Devil May Care und Godots am 07.11.2021 – Béi Chéz Heinz in Hannover

Gepflegtes Abtanzen in Hannovers Kultkeller

Eventname: Devil May Care – Divine Tragedy – Exclusive Release Shows (2G-Konzert)

Headliner: Devil May Care

Vorband: Godots

Ort: Béi Chéz Heinz, Hannover

Datum: 07.11.2021

Kosten: 15 € AK

Genre: Post-Hardcore, Alternative Rock, Metalcore

Besucher: ca. 60 Besucher

Veranstalter: Spider Promotion (https://spider-promotion.de/)

Link: Facebook

Setlisten:

  1. Into The Abyss
  2. Ghosts
  3. Atlas
  4. Calm Waters
  5. On Wings Of Wax
  6. The Fire
  7. Last September
  8. Revelation
  9. Dead Amber
  10. Echoes
  11. Painter
  12. Our Hope
  13. L.I.A.R.
  14. Delirium
  15. Odyssey
  16. Dayblind
  17. Tragedy

  1. Heathrow
  2. Brake
  3. Wake Up
  4. Head Over Heels
  5. Touchdown
  6. Trip Down
  7. Full Of Hope
  8. Night On Malta
  9. Duke Of Space
  10. It’s Gonna Be Ok
  11. The Forests Aren’t Alright

Nach meinem Review zur neuen Platte von Devil May Care ist es mir ein Vergnügen, bei einem ihrer exklusiven Release-Konzerte zu Divine Tragedy dabei zu sein. Die erst im Oktober angekündigte kurze Konzertreihe geht durch Köln, Hamburg, Hannover und zum Jahresabschluss in die Heimat von Devil May Care nach Würzburg. Heute sollen die Wände des altehrwürdigen Kultkellers Chéz Heinz in der niedersächsischen Landeshauptstadt zum Wackeln gebracht werden. Unterstützt werden die Würzburger durch die Lokalmatadoren von Godots. Im Heinz prangt nicht erst jetzt der Slogan #heinzmussbleiben. Dem seit über 20 Jahren bekannten Club droht die Schließung durch den geplanten Umbau des Fössebads, in dessen Hallen sich das Heinz befindet. Wie die Politik mit Kulturschaffenden vor allem seit Corona umgeht, ist ein Thema, dass die Länge dieses Konzertberichts sprengen würde.

Wenn man inmitten einer Pandemie zu einem Musikmagazin stößt, fehlt vor allem eins: Livekonzerte! So kann ich nach einem kleinen Festival im Sommer auch endlich mal im Club schwitzen und davon berichten. Durch die lange Durststrecke erwarte ich eigentlich ein volles Haus, so wie ich es vom Chéz Heinz gewohnt bin. Leider haben sich nur ca. 60 Feierwütige in den Keller verirrt. Ob es an der vorgegeben 2G-Regelung liegt? Ich jedenfalls freue mich, dass ich den ollen Schnutenpulli mal für ein paar Stunden in der Tasche lassen kann. Die Abwicklung beim Einlass funktioniert perfekt. App oder Impfpass, Ausweis, einloggen, fertig. Da können sich andere mal eine große Scheibe abschneiden. Ebenso von den humanen Getränkepreisen. Da habe ich in diesem Jahr schon ganz andere Zahlen gesehen.

Um 18:15 Uhr legt die junge Alternative-Band Godots los, die als Langenhagener ein Heimspiel haben. Dem Großteil des Publikums sind die agilen Burschen scheinbar nicht geläufig, so traut sich fast niemand direkt an den Bühnenrand. Das gibt mir immerhin Spielraum für die Kamera. Nach wenigen Songs finden einige Zuschauer Gefallen an dem abgefahrenen Mix aus Alternative mit der groben Kelle und funkigen Passagen. Immer wenn der charismatische Frontmann Borzy einen ruhigen Song ankündigt, schlägt der Ton nach wenigen Augenblicken in amtliche Abrissbirnen um. Das gefällt dem Publikum und mir auch. „War geil“ quittiert ein lauter Zwischenruf den Song Trip Down. Trotz der geringen Deckenhöhe und des nervigen Balkens in der Bühnenmitte geben alle Bandmitglieder ordentlich Gas und springen und bangen, was das Zeug hält. Das führt immer wieder zu unfreiwillig komischen Situation, weil sich Frontmann Borzy und Basser Schmongo mit ihren Instrumentenkabeln in die Quere kommen. Der Sänger fordert die Fans ohne Unterlass auf, näherzurücken und zu tanzen. Gegen Ende des Sets springt der Funke über und Godots werden mit Chören aus der Menge belohnt. Ich blicke nach 45 Minuten in strahlende Gesichter und denke, dass die Band sich ins Notizheft einiger Besucher gespielt hat. In meins auf jeden Fall.

Nach kurzer Umbaupause und Flüssigkeitsnachschub von der Bar wird der Bereich vor der Bühne merklich voller. Keine Frage, die wenigen Besucher wollen Devil May Care sehen. Schon vorab ist mir zu Ohren gekommen, dass Fans der Band auch eine weitere Reise auf sich nehmen. Die Lichtshow und das Intro sorgen für eine unheilvolle Atmosphäre. Dann legen DMC mit Into The Abyss los, als gäbe es kein Morgen. Springen, moshen, rennen. Hier steht auf und vor der Bühne keiner mehr still. Das promotete Album Divine Tragedy erschien erst zwei Tage vor dem Auftritt und trotzdem ist das Publikum erstaunlich textsicher. Erst recht bei den Songs vom 2019er-Album Echoes, das zu meiner Freude auch einen großen Teil der Setlist einnimmt. So ist die Mischung aus alt und neu perfekt. Ohne große Unterbrechungen feuern die Würzburger aus allen Rohren. Sogar die erste Single Last September aus den Anfängen der Band wird zum Besten gegeben.

Nach einigen Stücken entschuldigt sich Frontmann Tim für seine hörbar angegriffene Stimme. Am Merchstand erzählt er mir, dass ihn seine Stimmbänder ausgerechnet vor der kleinen Tour im Stich ließen. Weiter lässt er sich nichts anmerken und gibt Vollgas. Genauso Vollgas gibt leider auch der gute Mann am Mischpult. Leider hat das Chéz Heinz die Angewohnheit vieler kleiner Clubs und fährt die Lautstärke bis zur Schmerzgrenze. Auch wenn wir hier nicht beim Kaffeekränzchen sind, ist laut nicht immer gut. „Moshpit“ lautet Tims knappe, aber verständliche Ansage zum Hit Dead Ember (über eine halbe Million Streams bei Spotify). Während sich die Tanzwütigen vor der Bühne formieren, bringe ich meine Kamera in Sicherheit, um den Rest des Abends ebenfalls abtanzen zu können. Doch erst mal folgt die Ballade Echoes, die Tim Heberlein seinem verstorbenen Vater widmet. Nur mit Gitarre, Mikro und schwummrigem Licht liefert er eine herzzerreißende Performance. Dabei wird seine angegriffene Stimme von den Gesängen der Zuschauer unterstützt – Gänsehaut!

Vor dem Song L.I.A.R. macht Gitarrist Lukas auf die Clean-Up-Aktion der Band in Zusammenarbeit mit lokalen NGOs aufmerksam. Während der Tour wurden die Gebiete rund um die Locations und angrenzenden Ufer von Plastikmüll befreit. Dabei wurden Devil May Care u. a. von CleanUp Hannover, Krake e. V., Sea Shepherd und Dutzenden Freiwilligen unterstützt. Wer die Jungs verfolgt, weiß, dass sie mit 100 % Herzblut dahinterstehen. Wir haben nur eine Erde – schützt sie. DMC brettern weiter durch ihr Set, das mit Delirium ein weiteres Highlight enthält. Selbst für den Rap-Part, den im Original-Feature Johannes „Jojo“ Gauch von Sperling übernimmt, ist sich Tim nicht zu Schade. Schließlich kann er seine Stimmbänder bis zum Konzert in Würzburg am 28.12. schonen. Mit knarzenden Basslines in Odyssey, dem genialen Dayblind und der Singalong-Hymne Tragedy geht der Abend in einem gefühlten Wimpernschlag vorüber. Das lässt mich zumindest entspannt im Hinblick auf die zweistündige Heimreise schauen. Natürlich nicht ohne vorher noch am Merchstand vorbeizuschauen. Die größten Festivals der Welt sind nur ein schwacher Trost verglichen mit der Intimität einer Clubshow. Danke Jungs!