Blind Ego und Kingcrow, Double Headliner Tour am 02.03.2020 im Hamburger Terrace Hill Club

Zwei gleichwertige Headliner liefern über den Dächern von St. Pauli zwei tolle Konzerte ab

Artist: Blind Ego, Kingcrow

Event: Double Headliner Tour 2020

Datum: 02.03.2020

Genre: Progressive Rock Musik, Rock

Besucher: ca. 100

Ort: Terrace Hill, Hamburg St. Pauli

Kosten:  24 €

Links: https://www.blind-ego.com/
https://www.kingcrow.it/
https://www.terracehill.de/

Setlisten:


  1. Drenched
  2. Devil’s Got A Picture
  3. The Persistence
  4. This Ain’t Another Love Song
  5. Closer
  6. Father
  7. Fading Out Part III
  8. Astray
  9. Nights Descending
  10. At The Same Pace
  11. The Moth
  12. If Only


  1. Preaching To The Choir
  2. Obsession
  3. Line in The Sand
  4. Burning Alive
  5. Not Going Away
  6. Dark Paradise
  7. Never Escape The Storm
  8. Massive
  9. In Exile
  10. What If
  11. Hear My Voice Out There

Zugabe:

  1. Blackened

Montagabend, Hamburg, St. Pauli, Terrace Hill. Noch nie gehört? Das ging mir bis heute auch so. Aber Blind Ego und Kingcrow kommen auf Double Headliner Tour in den hohen Norden und so spielen diese beiden Bands heute eben in besagtem Club. Der ist im fünften Stock eines alten Bunkers, in dem sich unter anderem auch der Club Uebel & Gefährlich und Just Music, ein Fachgeschäft für Instrumente, befinden. Leider sind die Tage der Clubs und der anderen Geschäfte gezählt, denn der Bunker soll zu einem Hotel umgebaut werden und so ist die tolle Aussichtsplattform des Terrace Hill bereits gesperrt. Das ist sehr schade, denn der Ausblick über das Heiligengeistfeld und über Hamburg soll phänomenal gewesen sein. Auch das Clubsterben wird durch solche Maßnahmen forciert. Nun aber zu diesem Abend. Kurz nach sieben öffnen sich die Türen und wir gehen mit den bereits ca. 30 wartenden Gästen hinein. Es erwartet uns eine kleine aber nett eingerichtete Halle mit einer gut ausgestatteten Bar und einer flachen Bühne. Beim kleinen Plausch mit dem Barmann erfahre ich, dass hier meist Techno Konzerte stattfinden und die Location bis zu 600 Gäste fasst. So ist der heutige Abend für das Personal mal eine Abwechslung, denn es dürfte wesentlich rockiger werden. Leider ist es noch sehr überschaubar, aber das kann ja noch besser werden. Beim Einlass erfahre ich allerdings, dass nur 80 Karten im Vorverkauf rausgegangen sind. Vor drei Jahren, als Blind Ego mit Subsignal im Logo gastierten, war es ziemlich voll aber das entmutigt hier keinen. Kalle Wallner und Julian Kellner haben sich bereits unters Publikum gemischt und auch Yogi Lang, der wie immer bei Blind Ego Konzerten für den guten Ton sorgt, ist anzutreffen.

Um kurz nach 20:00 Uhr kommen Kingcrow auf die Bühne. Die Italiener beginnen mit Drenched, einem Song von ihrem 2018er Album The Persistence. Und was soll ich sagen? Das hört sich schon sehr geil an. Bisher waren mir die Jungs aus Rom noch kein Begriff, aber das soll sich nun ändern. Ihr progressiver Rock, der manchmal auch schon in den Metalbereich übergreift, lässt den Funken sofort überspringen und begeistert die Gäste. Gerade Bassist Angelo Orlando besticht durch gute Performance und nicht selten sind Sprünge, leider ohne die vorher anzukündigen, involviert. Weiter geht es mit einem Potpourri von Songs aus ihrer immerhin doch schon 24-jährigen Geschichte. Sänger Diego Marchesi taut bei den folgenden Songs immer mehr auf und ist auch in der Kommunikation mit dem Publikum nicht schüchtern. So sind seine Ansagen zu den Tracks knapp aber oftmals auch witzig. Er freut sich, hier in Hamburg zu sein, und genießt den Auftritt. Die beiden Gitarristen Diego Cafolla und Ivan Nastasi stehen links und rechts auf der Bühne und zumindest Diego geht in der Musik, oftmals mit geschlossenen Augen und gesenktem Kopf, voll auf. Nach Tracks wie dem gefeierten Father oder dem tollen Fading Out Part III sowie dem neuen Song Astray, geht der Auftritt nach gut 70 Minuten ohne Zugabe zu Ende. Mir haben die Italiener von der ersten Minute an gefallen und wieder zeigt sich, dass es Bands gibt, von denen man noch nichts gehört hat, die aber supertolle Musik machen. Das hat sich hier nun auch vor der etwas mageren Kulisse von vielleicht hundert Gästen wieder bestätigt.

Nach einer kurzen Umbaupause kommen Blind Ego auf die Bühne. Strategisch günstig positioniert, stehen wir auf der linken Seite vor Kalle Wallner. Aber das ist heute relativ egal, da genügend Platz vor der Bühne ist, um sich ungehindert frei zu bewegen. Es geht gleich mit dem Titeltrack der neuen CD Preaching For The Choir los. Das Album erschien am 14. Februar und das dazugehörige Review findet ihr hier. Scott Balaban ist gut bei Stimme, Yogi Lang mixt meisterlich und Kalle spielt souverän auf. Am Bass steht der Hamburger Sebastian Harnack, der ansonsten bei Sylvan den Viersaiter, heute besser einen Fünfsaiter zupft. An den Drums sitzt Michael Christoph und als zweiter Gitarrist verstärkt Julian Kellner eindrucksvoll die Truppe. Nach dem schon mal beeindruckenden Opener geht es weiter mit Obsession. Der Track stammt von Mirror, dem ersten Album des RPWL Gitarristen Kalle Wallner und seinen Blind Egos. Auf seinen Solopfaden hat er dem doch proglastigen Sound von RPWL etwas abgeschworen, ist auf rockigeren Pfaden unterwegs und verwirklicht seine eigene Musik. Das hat sich bis heute durchgesetzt und so ist das aktuelle Werk noch ein ganzes Stück härter. Scott kann diese Stücke bestens live umsetzen und so gefällt das folgende, auch neue Stück Line In The Sand noch besser als auf Platte. Auch Burning Alive geht in diese Richtung und überzeugt. An der zweiten Gitarre kann Julian zeigen, dass er sich in keinster Weise verstecken muss, und liefert coole Soli ab. Wer nun denkt, dass Kalle das als Bandkopf für sich beansprucht, liegt falsch. Er stellt sich voll in den Dienst der Band, hat aber natürlich schon das eine oder andere Solo dabei. Der in München lebende Scott Balaban unterhält mit seinen Ansagen kurzweilig das Publikum und trägt das eine oder andere Mal auch zur allgemeinen Erheiterung bei.

Dann geht es in der Geschichte von Blind Ego ein kleines Stück zurück und es folgt Not Going Away von der 2016 erschienenen Platte Liquid. Davon sind dann noch das tolle Never Escape The Storm, der Klassiker What If, Hear My Voice Out There und zum Schluss als Zugabe noch Blackened dabei. Vom neuen Album sind auf der Setlist noch Massive und In Exile dabei, welche sich hier noch besser als auf CD erweisen. Das ist eine gute Mischung der beiden wohl erfolgreichsten Platten, wobei das vierte Werk Numb komplett ausgeblendet ist. Aber da ja nur begrenzt Zeit ist, wird auf das Aktuellere mehr Wert gelegt. Wer keine Chance hat, Blind Ego auf ihrer aktuellen Tour zu sehen, dem lege ich Liquid Live ans Herz, denn da kann die Klasse der Jungs angesehen und auch angehört werden.

Hier und heute können sie überzeugen und bekommen auch den mehr als verdienten Beifall. Der Sound ist die gesamte Zeit über super, alle fünf begeistern mit Spielfreude und lassen es sich nicht anmerken, ob da nun 100 oder 1000 Zuschauer stehen. Lichttechnisch hätte ich mir etwas mehr Helligkeit von vorne gewünscht, aber es geht trotzdem einigermaßen. Leider hat sich die Zuschauerzahl nicht weiter nach oben entwickelt. Ich hätte ihnen eine volle Hütte gegönnt. So ist dann im Anschluss viel Zeit, um noch ne Runde zu quatschen. So komme ich mit Scott ins Gespräch, der mit verrät, dass er fast alle Reviews zu den Platten liest. Er zeigt sich auch interessiert, welche Stücke mir am besten gefallen und welche Unterschiede es zur Liveperformance gibt. Er ist ein sehr sympathischer und offener Gesprächspartner, der sich für das Gesagte seines Gegenübers interessiert. Auch hier zeigt sich wieder, dass es Bands gibt, die sich um ihre Fans kümmern und für einen Plausch oder Autogramme zur Verfügung stehen.

Fazit: Klasse Location, die leider demnächst geschlossen wird und zwei top Headliner, wobei mich Kingcrow außerordentlich positiv überrascht und auch begeistert haben. Dann mein persönlicher Headliner Blind Ego, der auch wieder zeigte, dass Kalle Wallner und seine Mitmusiker es einfach draufhaben. Live machen sie viel Spaß und zeigen, dass zwischen den Tracks auf CD und den gleichen Songs live gespielt noch einiges an Dynamik und auch Härte hinzugewonnen werden kann. Schade, dass solche Abende zu schnell vorbei sind.