Neue Aerosol-Studie

Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut: ist Oleg die neue Hoffnung für deutsche Konzertsäle?

Berliner Institut legt neue Aerosol-Studie vor, "Kulturstätten sind keine Infektionsorte!"

Zu den Ansteckungsgefahren durch Aerosole in Konzerthäusern und Kulturstätten wird schon eine ganze Weile ausgiebig geforscht. Nun gibt es neue Erkenntnisse.

Neue Aerosol-StudieMund/Nasen-Schutz plus Belüftungsanlage – und schon ist eine Corona-Infektion so gut wie ausgeschlossen! Das behauptet nun zumindest das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut mit Sitz in Berlin, das drei Tage lang die räumliche Ausbreitung von CO2 und Aerosolen im Zuschauerraum des Konzerthauses Dortmund untersuchte.

Ziel der Studie war, wissenschaftlich fundierte Entscheidungsgrundlagen zu schaffen, denn die benötigt die Politik dringend, um über Maßnahmen beim Infektionsschutz in Kulturstätten zu entscheiden, erklärt Konzerthaus-Indendant Raphael von Hoensbroech.

Im Rahmen der Studie ließ man Oleg drei Tage lang im Saal des Dortmunder Konzerthauses Platz nehmen. Oleg atmet – wie ein Mensch. Oleg ist ein Zuschauer-Dummy, der menschliches Atmen simulieren kann und dabei Aerosole verbreitet. Und genau das hat Oleg nun im Auftrag des Forschungs-Team getan, an verschiedenen Positionen im Saal, mal mit und mal ohne Maske. Während der gesamten Studie wurden ausreichend Daten gesammelt und die fallen laut Heinz-Jörn Moriske, Direktor des Umweltbundesamtes, sehr erfreulich aus. Besser noch, er bezeichnet die Studie als eine hervorragende Untersuchung mit viel Aussagekraft, die genau die Informationen geliefert hätte, die benötigt würden.

Das Ergebnis bedeutet somit auch eine Perspektive für viele andere Kulturstätten, in denen vergleichbare Rahmenbedingungen herrschen. Die vorhandene zentrale Belüftungsanlage sowie das Tragen eines Mund/Nasen-Schutzes soll die Aerosol- und CO2-Belastung so stark verringern, das theoretisch eine Vollbesetzung im Saal denkbar ist. Empfohlen wird aber dennoch eine Belegung im Schachbrettmuster, wenn man Zuwege und Foyers mit einbezieht. 50% des Saales dürfte also demnach problemlos besetzt werden. Zudem hätte das Schachbrettmuster den großen Vorteil, dass Masken im Inneren auch abgenommen werden können, denn so gäbe es ja keinen Vordermann, der gefährdet werden könne. Tröpfchen beim Ausatmen erreichen den Vordermann nicht, so ist es in den Ergebnissen der Studie zu lesen. Vielmehr sollen sie durch eine lüftungstechnische Anlage vertikal nach oben geführt und direkt zur Abluft an die Decke abtransportiert werden. Zudem soll ein großes Raumvolumen helfen, die Aerosole zu verdünnen.

In Häusern, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, können durch das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut zusätzliche Studien mit wenig Aufwand durchgeführt werden. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat schon entsprechend gehandelt und hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die, mit Blick auf die große Relevanz der Belüftung auf Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen, eine differenzierte Öffnungsstrategie erarbeiten soll, so erklärt die NRW Kultur- und Wissenschaftsministerin Pfeiffer-Poensgen. Teil dessen sei auch eine breit angelegte Analyse der Wirksamkeit von Belüftungssystemen seit Ende des letzten Jahres. Zumindest sei das alles ein wertvoller Baustein für die Bemühung, den Spielbetrieb auch in Pandemiezeiten zu ermöglichen, so Pfeiffer-Poensgen weiter.

Ob allerdings solch ein Instrumentarium zur Wiedereröffnung dann wirklich politisch eins zu eins umgesetzt wird, das ist eine andere Frage, so Moriske.

Die Ergebnisse der Studie im Detail:

  • Mit Maske sowie mit ausreichend dimensionierter Frischluftzufuhr über die vorhandene raumlufttechnische Anlage (RLT-Anlage) gab es bei den Untersuchungen praktisch keine Beeinflussung durch Prüfaerosole auf allen Nachbarplätzen eines emittierenden Probanden.
  • Bereits das große Raumvolumen sorgt für eine starke Verdünnung von belasteten Aerosolen, durch den Zu- und Abluftbetrieb der RLT-Anlage ohne Umluftfunktion werden Aerosole in allen Bereichen effektiv abtransportiert und können sich nicht anreichern.
  • Ohne Maske sollte man jeweils den direkten Vorderplatz freihalten, mit den restlichen Nachbarplätzen ist eine Infektion aufgrund der Untersuchungen sehr unwahrscheinlich. Eine Schachbrett-Besetzung des Saales ohne Maske nach Einnahme des Sitzplatzes ist in jedem Fall zu empfehlen.
  • Besetzung des Konzerthauses mit vielen Personen stört den Luftaustausch nach oben nicht, sondern fördert diesen eher durch zusätzliche thermische Effekte.
  • Das Tragen von Masken ist auf Gängen, im Pausenbereich und in den Foyers grundsätzlich notwendig, da hier die Lüftung anders als im Konzertsaal arbeitet (u.a. Luftaustritt aus der Decke) und zudem enge Kontakte nicht auszuschließen sind. Während der Pausen bleiben zudem alle Türen zum Konzertsaal geöffnet, um eine zusätzliche Querstromlüftung zu ermöglichen.
  • Das Konzerthaus kann bei vorhandenem Lüftungskonzept (kompletter Luftaustausch mit Außenluft alle 20 Minuten) kein Superspreading-Event auslösen.
  • CO2-Messungen im laufenden Betrieb können dazu beitragen, die Ausbreitung von luftgetragenen Partikeln im Saal besser zu beurteilen.