Fury In The Slaughterhouse – Now

Handwerk zwischen Kitsch und Stadionhymnen

Artist: Fury In The Slaughterhouse

Herkunft: Hannover, Deutschland

Album: Now

Genre: Alterative, Rock

Spiellänge: 41:09 Minuten

Release: 23.04.2021

Label: Starwatch/Sony Music

Link: www.facebook.com/furyintheslaughterhouseofficial

Bandmitglieder:

Gesang, Keyboard, Gitarre, Programming – Kai Wingenfelder
Gitarre, Mandoline, Gesang – Thorsten Wingenfelder
Gitarre, Gesang – Christof Stein-Schneider
Keyboards, Gitarre, Mandoline, Gesang – Gero Drnek
Schlagzeug, Gesang – Rainer Schumann
Bass, Keyboard, Gesang – Christian Decker

Tracklist:

  1. Sometimes (Stop to Call)
  2. 1995
  3. The Beauty
  4. Letter To Myself
  5. All About Us
  6. Now
  7. Good Luck On Your Way
  8. Replay
  9. Sorry
  10. This Will Never Replace Rock ’n‘ Roll
  11. Not The Time To Live A Lie
  12. Walk On

Fury In The Slaughterhouse aus Hannover gehörten in den 90er-Jahren zu einer der erfolgreichsten Bands des Landes. Welche deutsche Band außer Kraftwerk und den Scorpions hatten schon in den USA Erfolge? 2008 kam dann nach internen Streitereien das Aus mit einer Farewell & Goodbye-Abschiedstour. Kai und Thorsten Wingenfelder nahmen als Wingenfelder deutschsprachige Alben auf, bevor es 2017 anlässlich des 30-jährigen Bandjubiläums drei Reunionkonzerte in ihrer Heimatstadt gab. Es sollte eigentlich nur eines sein, doch noch am Abend der Ankündigung war es ausverkauft. War es denn ein Wunder? Hits wie Radio Orchid, Every Generation Got It’s Own Disease, When I’m Dead And Gone oder Time To Wonder dudelten auf allen Radiostationen munter weiter.
Sie spielten immer mehr Konzerte, packten auf die Best-Of-Compilation 30 sogar fast ein gesamtes neues Album auf eine Bonus-Disc. Weitere Konzerte folgten. Auch in der Corona-Pandemiezeit feierten sie mit in Windeseile ausverkauften Autokinokonzerten Erfolge. Der Ruf nach einem neuen Album wurde immer lauter. Das Resultat liegt mittlerweile in den Regalen. Das zwölfte Studioalbum mit zwölf frischen Songs nach dreizehn Jahren in nahezu Originalbesetzung. 41 Minuten, so kurz war kein Fury-Album bisher.

Die U2 Niedersachsens“ (Zitat Thees Uhlmann) feiern mit Now ein souveränes Comeback. Als wären sie nie weg gewesen, legen sie ein Album hin, das wie ein Soundtrack zum Leben wieder nach den alten Furys zusammen mit neuen modernen Einflüssen klingt. Die Pferde sind dem Schlachthof entkommen und nehmen neue Rennen auf. Die ersten vier Songs sind bereits als Videosingle erschienen.

Die Trackliste beginnt mit dem getragenen Sometimes (Stop To Call) über Abschied und Verlust und einer Person, die weggeht und nicht wiederkommt. Eine typische Hymne mit der markanten Stimme von Kai Wingenfelder, die einen sofort mitnimmt. Mit 1995 folgt eine muntere Rocknummer. Ein Pop-Punk-Rückblick auf die erfolgreichste Periode der Band, der sofort in die Beine geht. Das Video dazu erzeugt sofort ein Schmunzeln im Gesicht, wenn man sich die Band dazu von heute vor Augen führt. Weiter geht es mit The Beauty, einem ruhigeren 6/8-Stück. Textlich geht der Song sofort ins Ohr. Er versucht darauf aufmerksam zu machen, dass man doch bitte die Augen für die schönen Dinge und Momente im Leben nicht verschließen soll. Das schwungvolle, einprägsame Letter To Myself wartet mit einem prägnanten Basslauf auf. Rami Jaffee von den Foo Fighters bediente für diesen Song die Tasten an Klavier und Keyboard. Sich selbst einen Brief aus der Vergangenheit zu schicken, war die Idee von Thorsten Wingenfelder. Perfekt umgesetzt von dem Rest der Truppe. Bei All About Us stimmen alle Bandmitglieder gesanglich ein. Ein ruhiger Song, der einlädt, feuerzeugschwenkenderweise mit den erhobenen Händen zu schunkeln. Nicht so meins, ich bin mehr für die Ballersongs… Es folgt der Titeltrack Now. Ein Song, der überraschenderweise nicht von Kais Stimme gekennzeichnet wird. Ein Song, der folkig und poppig, fast reggaeartig klingt. Ebenso nicht meins… Good Luck On Your Way ist eine Ballade zum Träumen. Hier zeigt Kai auch seine andere Seite. Sein Gesang kann auch weich und zart. Ein ruhiger Song, der trotzdem ins Ohr geht. Endlich kommt wieder ein bisschen Tempo auf. Replay besticht durch Tempowechsel und dem Spiel zwischen Solo- und Chorgesang. Wieder ein pop-punkig daherkommender Song, der mit 2:18 Minuten die kürzeste Nummer auf dem Album ist. Er erinnert stark an Holiday von Green Day. Mit Sorry folgt eine weitere Ballade. Sentimental bittet Kai hier um Entschuldigung, dass wir den nächsten Generationen eine sehr angeschlagene Erde hinterlassen. Eine getragene Melodie mit Streichern zur ausdrucksstarken Untermalung. Endlich wird es wieder rockig. This Will Never Replace Rock’n’Roll klaut die Elemente bei den Stones oder The Who und macht daraus einen modernen, lauteren Rock ’n‘ Roll-Song. Textlich macht Kai deutlich, wie ärgerlich er über die austauschbare Welt der Popmusik ist. Not The Time To Live A Lie startet mit einem Pianopart à la Coldplay. Wieder ein erst ruhiger Song, der aber mit viel Gefühl überzeugt und dann Fahrt aufnimmt. Ich könnte wetten, dass dies wieder ein Song für die Live-Setlist ist. Es ist wieder so ein typischer Fury-Song, der weder Fisch noch Fleisch ist. Walk On als letzter Track fasst das Album noch einmal zusammen. Ruhig, rockig, mit Streicherelementen zur Ausdrucksverstärkung und der Chor setzt an der richtigen Stelle an. Dass das nicht das Ende sein wird, lässt sich vielleicht im Text ablesen. Wie singt Kai so schön: “…and together we will join a brand new day!”.

Neben Rami Jaffee kommen noch Gunnar Walling, Thorsten Brötzmann und Jan Löchel als Gastmusiker zum Einsatz. Als Produzent wurde mit Vincent Sorg der vielleicht derzeit vielfältigste Fachmann ausgewählt. Seine Mitarbeit schätzen schließlich auch Größen wie Die Toten Hosen, Donots, Broilers, In Extremo, Böhse Onkelz und sogar Kreator. Die Pressefotos stammen von Olaf Heine, der noch als Assistent von Jim Rakete schon zu Mono die Booklet- und Backcover-Fotografie übernahm. Das Cover-Artwork stammt von Dirk Rudolph, der ebenso schon Mitte der Neunziger mit Fury arbeitete. In der Zwischenzeit zeichnet er sich unter anderem für legendäre Cover von Rammstein, Die Toten Hosen und Element Of Crime verantwortlich. Das Cover zeigt seinen 20-jährigen Schwiegervater Kurt Haberkorn vom Box-Club aus Altena in den 60er-Jahren. Der Band gefiel das Bild, weil es keine harte, brutale „Auf’s Maul!“-Pose, sondern ein Tänzeln ist. Wie er auf dem Bild, will sich die Band mit der neuen Scheibe wieder in Positur bringen.

Now erscheint neben den digitalen Kanälen natürlich auch als Standard-CD, als limitierte CD-Edition, limitierte Doppel-Vinyl-LP und als limitierte Deluxe Fan-Edition in einer Box.

Fury In The Slaughterhouse – Now
Fazit
Fury haben es geschafft, ein handwerklich gutes Album zu produzieren. Davon, dass das Album durchgängig "ballert", wie Kai Wingenfelder gerne in Interviews behauptet, nehme ich Abstand. Es sind noch zu viele ruhige, nachdenkliche Stücke dabei, die zwischen großer Kunst und Kitsch schwanken. Trotzdem. Sie haben es geschafft, sowohl stadiontaugliche Hymnen als auch Geschichten zum Träumen oder zum Nachdenken zu produzieren. Dabei sind sie ihrer Linie treu geblieben und haben ihren typischen Sound behalten.

Anspieltipps: 1995, Letter To Myself und This Will Never Replace Rock’n’Roll
Norbert C.
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