer Musik zu überzeugen. Der herausragende Gesang und die dezente Orchestrierung machen Ne Plus Ultra so besonders. Obwohl ich in letzter Zeit viel progressive Musik besprechen durfte, verneigt sich keiner so schön vor den US-Vorbildern wie die Norweger.

Anspieltipps: Winter, The Shadow Lung und The Thorn
Florian W.
8.5
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