Jinjer Tour 2021 am 22.09.2021 im Hellraiser, Leipzig

Kontrastprogramm im Hellraiser

Eventname: Jinjer Tour 2021

Headliner: Jinjer

Vorband(s): Space Of Variations, Hypno5e

Ort: Hellraiser, Leipzig

Datum: 22.09.2021

Kosten: 35,05 Euro

Genre: Metal Core, Groove Metal, Progressive Metal, Djent

Besucher: ca. 400 Besucher

Veranstalter: Hellraiser Leipzig

Link: https://hellraiser-leipzig.de/

Setlisten:

  1. 1Beast
  2. Room 57
  3. Razorblade
  4. Non_Human
  5. Fake Bible
  6. Fuck This Place Up
  7. DRMNDBSS/Moonlight
  8. Tibet
  9. Outro

  1. A Distant Dark Source, Pt. 1
  2. A Distant Dark Source, Pt. 2
  3. A Distant Dark Source, Pt. 3
  4. East Shore – In Our Deaf Lands

  1. Call Me A Symbol
  2. On The Top
  3. Pit Of Consciousness
  4. I Speak Astronomy
  5. Disclosure
  6. Judgement
  7. Sleep Of The Righteous
  8. Ape
  9. Retrospection
  10. Perennial
  11. Wallflower
  12. Teacher, Teacher
  13. As I Boil Ice
  14. Mediator
  15. Home Back
  16. Vortex

Nach all den Einschränkungen durch die Pandemie ist es fast schon ein Wunder, dass seit kurzer Zeit wieder Konzerte in Hallen stattfinden. Sicher sind die Schutzkonzepte in jedem Bundesland anders (ein Hoch auf den Föderalismus), in Sachsen, wo das traditionsreiche Hellraiser in Leipzig zum Auftritt der ukrainischen Metalcore-Stars Jinjer geladen hatte, sind derzeit Veranstaltungen mit dem üblichen 3G-Konzept möglich. Die Schlange vor dem Metal-Club ist lang und es geht nur stockend vorwärts. Grund sind natürlich die Checks bezüglich Tests oder Impfstatus. Aber keiner murrt, alle harren mit Vorfreude und einer gewissen Gelassenheit aus, bis sie endlich an der Kasse angekommen sind.

Vor mir in der Schlange: eine dieser Zufallsbekanntschaften. Zufällig beruflich hier in Leipzig und auf der Suche nach etwas, was ballert. Da kommen Jinjer mit ihrem ersten Deutschlandkonzert der aktuellen Tour gerade recht, auch wenn er mit der Band bisher keine Erfahrungen hat und neugierig fragt, ob die auch genug Druck machen. Man nimmt in diesen Zeiten schließlich, was nur irgend geht. Aber da können ihn seine Vormänner in der Schlange, zwei in Deutschland lebender Ukrainer beruhigen. Dass sie zum Konzert ihrer Landsleute gehen – Ehrensache. Und so schlecht dürfte ihm die Wahl nicht gefallen, denn eine ordentliche Show wird die Metalcore-Band garantiert abliefern. Schließlich kann man auch mit Djent viel Spaß haben. Im Konzertsaal ist es voll. Die lange Schlange vor der Location hat nicht getrogen. Die Leute sind so hungrig auf Livemusik und strömen nur so herbei. Garantiert sind die Konzerte auch extrem wichtig für den weiteren Bestand der Veranstalter, denn dadurch generieren sie endlich wieder halbwegs verlässliche Einnahmen.

Ehe ich es aufgrund des langwierigen Einlasses in den Metal-Tempel schaffe, hat die erste Band schon begonnen. Ein Kameragraben ist nicht vorgesehen. Harte Bedingungen für mich als Fotografen, aber das ist man ja gewohnt. Metal ist kein Ponyhof! Und ich wollte es ja auch. Die Fans stehen dicht an dicht in den ersten Reihen und belagern fast die Bühne. Es wird schwer, sich da eine gute Position für Fotos zu verschaffen. Hinter den Fans in den ersten Reihen ist etwas Platz, als ob schon durch ein unausgesprochenes Einverständnis der Besucher Raum für die gleich stattfindende Moshpit geschaffen wird. Die Reflexe funktionieren noch, egal, ob zwei Jahre Pause waren. Erfahrung vergisst man nicht.

Während Frontmann Dima Kozhuhar die Masse anheizt, unterstützen seine Kollegen von Space Of Variations gekonnt. Die Band – wie Jinjer ebenfalls aus der Ukraine – heizt das Publikum ordentlich auf mit gekonnt performter Aggressivität, wie sie im Metalcore erwartet wird. Space Of Variations bringt die Metalcore-Attitüde des „Mach es selbst“ und „Scheiß auf andere“ überzeugend rüber. Die meisten Tracks stammen von der 2018er LP Mind Darknet und der EP XXXXX von 2020. Interessant ist, wie die Songs, die aus ihren verschiedenen Veröffentlichungen stammen, eine Einheit bilden und zusammenpassen. Die Band hat in ihren Veröffentlichungen einen stringenten Weg hinter sich. Als Höhepunkt am Ende kommt ihr Song Tibet, der 2017 über YouTube eine bemerkenswerte Reichweite und entsprechende Abrufzahlen erreichte. Moshpit incoming! Schon nach wenigen Songs tobt die Masse und die Leute lassen ihrer Aggressivität im Moshpit freien Lauf. Wie üblich läuft das erstaunlich verletzungsfrei ab, denn natürlich wird dabei auf andere geachtet, auch wenn der Run für Außenstehende wild aussieht.

Jetzt müssen alle umschalten. Nach der hochenergetischen Performance von Space Of Variations kommt nun ein Kontrastprogramm. Die Franzosen von Hypno5e haben sich dem Avantgarde und Progressive Metal verschrieben. Seit 2003 frickelt die Band aus Montpellier auf bisher fünf Alben an ihrem Sound. Und auch wenn es auf dem Papier merkwürdig klingt, sie mit zwei Metalcore-Bands zusammen auf Tour zu schicken, macht es spätestens im Live-Erlebnis absolut Sinn. Enthält doch der Sound der Band neben vielen experimentellen Versatzstücken auch eine durchaus hörbare Portion Metalcore.

Und so bildet der Auftritt des Quartetts um Sänger und Gitarrist Emmanuel Jessua eine durchaus folgerichtige Brücke zwischen der Musik von Space Of Variations und dem Headliner Jinjer. Ihr Programm besteht aus dem in ätherischen Schichten aufgebauten und sich langsam in aggressivere Richtungen entwickelnden dreiteiligen A Distant Dark Source von ihrem gleichnamigen letzten Album von 2019 und dem Song East Shore – In Our Deaf Lands vom 2016er Album Shores Of The Abstract Line. Besonders Letzterer punktet mit starkem Metalcore-Einschlag in einigen Bereichen. Insgesamt komplizierte Musik, die man nicht mal eben an einem Abend durchdringt, sondern mit der man sich beschäftigen muss.

Auftritt Jinjer. Dem Headliner um Frontfrau Tatiana Shmailyuk haben alle hier entgegengefiebert. Ich bin sicher, auch meine Bekanntschaft aus der Warteschlange kommt jetzt auf ihre Kosten. Es folgt eine großartige Tour durch die musikalische Geschichte der Band, natürlich mit gebührender Beachtung des neuesten Werkes Wallflowers, das erst in diesem Jahr erschienen ist und auch der Grund für diese Tour durch Europa und Amerika ist. Nach Call Me A Symbol, das das neue Album einführt, geht es zunächst mit On The Top und Pit Of Consciousness zurück zu älteren Veröffentlichungen (Macro von 2019). Schließlich wollen auch die Erwartungen des Publikums und alter Fans erfüllt werden. Es folgt das unvermeidliche I Speak Astronomy, das mit über zehn Millionen YouTube-Abrufen immer noch zweifelsohne zu einem der stärksten Songs der Band gehört.

Natürlich geht es nahtlos weiter. Die Band selbst spielt nicht nur routiniert, sondern mit einer gewissen Spielfreude. Tatiana Shmailyuk interagiert mit dem Publikum, das dieses Angebot erfreut aufnimmt. Nicht umsonst sind auch hier die ersten Reihen des Clubs dicht gedrängt gefüllt. Mit Disclosure (Wallflowers), Judgement (Macro) und Sleep Of The Righteous kommt keine Langeweile auf. Letzteres wieder vom aktuellen Album. Überhaupt sind die neuen Songs ganz vorsichtig ins Programm eingepflegt: Es gibt dazwischen immer wieder jede Menge bekanntes Material aus den älteren Alben. Jinjer, die ihre Tour am 17. September in Moskau eröffneten und bis Anfang Oktober durch Europa touren, wissen eben, wie sie die Fans beglücken. Von Ende Oktober bis Mitte Dezember geht es dann übrigens durch Südamerika und die USA.

Mit Ape, Retrospective und Perennial folgen erneut Songs aus den Veröffentlichungen Micro (EP) und Macro (LP) von 2019. Vom aktuellen Longplayer folgen noch der Titelsong sowie As I Boil Ice und Mediator, davor und danach weitere Titel älteren Datums. Alles in allem können Fans absolut zufrieden sein. Oft genug erlebt man, dass Bands heiß darauf sind, möglichst ausschließlich ihr neuestes Material auf die Bühne zu bringen, hier jedoch wird bis zum Schluss eine gute Mischung aus bekannten Sachen und neuen Songs gebracht. Jinjer wissen, was die Fans hören wollen. Als die Fans nach dem Ende des Konzertes wieder in die Nacht entlassen werden, bin ich mir sicher, dass meinem Vormann in der Warteschlange mehr als genug ordentliches Geballer geboten wurde.