Artist: Engst
Herkunft: Berlin, Deutschland
Album: Irgendwas Ist Immer
Spiellänge: 45:18 Minuten
Genre: Rock/Punk
Release: 20.10.2023
Label: Arising Empire
Link: www.engst-musik.de
Bandmitglieder:
Gesang – Matthias Engst
Gitarre – Ramin Tehrani
Schlagzeug – Yuri Cernovolov
Bass – Chris Wendel
Tracklist:
- Digitale Liebe
- Geschichte Schreiben
- Drei Uhr Nachts
- Wir Werden Alle Sterben
- Nie Wieder Alkohol… Vielleicht
- Umtausch Ausgeschlossen
- Idiot
- Kopf Hoch
- Fette Jahre
- Nachbar
- Blut Dem Asphalt
- Erwachsen Werden
- Die Letzte Runde
Wenn man sich den Tourplan von Engst anschaut, merkt man ziemlich schnell, dass diese Band einiges auf dem Kasten haben muss. Drei Konzerte sind bereits ausverkauft, eins hat ein Ticketupgrade bekommen. Mich wundert das nicht wirklich, nachdem sie uns auf dem Haste Open Air (Bericht hier) doch sehr beeindruckt haben. Umso gespannter bin ich jetzt auf das neue Album, das am 20.10.23 erschienen ist.
Wir beginnen mit Digitale Liebe und es geht direkt gut punkig los. Ich mag es, wie gut man die Texte versteht und auch, wie sie verpackt sind. Der Song hält uns den Social-Media-Spiegel vor und wie sehr man sich darin verrennen kann. Dabei ist der Gesang aber nicht in den Vordergrund gedrückt, sondern ergänzt sich gut. Weiter geht es mit Geschichte Schreiben und auch hier bin ich wieder sehr begeistert vom Zusammenspiel zwischen Gesang und Sound. Hier gibt es kein „ReimDichSonstSchlagIchDich“. Der Text greift so herrlich schlüssig ineinander und mein innerer Monk feiert ’ne Party. Meine Laune steigt merklich an. Was ein geiler Song! Ich hatte ihn zwar schon auf dem Festival gehört, aber in konzentrierter Form ist er ebenso gut! Und mit Drei Uhr Nachts geht es genauso kraftvoll weiter.
Nach dem Live-Auftritt im September mit den vielen Fans und dieser tollen Show war für mich klar, dass ich diese Band weiter verfolgen MUSS und jetzt grade merke ich, dass ich absolut richtig lag. Wenn man von einem Album schon die ersten drei Songs durchweg geil findet, kann eigentlich nicht mehr viel schiefgehen. Wir Werden Alle Sterben lässt vermuten, dass es jetzt schwermütig wird. Aber weit gefehlt: Der Inhalt drückt schon sehr den Mittelfinger in die Wunden unserer Welt, bleibt dabei aber rockig-punkig-laut und vermittelt irgendwie gutgelaunt, dass wir alle Vollidioten sind. Ich sitze hier und freu mich einfach vor mich hin.
An keiner besseren Stelle hätte Nie Wieder Alkohol… Vielleicht kommen können. Gute Laune sprüht aus den Boxen und es macht einfach Bock zuzuhören. Kurz denke ich, bei Umtausch Ausgeschlossen würde es etwas ruhiger. Weit gefehlt, auch hier geht es munter mit Vollgas weiter. Ich finde es total klasse, dass das alles zwar durchaus radiotauglich für die breite Masse funktionieren kann, aber trotzdem diesen Rotz behält, der manchmal einfach zwischen den Zeilen steckt. Dazu der rockige Sound, der nie drüber ist, kurz und knackig ohne langes Gedüdel. Und natürlich schütten die Ska-Einflüsse eine gute Portion Tanzbarkeit über die Songs.
Idiot fängt dann als erster Song sehr reduziert an. Ich trau der Sache zunächst nicht so ganz und warte auf den Knall, aber der kommt hier nicht. Zwar baut sich der Sound immer weiter zu einem kraftvollen Stück auf, aber der Gesang steht hier krass im Vordergrund und zeigt auch noch mal eindrucksvoll, was für eine tolle Stimme Sänger Matthias Engst sein Eigen nennt. Der Song mag jetzt zwar sehr poppig sein, aber er beeindruckt mich trotzdem. Kopf Hoch geht wieder ein bisschen schmissiger weiter, aber der Rotz der ersten Stücke ist hier irgendwie verloren gegangen. Fette Jahre macht sehr nachdenklich und erinnert mit mahnendem Zeigefinger daran, seine Lebenszeit zu nutzen. Nachbar geht dann wieder gut los und ist textlich so herrlich aus dem Leben gegriffen, und obwohl das eigentlich traurig ist, muss ich doch breit grinsen.
Blut Auf Dem Asphalt lässt mich kurz aufhorchen und ich denke, jetzt wird es wieder richtiger Krach. Und dann ist dieser Text so krass und ergreift mich – voll mit der Faust in die Magengrube. Ich hab eine Gänsehaut und drücke die Tränen zurück, als der letzte Ton verklingt. Das war jetzt schwerer Tobak, aber so absolut wichtig und richtig und (obwohl ich derbe den Kloß in der Kehle runterschlucken muss) musikalisch grandios. Hören werde ich das aber freiwillig nicht noch mal. Nicht weil ich die Augen vor den Missständen der Obdachlosigkeit verschließen will, sondern weil mich das Thema jedes Mal furchtbar wütend macht. Danke, dass ihr es verarbeitet habt.
Und danke, dass Erwachsen Werden die Schwermut kraftvoll wegfegt und es rockiger weitergeht. Die Letzte Runde ist dann auch der Abschlusssong dieses starken Albums und ich bin irgendwo zwischen Begeisterung, Erschöpfung, Ergriffenheit und einer sehr großen Portion Zufriedenheit.