Interview mit Piet Sielck, Mastermind von Iron Savior

Ein Gespräch über Helloween, Star Wars und Skycrest

Artist: Iron Savior

Herkunft: Hamburg, Deutschland

Genre: Power Metal

Label: AFM Records

Links: https://www.facebook.com/ironsavior1996
http://www.iron-savior.com

Bandmitglieder:

Gesang und Gitarre – Piet Sielck
Gitarre – Joachim “Piesel” Küstner
Bassgitarre – Jan-Sören Eckert
Schlagzeug – Patrick Klose

Eins der Urgesteine des deutschen Power Metal liefert im Dezember mit Skycrest (Review klick) sein neues Werk aus. In 2020 ist viel passiert. Noch vor der Pandemie der Schock wegen der Krebserkrankung von Bassist Jan-Sören Eckert. Genügend Themen, um mit Sänger und Produzent Piet Sielck ein Skype Interview zu führen.

Time For Metal / Jürgen F.:
Moin Piet,
vielen Dank für deine Zeit und die wichtigste Frage als Erstes. Wie geht es dir und deiner Familie und vor allem wie geht es Jan-Sören?

Iron Savior / Piet Sielck:
Mir geht es soweit gut und Jan geht es auch soweit wieder gut. Die Chemotherapie hat er seit einigen Monaten hinter sich und muss halt jetzt noch ein Reha-Programm durchziehen. So eine Chemotherapie haut halt rein und saugt heftig an der Energie. Die Muskeln etc. bauen einfach ab. Es wird noch eine Zeit dauern, bis er wieder vollständig wiederhergestellt ist, aber wir wollen uns nicht beklagen. Im Knust am 09.01. sah der Jan so schlecht aus im Backstage, ich habe gedacht, ich muss jetzt den Notarzt rufen – mittlerweile wissen wir, woran es gelegen hat.

Time For Metal / Jürgen F.:
In jungen Jahren hast du die Gitarre bei Gentry an die Seite gelegt und dich auf die Ausbildung zum Tontechniker konzentriert. Hast du das in deinem Leben schon mal bereut?

Iron Savior / Piet Sielck:
Nein, eigentlich nicht. Ich bin Mitte 50 und hab ein Leben, mit dem ich total zufrieden bin. Ich möchte auch nicht mit Kai tauschen, trotz des Erfolges von Helloween. Ich möchte nicht ein halbes Jahr unterwegs sein und gar nicht zu Hause. Ich freue mich natürlich, wenn das Publikum unsere Shows feiert und wir Erfolge haben. Einen großen Teil meines Lebens gebe ich auch für die Musik, aber eine Sache hatte immer Priorität in meinem Leben und das wird auch immer so bleiben. Das ist meine Familie, von daher bin ich mit meinem Leben total zufrieden. Es könnte mit Iron Savior noch einen Tick mehr werden, aber auch nicht zu viel. So habe ich beide Welten, habe mein Zuhause und mein Studio, kann den ganzen Tag Musik machen und muss nicht mit 18 anderen Männern die Nächte in Nightliner verbringen. Wir sind gerne unterwegs, auch gerne im Ausland, wo wir dann hinfliegen. Aber ich möchte nicht Monate unterwegs sein. Ich vergleiche uns ganz gerne mal mit Destruction. Da lebt die ganze Band fast ausschließlich von der Liveperformance – das ist ein ganz anderes Geschäftsmodell als das von Iron Savior. Schmier ist jetzt durch Corona richtig gebeutelt.

Bei Gentry war ich noch keine 18 und verbrachte Stunden mit der Gitarre. Wir waren aber unserer Zeit da wohl etwas voraus. Wir spielten Speed Metal mit Tracks wie Phantom Of Death. Das wollte aber niemand hören. Da kamen Kommentare wie: „Spiel doch mal was von AC/DC oder UFO“. Das war für mich frustrierend und da hatte ich irgendwann keinen Bock mehr drauf. Wir haben dann noch unseren neuen Proberaum verloren. Der war in einer Kirche, die genau gegenüber von dem Haus meiner Eltern war. Kai hatte sich damals einen groben Schnitzer erlaubt und der Küster hat uns dann rausgeschmissen. Da war ich so sauer, dass ich das Musikmachen erst mal an die Seite gelegt habe.

Time For Metal / Jürgen F.:
Wie siehst du heute die Gründung deines Labels Dockyard? War das notwendig und weshalb ging das dann in die Brüche?

Iron Savior / Piet Sielck:
Notwendig war Dockyard sicher nicht. Aber es war halt eine Idee, um eine mögliche Einnahmequelle zu erschließen. Das Problem waren meine beiden Partner, in denen ich mich getäuscht hatte. Wir haben den typischen Weg eingeschlagen, einen möglichst großen Katalog in kurzer Zeit aufzubauen. Ich habe mich aber nicht um das Tagesgeschäft gekümmert, sondern nur meinen Namen gegeben bzw. meine damalige zweite Band Savage Circus als Zugpferd genutzt. So wurde ein nicht unerheblicher sechsstelliger Betrag an Schulden aufgebaut – da habe ich die Notbremse gezogen. Meine beiden Partner machten sich aus dem Staub und ich musste mich somit um die Abwicklung kümmern, sprich, ich durfte damit auch alle Schulden begleichen, die die Dame und der Herr auftürmten. Die beiden verballerten also erst mein Geld und hinterließen mir als Zugabe einen Schuldenberg, an dem ich heute noch zahle. Der Dreistigkeit die Krone setzte die Dame auf, welche mich noch verklagte, damit ich doch bitte ihre Schulden begleiche, welche aus einer Einigung mit einem Gläubiger auf sie zukam – wir einigten uns am Ende auf einen Vergleich, wie es im Leben so ist. Ein düsteres Kapitel, welches wenig Spaß gemacht hat im Nachhinein.

Time For Metal / Jürgen F.:
Iron Saviour existieren seit fast einem viertel Jahrhundert. Warum hat es deiner Meinung die Band nicht bis ganz oben im deutschen Power Metal geschafft, obwohl songtechnisch und auch musikalisch nichts auszusetzen ist?

Iron Savior / Piet Sielck:
Das liegt am Ende einfach daran, dass wir nie den Erfolg so konsequent verfolgt haben wie andere Bands. Es ist für mich nicht so erstrebenswert. Du musst in Regionen kommen, wie z.B. der Kai Hansen, der damit auch sein Lebensabend davon bestreiten kann. Nur angesagt zu sein und ein paar Jahre Geld zu verdienen, reicht halt nicht. Da gibt es den einen oder anderen, der finanziell vor dem Nichts steht. Wir sind im Endeffekt keine Vollprofis bei Iron Savior. Es ist eine wichtige Einnahmequelle, wenn die nicht mehr da wäre, würde ich es schon spüren. Ich bin insgesamt glücklich, dass der Gott des Heavy Metal mich nicht in die Versuchung geführt hat. So bin ich gut aufgestellt und wenn Iron Savior morgen nicht mehr sind, gehe ich deswegen trotzdem nicht vor die Hunde – und das ist ein gutes Gefühl.

Time For Metal / Jürgen F.:
Wir müssen auch über die USA reden. Ich habe am Samstag, den 07.11.2020, gerade das Review angefangen und Hellbreaker gehört, da kam die Info, dass Biden durch ist. Ich habe, wie du auch, eine Zeit in den USA verbracht. Wie bist du mit den Wahlen 2020 und der Situation dort umgegangen?

Iron Savior / Piet Sielck:
Die Wahl habe ich natürlich verfolgt und bin froh, dass der orangene Affe weg ist. Dem Kerl ist halt alles zuzutrauen – in seinem kranken Hirn denkt der ja noch, dass er jetzt eine Wahl zurückklaut, welche ihm geklaut wurde. Das Verfahren mit dem Electoral Collage halte ich für veraltet. Das kommt von vor 250 Jahren, als die Masse dort nicht lesen und schreiben konnte. Die Mehrheit der Bevölkerung stimmt für einen anderen Präsidenten, als der, der am Ende dazu bestimmt wird – ist doch Schwachsinn. Die Clinton hatte drei Mio Stimmen mehr, und trotzdem wurde der Idiot Präsident. Welcome To The New World wäre ggf. ja noch passender, aber Biden als Hellbreaker ist auch eine gute Idee.

Time For Metal / Jürgen F.:
Du betreibst die Powerhouse Studios, eigentlich sehr passend für Powermetal. Wie sind die Auswirkungen für dich als Produzent. Hast du den Eindruck, dass die Zeit, welche man eigentlich für Konzerte nutzen würde, ggf. für das Songwriting genutzt wird?

Iron Savior / Piet Sielck:
Das kann ich so gar nicht einschätzen, ich bin ja in meinem Powerhouse Alleinunterhalter und war die Pandemiezeit vor allem mit mir selbst beschäftigt. Ob andere mehr schreiben und produzieren, kann ich daher nicht so einschätzen. Ich mache auf jeden Fall mehr im Studio. Beim ersten Lockdown im Frühjahr habe ich eine Zeit gebraucht, die Kurve zu bekommen. Meine Laune war schlecht und ich wollte nicht, dass sich das negativ auf das Album auswirkt, daher habe ich die erste Zeit nicht weiter an der Musik gefeilt. Zu tun gibt es immer mit Iron Savior – wir wollen ja auch mal wieder live spielen, das bedeutet, wir müssen die neuen Sachen auch für die Bühne vorbereiten und die Reforge Reihe haben wir ja auch noch. Da bleibt wenig Zeit für noch weitere Projekte.

Time For Metal / Jürgen F.:
In der Pressemitteilung zum neuen Album steht, dass Iron Savior bereits nach dem letzten Werk Kill Or Get Killed mit dem Songwriting angefangen haben. Wie ist der Produktionsprozess gelaufen?

Iron Savior / Piet Sielck:
Ab Mitte Mai hatten wir dann wieder die Kurve bekommen, man hatte ja dann eine gewisse neue Normalität mit der Coronasituation und ich bin dann auch wieder in einen vernünftigen Flow gekommen. Aus der Energie nach der Killer Or Get Killed hatte ich bereits drei Tracks fertig. Das kleine Polster konnte ich nutzen, um den ersten Lockdown auszusitzen. Wenn man einen Lauf hat, dann geht das Produzieren auch schnell. Ich bin mittlerweile auch so weit versiert, dass ich weiß, was ich tun muss und daher nicht so viel ausprobiere. So kann man die Sachen auch gezielt wegproduzieren und der Zeitdruck war ja dann auch da.

Time For Metal / Jürgen F.:
Ease Your Pain ist von Jan-Sören geschrieben worden. Kannst du uns ein paar Infos zu dem Track geben und zu der Entwicklung?

Iron Savior / Piet Sielck:
Jan-Sören hat den nach seiner Krebsbehandlung geschrieben. Es war ihm ein Bedürfnis, den auch selbst zu singen. Er macht sich gut auf dem Album, finde ich. Aber Ballade ist ja immer eine Diskussion und Geschmackssache, aber wenn man Balladen mag, dann ist die schon richtig stark. Er spricht hier die Schmerzen seiner Lebenspartnerin an, welche er hier lindern möchte.

Time For Metal / Jürgen F.:
Der Souleater, oder wie man im deutschen so schön sagt „Angst isst Seele auf“ ist mir vom Titel gleich aufgefallen. Beschäftigt sich der Track mit der Pandemie und den Folgen für jeden Menschen?

Iron Savior / Piet Sielck:
Nein, das ist eher ein generelles Ding. Mit zunehmender Verantwortung drehen sich halt die Gedanken im Kreis und du findest nicht so richtig in den Schlaf. Irgendwann schläfst du dann schon ein. Es ist halt irgendwas in dir, was an dir zerrt. Wir sprachen vorhin über Dockyard. Da hatte ich die eine oder andere Nacht, wo ich nicht so wirklich gut geschlafen habe. Das war der Souleater und davon muss man sich befreien. Du musst dich deinen Problemen stellen und eine Lösung gibt es immer irgendwie – du darfst nur die Flinte nicht ins Korn werfen.

Time For Metal / Jürgen F.:
Raise The Flag wandelt für mich auf den Spuren von Heavy Metal Never Dies, gerade auch mit dem sehr eingängigen Refrain. Kannst du uns ein paar Infos zu dem Song geben?

Iron Savior / Piet Sielck:
Als Nachfolger würde ich den nicht sehen. Das Riff mit den Strophen habe ich schon recht lange. Ich habe aber auch ein etwas gespaltenes Verhältnis zu dem Song. Das Riff habe ich dann wieder hervorgeholt und dem Riff und dem Song so erlaubt zu werden, wie er jetzt klingt – straight geradeaus und ohne Schnörkel. Anfänglich fand ich Raise The Flag total geil, dann hatte ich eine Phase, wo ich den vom Album schon runternehmen wollte, um ihn als Japan Bonus Track einzusetzen. Auf den letzten Metern habe ich mich dann doch entschieden, das Ding wieder auf das Album mit raufzunehmen und bin jetzt sehr froh – denn jetzt finde ich den wieder richtig gut und wir werden den Track auf jeden Fall auch live spielen. Ob es ein zweites Heavy Metal Never Dies wird, soll der Fan entscheiden. So ist er aber nicht angelegt und so war eigentlich auch Heavy Metal Never Dies nie angelegt. Ich weiß noch, wie ich damals überlegt habe, ob ich diese Zeile Heavy Metal Never Dies überhaupt machen soll. Diese Plattitüden der Heavy Metal Hymnen wollte ich vermeiden und so war meine Devise – wenn ich nicht 100 % dahinterstehe, dann mach ich es lieber nicht. Bei Heavy Metal Never Dies habe ich mich dann entschieden und das war sicher auch gut so und bei Raise The Flag genauso – schauen wir mal, ob ich dafür belohnt werde. Der läuft hinter Silver Bullet, welches der schnellste und komplexeste Song auf Skycrest ist – der hat ja die eine oder andere Savage Circus Anleihe. So läuft der einfachste und stampfigste Track direkt nach dem komplexen Silver Bullet und die beiden Dinger funktionieren auch genauso in der Playlist. Das finde ich klasse, so ist für jeden Hörer etwas auf dem Album zu finden. Ich habe persönlich einen etwas weiter gestreuten Musikgeschmack und ich finde es sehr angenehm, wenn eine gewisse Abwechslung stattfindet. Ich denke, das ist uns auf Skycrest sehr gut gelungen. Die Dynamik, wie die Nummern ineinandergreifen, ist sehr gut geworden.

Time For Metal / Jürgen F.:
Iron Savior spielen auch kommendes Jahr auf dem Ballroom Birthday Bash, allerdings online aus dem Indra 64 am 09.01.2021. Ist das quasi auch eure Releaseparty?

Iron Savior / Piet Sielck:
Es kann sein, dass wir eventuell am 09.12. noch ein weiteres Onlinekonzert spielen können. Da sind wir noch in Klärung. Wir fokussieren uns also erst mal auf Oliver „Otti“ Otto. In Hamburg ist für uns ein Heimspiel. Das machen wir in vertrauter Umgebung und das wird sicher positive Auswirkung auf uns haben und wir werden mehr als nur gut drauf sein. Dazu werden wir noch ein paar Freunde einladen. 90 Minuten Iron Savior als Stream auf dem TV @home zu sehen ist sicher ganz nett, aber wir haben uns da noch einige Zusätze ausgedacht. Die werden wir zeitgerecht ankündigen bis zur Show. Aber Savage Circus wird keine Rolle spielen, wir konzentrieren uns voll und ganz auf Iron Savior. Es werden alle Zeiträume von Iron Savior gut vertreten sein.

Time For Metal / Jürgen F.:
Wird noch weiter am Iron Savior Universum gearbeitet? Also weitere Geschichten um den eisernen Retter?

Iron Savior / Piet Sielck:
Ich greife das Thema immer gerne mal auf. Auf der neuen Scheibe ist da nicht so viel drauf, da hatte ich wohl mehr andere Dinge zu erzählen. Ursprünglich habe ich die auf dem Debütalbum mal angefangen, um Inspiration für das Songwriting zu bekommen. Bis Condition Red waren das dann alles Konzeptalben. Aber das hat mich irgendwann mehr einengt als beflügelt. So gibt es halt auf Skycrest mehr Songs wie Raise The Flag oder End Of The Rainbow, in denen es nicht um Science-Fiction geht. Einige Songs sind mit der Geschichte verlinkt, das sind Skycrest und Hellbreaker, was aber nicht direkt zum Iron Savior gehört, sondern mehr eine Geschichte in der Geschichte ist. Die habe ich auf der Landing mit Moment In Time angefangen, auf der Titancraft mit Beyond The Horizon und der Killer Or get Killed mit Eternal Quest fortgesetzt, und mit Hellbreaker fand die Geschichte nun ihr Ende. Ich benötige immer textliche Anknüpfungspunkte und mein Writing. Texte müssen bei mir ein Kopfkino erzeugen – sonst kann ich die nicht fühlen. Ich kann nicht irgendetwas singen, wo nur geschriebene Wörter stehen – manche können das, ich gehöre nicht dazu. Ich brauche immer ein Gefühl dazu und daher tue ich mich mit meinen Texten manchmal auch recht schwer. Ich habe mir damals beim ersten Album dieses Vehikel zunutze gemacht für das Songwriting, aber inzwischen benötige ich dieses Vehikel nicht mehr.

Time For Metal / Jürgen F.:
Star Wars oder Star Treck? Und wenn Star Wars, was hältst du vom Mandalorian und verfolgst du die Serie?

Iron Savior / Piet Sielck:
Beides – ich schau gerne Mandalorian aber auch Discovery – beide Welten Country und Western. Anfänglich fand ich Mandalorian recht zäh, da muss man sich etwas reinsehen.

Time For Metal / Jürgen F.:
Vielen Dank für deine Zeit, ich wünsche dir und deiner Familie, Freunden und allen bei Iron Savior alles Gute, kommt gut durch den Winter und lasst euch nicht von Viren belästigen. Ich hoffe, wir sehen uns im Frühjahr irgendwo in Hamburg draußen live an einer Bühne.

Iron Savior / Piet Sielck:
Vielen Dank, ja, das hoffen wir auch, dass wir im Frühjahr mal wieder live spielen können. Danke für den netten Schnack und alles Gute.