Artist: Fit For An Autopsy
Herkunft: New Jersey, USA
Album: Oh What The Future Holds
Spiellänge: 45:13 Minuten
Genre: Deathcore, Death Metal
Release: 14.01.2022
Label: Nuclear Blast Records
Link: https://www.facebook.com/FitForAnAutopsyOfficial
Bandmitglieder:
Gesang – Joseph Badolato
Gitarre – Patrick Sheridan
Gitarre – Timothy Howley
Gitarre – Will Putney
Bassgitarre – Peter Blue Spinazola
Schlagzeug – Josean Orta Martinez
Tracklist:
- Oh What The Future Holds
- Pandora
- Far From Heaven
- In Shadows
- Two Towers
- A Higher Level Of Hate
- Collateral Damage
- Savages
- Conditional Healing
- The Man That I Was Not
Auch in meiner härtesten Core-Phase vor einigen Jahren war Deathcore für mich nichts weiter als der böse Zwillingsbruder von Metalcore. Bis auf Suicide Silence kam für mich kaum eine andere Band in den Player. Doch das Genre und die Szene haben sich entwickelt, was die letzten Releases von Whitechapel und Lorna Shore untermauern. Melodien, Cleangesang, symphonische Elemente und Einflüsse anderer Stilrichtungen sind nicht länger verpönt, sondern gehören zum guten Ton. Fit For An Autopsy gehören zur erfolgreichen Szene, die sich Mitte der 2000er etablierte. Leider habe ich die Amerikaner bisher links liegen gelassen. Vor einigen Wochen wurde ich eines Besseren belehrt: Die erste Single Far From Heaven zum kommenden sechsten Album Oh What The Future Holds hat definitiv nichts mehr mit dem stumpfen Deathcore zu tun, den ich schon abgeschrieben hatte. Nicht nur der Titel, sondern auch die Texte vermitteln dem Hörer die ungeschönte Wahrheit über das, was die Zukunft für uns bereithält. Egal ob Glaube, Hass, das Virus oder unser Umgang mit der Umwelt – wir haben es selbst in der Hand. Verpackt wird das Ganze in einen historischen bzw. mythologischen Hintergrund. Die an Whitechapel erinnernde Gitarrenwand, bestehend aus drei Gitarristen, ein mehr als fähiger Shouter und Topproduzent Will Putney (u. a. Thy Art Is Murder) in den eigenen Reihen versprechen zumindest eine tolle Zukunft in Bezug auf die Band. Auf geht’s in eine Dreiviertelstunde modernen Deathcore mit FFAA.
Der Titelsong fungiert als Intro und transportiert unheilvolle Schwingungen. Düstere Pianoklänge malen das Szenenbild, ehe mich der hasserfüllte Gesang von Joseph Badolato wie ein Krake in die Tiefe reißt. Bevor ich nach Luft ringen kann, öffnet sich auch schon die Büchse der Pandora. Passend zum Thema der griechischen Mythologie verbreitet diese Krankheit und Tod. In unserem Fall allerdings in Form eines wahrhaften Orkans aus Riffs, Blastbeats und den beißenden Shouts von Fronter Joseph. Man gönne sich nur mal das einleitende Drumming von Josean Orta Martinez. Doch wir sind hier sozusagen im Bereich Deathcore 2.0 und damit geht auch die Abwechslung einher. Hier wird nicht stumpf Breakdown an Breakdown gereiht, sondern gekonnt melodische Soli und ruhige Passagen eingestreut. Der Gesang ist mal dominant und mal wie entfernte Schreie zu hören. Der dann doch noch obligatorische Breakdown reißt alles in Stücke. Nehmt euch in Acht, FFAA haben neben grandioser Akrobatik an den Instrumenten auch was zu sagen: „A world driven by extinction, only ends in extinction.“ Der Text mit all seinen Metaphern ist es wert, schon zum Auftakt in Ekstase zu geraten. Diese Büchse wird im Jahr 2022 garantiert häufiger geöffnet.
Wie bereits erwähnt, brachte mich der Titel Far From Heaven überhaupt erst zur Band. Schönes Gefrickel zu Beginn, langsamer, getragener Aufbau und dann erscheint wieder dieses Monster von einem Shouter auf der Bildfläche. Joseph Badolato darf in einem Atemzug mit Szenegrößen wie Phil Bozeman (Whitechapel) oder CJ McMahon (Thy Art Is Murder) genannt werden. Der stampfende Rhythmus nimmt etwas den Druck, immer auf Höchstgeschwindigkeit zu agieren. In Shadows steht in den Startlöchern. Verflucht, dieser Gitarrensound bringt Mauern zum Einstürzen. Gut, dass ich keine Nachbarn in Hörweite habe. Der überlagerte Gesang bringt wieder ein neues Stilmittel in den Gesamtsound der Amerikaner. Luftgitarre und Luftschlagzeug zum Ausklang und ich befürchte, dass meine Einrichtung nicht mehr lange steht.
Hat mich Oh What The Future Holds bis hierhin schon überzeugt, so setzen FFAA mit Two Towers noch einen obendrauf. Deftones-Vibes mit verträumtem Gesang, wie ich ihn sonst nur von Chino Moreno kenne, eröffnen die Nummer. Das Hauptriff mag simpel sein, verfehlt aber nicht seine Wirkung. Durch die zur Verfügung stehenden Gitarristen gibt es auch eine Menge Details zu entdecken, ohne dass es zu verkopft wirkt. Musik, zu der man sich gerne treiben lässt und ebenfalls gepflegt eskalieren kann. Schaut euch das tolle animierte Video dazu an. Nanu, haben FFAA etwa alte Sepultura-Alben gesuchtet? A Higher Level Of Hate tritt etwas unerwartet mit klassischen Percussions auf den Plan. Die Band schreckt nicht davor zurück, neue Wege einzuschlagen und erschafft dennoch ein homogenes Hörerlebnis.
Es ist wieder an der Zeit, brennende Schneisen zu schlagen. Dafür ist Collateral Damage genau der richtige Zunder. Doch wie gehabt, sorgen nach nervenzerfetzenden Parts immer wieder kurze „Pausen“ für die nötige Abwechslung. Egal, ob durch reduzierte Instrumentierung, Melodiebögen oder abgewandelte Gesangslinien, die Jungs schaffen es, den Hörer bei der Stange zu halten. Savages setzt auf Thrashriffs und Shouts, die das Publikum beim Liveerlebnis ordentlich anstacheln können. Aktuell ist das Sextett in den USA unterwegs. Hoffen wir mal, dass die geplante Europatour im Mai ebenfalls stattfinden kann.
Passend zum Titel Conditional Healing geht die Band etwas verrückter zu Werke. Riffs werden abgehackt, dissonante Akkorde mischen sich unters Volk und die Breakdowns werden erbarmungsloser. Den längsten Song mit knapp sieben Minuten haben sich FFAA für den Schluss aufgehoben. Mit The Man That I Was Not untermauert Will Putney, der den größten Teil des Materials schreibt, dass ihm simpler Deathcore einfach nicht genug ist. Cleangesang setzt ein und trifft auf wabernde Gitarren und Bässe. Ein Schrei unterbricht die Ruhe und die Band holt zum letzten vernichtenden Schlag aus. Fit For An Autopsy setzen zum Jahresauftakt ein dickes Ausrufezeichen.