Artist: Caliban
Herkunft: Hattingen, Deutschland
Album: Dystopia
Spiellänge: 47:51 Minuten
Genre: Metalcore, Modern Metal
Release: 22.04.2022
Label: Century Media Records
Link: Website
Bandmitglieder:
Gesang – Andreas Dörner
Gitarre – Denis Schmidt
Gitarre – Marc Görtz
Bassgitarre – Marco Schaller
Schlagzeug – Patrick Grün
Tracklist:
1. Dystopia feat. Christoph Wieczorek
2. Ascent Of The Blessed
3. VirUS feat. Marcus Bischoff
4. Phantom Pain
5. Alien
6. sWords
7. Darkness I Became
8. Dragon feat. Jonny Davy
9. Hibernate
10. mOther
11. The World Breaks Everyone
12. Bonus Track: D I V I D E D
Was soll man über eine Band schreiben, die nicht nur zu den bekanntesten Metalbands Deutschlands gehört, sondern auch ein erfolgreicher Exportschlager im Ausland ist? Vielleicht, dass sich die Metalcore-Pioniere Caliban mit Dystopia nicht neu erfinden. Das zieht die Frage nach sich, warum sie das sollten. Mangelnde Innovationskraft konnte man Caliban noch nie vorwerfen.
Nachdem die letzte Veröffentlichung Zeitgeister – damals hatte die Band bereits mit der Arbeit an Dystopia begonnen – auf geteilte Meinungen stieß, sind Caliban mit ihrem dreizehnten Studioalbum wieder genau da, wo Caliban hingehören. Vorne.
Da ist die vertraute Härte mit heftigen Double Bass Attacken, erdstoßartigen Breakdowns und bitterbösen Growls, dort die frischen Melodien mit unaufdringlichen Effekten und leidenschaftlichen Refrains. Dazwischen sphärische Klänge und jene Momente, die bei Konzerten für Gänsehaut sorgen werden. Manchmal mehr Metal als Core, aber auch das ist mittlerweile der gute (!) Ton bei Caliban.
Das von Benjamin Richter (Moonspell, Emil Bulls) und Gitarrist Marc Görtz sowie Callan Orr (Dream On, Dreamer) produzierte Album entstand in der Pandemie, was Caliban wie so viele andere Bands vor neue Herausforderungen stellte. Dystopia reflektiert diesen Ausnahmezustand in düsteren Texten und der wütenden Instrumentation.
Der Opener und Titelsong Dystopia stampft moshpitträchtig daher und präsentiert mit Gastsänger Christoph Wieczorek (Annisokay) ein erstes Schmankerl. Dörners wilde Stimmenakrobatik und Wieczoreks Gesang stellen die Weichen für ein musikalisches Workout, das weitere gelungene Features präsentiert.
Caliban im Doppelpack mit Marcus Bischoff von Heaven Shall Burn? Auch das kann nicht wirklich in die Hose gehen. Die Dampfwalze VirUs ist sicher einer der Höhepunkte des neuen Albums. Beide Bands krempelten einst mit ihren Splitalben The Split Program (2000) und The Split Program II (2005) die deutsche Szene um. So alt ist der deutsche Metalcore. So jung klingt er auf Dystopia.
Ein weiteres Feature gibt es mit Dragon auf die Ohren, bei dem Jonny Davy von Job For A Cowboy aus den Tiefen der Hölle mitgrunzt. Bei allem geht es allerdings nicht um selbstzweckhafte Härte, wie etwa Hibernate beweist.
Selbstverständlich bleibt der Caliban-typische Pathos nicht aus und textlich kommt die Band nicht um Allgemeinplätze herum. Doch Zeilen wie „They wanna make us believe / In everything that they preach / manipulate our trust / To feed the virus in us“ aus VirUs – veröffentlicht einen Monat nach Wladimir Putins Invasion in der Ukraine – erfährt in Zeiten eines von medialer Propaganda gesteuerten Kriegs eine weitere Bedeutung.
Dystopia ist ein treffender und leider abgenutzter Titel für unsere Gegenwart. Trotz zumeist pessimistischer Lyrics und kompromissloser, aber organischer Härte, fällt das Album klanglich jedoch alles andere als dystopisch aus. Dafür ist es schlicht zu mitreißend und dürfte vor allem jene Fans erfreuen, die mit dem experimentellen Zeitgeist weniger anfangen konnten.