Jesper Binzer auf Hairball Tour 2022 am 12.02.2022 im dänischen Fredericia

Konzerte in Dänemark - immer eine Reise wert

Event: Hairball 2022 Spring Tour

Bands: Littlefish, Timechild, Jesper Binzer

Ort: Tøjhuset, 7000 Fredericia, Dänemark

Datum: 12.02.2022

Kosten: VVK 295 DKK, Abendkasse 320 DKK

Genre: Hardrock

Link: http://jesperbinzer.com/

Besetzung:

Gesang – Jesper Binzer
Gitarre – Søren Andersen
Gitarre – Christian Hede Madsen
Bass – Anders Borre
Keyboards – Jesper Bo
Schlagzeug – Jakob Rønlow

Setlisten:

1. Dying Is Easy (Rock’N’Roll Is Hard)
2. My Head´s Been Places
3. Undercided
4. Elevation
5. Planet Blue
6. Real Live
7. Rock On Rock On Rock
8. The Space She´s In
9. Life Is Moving
10. Tell Myself To Be Kind
11. The Future Is Now
Zugaben:
12. Dream Big
13. Save Your Soul
14. Wild Child

1. This Too Will Pass
2. Last Frontier
3. Haze Of The Dawn
4. The Bite Of Frost
5. Drum Solo
6. Son & Daughter
7. And Yet It Moves

1. Your Embrance
2. Still In My Heart
3. Remember
4. Shine
5. Fights We Fight
6. Temptation
7. Out Of Bonds

Acht Wochen lang keine Konzerte, ich war schon regelrecht auf Entzug. In Deutschland läuft in Sachen Corona und Konzerten noch immer nichts. Ganz anders in den benachbarten skandinavischen Ländern. Allerdings war die Jesper Binzer Hairball Spring Tour schon vor dem dänischen Freedom Day geplant. Die dänischen Coronaregeln sahen ein Sitzkonzert mit einer maximalen Anzahl von 500 Besuchern vor. Durch die Aufhebung entfielen jetzt die Sitzreihen, denn das Konzert war bei Weitem nicht ausverkauft.

Wir sind früh in Fredericia. Ein Spaziergang im kalten und windigen Hafen weicht schnell einem Besuch in einem wohlig warmen Café. Danach begrüßen wir weitere, noch weiter angereiste deutsche Fans aus Rostock und Duisburg in deren Hotel, das direkt neben der Konzertlocation liegt.

In das alt-ehrwürdige Tøjhuset mitten in der Fußgängerzone Fredericias passen bei Vollauslastung 400 Besucher. Das Gebäude ist ein historisches militärisches Zeughaus. So bestimmen auch die riesigen Trägerbalken die Optik im großen Veranstaltungshaus. Der umlaufende Balkon ist spärlich besetzt, die Sicht ist durch die Dachbalken stark eingeschränkt. Nicht einmal die Hälfte der möglichen Besucher sind gekommen, um einen der bekanntesten Rockstars Dänemarks zu sehen. Ein großer Haufen davon wartet aber nicht auf Jesper, sondern auf den in Fredericia geborenen Ausnahmegitarristen Soren Andersen. Familie und Freunde haben sich in großer Zahl direkt vor ihm in dem Konzertsaal aufgestellt.

Die Bühne ist dezent beleuchtet, das altbekannte Hintergrundplakat mit dem markanten Totenschädel ist durch einen überdimensionalen Binzer-Schriftzug ausgetauscht. Die Bühne ist randvoll mit Equipment, denn es stehen heute drei Bands auf dem Programm. Die Schlagzeuger der beiden ersten Bands müssen am rechten Bühnenrand sitzen. Punkt acht geht es los.

Foto: Norbert Czybulka

Littlefish erschienen erstmals 1994 in Fredericias Bruunske Pakhus. 19 Jahre später bedienen sie ihre Fans erst mit ihrem Debütalbum The Gordian Knot. Die Band besteht aus Sänger und Gitarrist Henrik Berger, Dennis Andreasen am Bass sowie Fridi Øster am Schlagzeug. Das lokale Trio hat einen soliden, ehrlichen Hardrock im Gepäck und legt entsprechend los. Vierzig Minuten beschallen sie die Anwesenden und reißen sofort mit. Die Nebelmaschine läuft ohne Pause und die Beleuchtung ist auf ständiges Blau gestellt. Vordergrundbeleuchtung findet so gut wie nicht statt. Das macht es nicht leicht, die Jungs abzulichten…

Foto: Norbert Czybulka

Nach nur rekordverdächtigen zehn Minuten Umbaupause betreten die Kopenhagener Timechild die Bühne. Die Nebelmaschine läuft immer noch, der Beleuchter macht sich einen schönen Tag. Die Jungs haben vor ein paar Monaten ihr sogar international viel beachtetes Album And Yet It Moves (Rezension hier) herausgebracht. Das Quartett steht unter Förderung und Produktion von Soren Andersen. So ist ihre Rolle als Support schnell zu erklären. Zur Überraschung einiger dürfen sie nur 35 Minuten die Bühne rocken. Auf ihrer „Rockoper“ The Bite Of Frost, der Debütsingle der Jungs, folgt ein irres Drumsolo. Wie schon bei LittleFish sitzt der Drummer Martin Haumann am rechten Bühnenrand und wird für die meisten Gäste von einem dicken Standbalken verdeckt. Schade für die Performance, aber das ist bei historischen Locations leider häufiger so. Auf der linken Seite versteckt sich Birk ebenso hinter solch einem Balken, wagt aber ab und zu einen Ausflug in die Mitte, wo Sänger und Gitarrist Anders Folden Brink sowie Bassist Daniel Bach viel Platz haben.

Foto: Norbert Czybulka

Es ist mittlerweile 22:45 Uhr. Bei uns würden gleich die meisten Konzerte enden. Hier wird die Bühne dunkel für den Hauptact. Die Bühne ist von reichlich Equipment befreit, trotzdem wirkt sie überfüllt. Die hintere Reihe gehört von links Keyborder Jesper Bo, Schlagzeuger Jakob Rønlow und Bassman…

Moment. Das ist nicht Bassist Anders Borre

Foto: Norbert Czybulka

Wie wir später von Jesper erfahren, hat Anders eine Krankheit namens Corona… Bei einer Inzidenz von 5.000 in Dänemark trifft es derzeit sehr viele. Wir dürfen uns an Ersatzmann HC Röder aus Randers erfreuen. Bekannt ist er in Dänemark nicht nur als Produzent, sondern auch als Mitglied der Band Beside The Fact. Linksaußen hinter dem Stützbalken logiert Søren Andersen, rechtsaußen Christian Hede Madsen, die beiden Gitarristen. Die große Mitte ist natürlich Jesper Binzer vorbehalten. Die Beleuchtung ist standesgemäß auf Jesper ausgerichtet. Das letzte Album Save Your Soul ist so voller fetter Songs, dass wir auf die Show gespannt sind. Die letztjährige Tour zum Album legte das Hauptaugenmerk natürlich auf dessen Songs. Heute geht es mit Dying Is Easy vom gleichnamigen 2017er Album los. Mit My Head´s Been Places lässt dann aber der erste Song von Save Your Soul nicht lange auf sich warten. Das langsame, aber harte Undecided ertönt mit vier wohlklingenden Background-Stimmen hinter Jespers Hauptgesang. Elevation wird eifrig mitgesungen, Sørens Slide auf der akustischen Gitarre gefeiert. Hier scheinen nur Familie, Freunde und 100%-Søren Fans anwesend zu sein.

Im Publikum wird getanzt und Fassbier genossen. Platz ist meist genug. Die Ballade Real Love bringt zur Mitte des Konzerts eine Pause in die intensiven Songs. Der Sound ist während des gesamten Konzerts hervorragend, egal, wo man im Saal seinen Platz ausgesucht hat. Søren verdreht die Saiten und gibt den Nummern, insbesondere Life Is Moving, mit seiner Stimme im Background ein großartiges Volumen. Hauptbestandteil sind allerdings die kräftigen Songs des 2017er Erstlings Dying Is Easy. Jesper bringt normalerweise im Laufe des Konzerts ein paar Anekdoten zu Gehör, hält sich heute aber angenehm zurück.

Foto: André Matuschewitz

Der Abend endet mit meinem persönlichen Lieblingssong Wild Child. Es ist mittlerweile Sonntag Morgen null zwanzig. 95 Minuten schweißtreibende Show sind vorüber. Die großartige Show und ein wirklich guter Sound der erfahrenen Musiker, die scheinbar richtig „Bock“ auf das Programm trotz der relativ wenigen Gäste hatten, bescherten uns ein großartiges Konzerterlebnis. Nur wenige Minuten später erscheint Søren Andersen im Saal und begrüßt seine Familie und Freunde. Nur wenige Gäste sind noch da. Ein paar Minuten später erscheinen dann auch Timechild am Merchstand, der ziemlich ausverkauft ist. Vinyls hatten sie gar nicht erst mit, CDs sind alle weg. Ich kann mich ein wenig mit den Jungs unterhalten und Zeit für ein gemeinsames Foto ist auch. Gegen ein Uhr rollt unser Auto in Richtung Heimat.

Mein Fazit fällt aus, wie in letzter Zeit immer. Stirbt die Rockmusik in Dänemark aus? Warum geht niemand zu solch großartigen Shows? Haben die Dänen keine Konzertkultur? Dies war seit Mai mein fünftes Konzert in Dänemark. Ich fahre lieber eine halbe Stunde länger, genieße aber dann entspannte Menschen in großartigen Locations bei stadiontauglichen Shows. Das war mit Sicherheit nicht mein letztes angenehm entspanntes Konzert bei unseren nördlichen Nachbarn!