Lord Of The Lost – Judas

Chris Harms und seine Mannen schaffen hier ihr Magnum Opus

Artist: Lord Of The Lost

Herkunft: Hamburg, Deutschland

Album: Judas

Spiellänge: 104:30 Minuten

Genre: Dark Rock

Release: 02.07.2021

Label: Napalm Records

Link: http://www.lordofthelost.de/

Bandmitglieder:

Gesang, Gitarre, Cello – Chris Harms
Gitarre – Pi Stoffers
Bass – Class Grenayde
Drums – Niklas Kahl
Piano, Synthesizer, Perkussion, Gitarre – Gared Dirge

Gesang: Gergana Dimitrova
Chor – Scarlet Dorn, MajorVoice, Benjamin Mundigler, Niklas Turmann und Corvin Bahn

Tracklist:

Damnation

1. Priest
2. For They Know Not What They Do
3. Your Star Has Led You Astray
4. Born With A Broken Heart
5. The 13th
6. In The Field Of Blood
7. 2000 Years A Pyre
8. Death Is Just A Kiss Away
9. The Heart Is A Traitor
10. Euphoria
11. Be Still And Know
12. The Death Of All Colours

Salvation

1. The Gospel Of Judas
2. Viva Vendetta
3. Argent
4. The Heartbeat Of The Devil
5. And It Was Night
6. My Constellation
7. The Ashes Of Flowers
8. Iskarioth
9. A War Within
10. A World Where We Belong
11. Apokatastasis
12. Work Of Salvation

Album Nummer sieben der Hamburger Dark Rocker Lord Of The Lost um Tausendsassa Chris Harms steht in den Startlöchern. Die Harmsche Truppe hat mal eben nicht nur ein einfaches Album geschaffen, sondern haut eine Doppel-CD raus, die thematisch das Spannungsfeld zwischen Judas Ischariot und den apokryphen Schriften des Judas Evangeliums behandelt. Dabei setzen Lord Of The Lost auf die Gespräche zwischen Jesus Christus und Judas, die im Gegensatz zum Neuen Testament in einem alternativen Interpretationsansatz betrachtet werden. Das wird in den 24 Songs der beiden CDs eindrucksvoll präsentiert und erneut schaffen es die Ausnahmekünstler Lord Of The Lost, sich nicht in eine Schublade stecken zu lassen. Immer wieder sind es neue Ansätze in der Musik und im Songwriting, die genreübergreifend für Aufsehen sorgen. Der Sound ist mal wieder überragend und im Vorfeld sind die diversen haptischen Versionen der neuen Platte bekannt gegeben worden. So kommt das Album in diversen unterschiedlichen Aufmachungen daher, bei dem es jedem Jäger und Sammler die Tränen in die Augen schießen lassen dürfte. Selbst als Doppelkassette (Kassette, Tape, gab es früher und wurde mit einem Kassettenrekorder abgespielt… das ist voll Retro und auch noch analog) war das Teil zu haben, wobei diese auf 100 Stück limitierte Version bereits vergriffen ist.

Nun aber zur Musik. CD 1 mit dem Untertitel Damnation (Verdammnis) beginnt mit dem atmosphärischen Priest, an dessen Anfang sich das durch die gesamte CD ziehende Leitmotiv wiederfindet. Der Song wurde ja bereits im April als erster Aufschlag veröffentlicht und damit auch gleichzeitig der Titel und das Artwork des Albums bekannt gegeben. Das ist schon mal ein guter Einstieg, der sich in For They Know Not What They Do gekonnt fortsetzt. Auch dieser Song wurde bereits als zweite Single ausgekoppelt und lässt die Spannung weiter steigen. Bei dem schon fast sakralen Stück wird Chris Harms von einem echten Chor unterstützt und gemeinsam wird der Refrain eindringlich intoniert. „Father Forgive Them, They Know Not What They Do“, schallt es aus den Boxen und das bleibt sofort hängen. Die fetten Gitarren bei Your Star Has Led You Astray zeigen, nicht nur Harms kann mit seiner Stimme beeindrucken, sondern auch Pi und Multiinstrumentalist Gared wissen an den Mehrsaitigen zu gefallen. In diesem Stil geht es weiter. Immer wieder schafft es Chris, mit seiner unverkennbaren Stimme für Gänsehautmomente zu sorgen. Bei The 13th  wird dies mehr als deutlich. Die Eindringlichkeit, mit der er die Textzeilen wie „…Was Born A Ghost, Lived As A Lie, Prey To My Woes, I Hail Your Words, But I’m Unheard, I Don’t Belong“ singt, besser sich reinversetzt, machen diese Songs einzigartig. In The Field Of Blood zeigt Chris Harms, dass er in der Lage ist, auch andere Töne zu singen. Sein Stimmumfang ist schon sehr groß und so gefällt diese Ballade durch die emotionale Tiefe, den unterstützenden Chor und den stimmlichen Ausbruch zum Ende hin. Dazu gesellt sich das dezente Pianospiel von Gared und zusammen lässt das den Track mit zu einem meiner Favoriten werden. Immer wieder neue Facetten zeigen sich, ohne dass das Grundgerüst von Lord Of The Lost verschwindet. 2000 Years A Pyre ist ein typischer LOTL Track, mit all dem, was die Band so ausmacht. Class Grenayde am Bass und auch Niklas Kahl am Schlagzeug liefern, wie bei den anderen Songs auch, einfach ab und das ist die Basis, auf der sich Chris, Pi und Gared virtuos bewegen. Der Einsatz von Streichern ist bei LOTL ja nichts Besonderes mehr, so haben sie doch bereits drei erfolgreiche Swan Songs Alben mit den eigenen Songs für Streicher umarrangiert. Auch bei Death Is Just A Kiss Away wird auf diese Combo gesetzt. Ausdrucksstarke Stimme, leichter Streichereinsatz, etwas Piano, ein sakral singender Chor – sehr gefühlvoll alles. Mich würde interessieren, wie sie das live umsetzen wollen. Ich vermute, sie machen daraus eine ganze Show und in den Zugaben gibt’s dann noch ein paar Klassiker. Die erste Scheibe geht nach etwas über 50 Minuten mit dem fetten, instrumentalen Be Still And Know und dem auf Chris zugeschnittenen The Death Of All Colours zu Ende.

CD 2 mit dem Untertitel Salvation (Erlösung) schließt sich nahtlos an, wenn man vom Einlegen der CD absieht. Nach dem etwas typisch nach LOTL klingenden The Gospel Of Judas und Viva Vendetta folgt Argent, bei dem die weibliche Stimme von Gergana Dimitrova stammt und für einen spannenden Gegenpart zu Chris Harms sorgt. Des Weiteren sorgt der eingängige Refrain für einen starken Eindruck. The Heartbeat Of The Devil und And It Was Night setzen die musikalische Reise fort. Wie bei Letzterem kommen immer wieder Streicher zum Einsatz. Da beweist das komponierende Team ein glückliches Händchen. Schöne Melodiebögen sorgen für ein nicht ganz so „darkes“ Album, und das zeigt, dass Lord Of The Lost es verstehen, neue Wege zu beschreiten und nicht im Stillstand zu verharren. My Constellation ist dann wieder ein Song, der dem angedachten Genre, hier Dark Rock, gerecht wird. Etwas getragener, leicht düster und mit einem choralen Ende lädt er zum Träumen ein. Ein großartiger Chris Harms sorgt mit seiner Stimme für ein leichtes Goose Bubbeln. Auch die folgenden Tracks bieten immer etwas Abwechslung, sodass es ein spannendes Album bleibt und kaum Langeweile aufkommt. Über das schnellere Iskarioth, dem mit dezentem Piano unterlegtem, schon fast epischem A War Within, inklusive Harmschen (?) Cellosolo (da stelle ich mir live das Lord Of The Lost Ensemble vor), geht es weiter in Richtung Ende. Zuvor kommt aber noch das getragene, Weltschmerz verströmende A World Where We Belong und mit Apokatastasis ein weiteres Instrumental, das ausschließlich von Streichern bestritten wird. Das würdige Ende wird mit Work Of Salvation erreicht. Streicher, Chor und Konzertpiano kommen noch mal zum Einsatz und lassen die Platte ruhig zu Ende gehen. Ich freu mich schon auf die physikalische Ausgabe und das damit einhergehende Genießen der auf Vinyl gepressten Songs. Spannend sind auch die Bandeigenen Meinungen zu den einzelnen Tracks, die auf ihrem Instagram Account in kurzen Clips zu sehen sind. (Link hier)

Für alle, die noch nichts von der neuen Platte gesehen oder gehört haben, gibt es noch das aktuelle Video.

Lord Of The Lost – Judas
Fazit
Tja, was soll man da noch als Fazit schreiben? Die beiden CDs lassen Lord Of The Lost in einem neuen Licht erstrahlen. Das Gesamtwerk ist spannend, abwechslungsreich und musikalisch und textlich hervorragend ausgestaltet. Wer auf eine Weiterführung von Tracks wie Six Feet Underground, Loreley, Drag Me To Hell oder On This Rock I Will Build My Church hofft, muss sich etwas von dem Gedanken verabschieden. Das ist kaum vergleichbar, aber trotzdem bieten die 24 Songs um Judas Ischariot ein Potpourri an geilen Songs mit Tiefe, Gefühl, Tragik, Düsternis, Hoffnung und dem ewigen Kampf zwischen Gut und Böse. Hier zeigen die Hamburger mal wieder deutlich, dass sie es verstehen, ihre Stellung auszubauen und zu festigen - und dass sie immer für eine Überraschung gut sind. Ich kann Judas jedem empfehlen, denn es bietet über die gesamte Spielzeit fast keinerlei Schwächen und man wird außerordentlich gut unterhalten. Meisterlich.

Anspieltipps: For They Know Not What They Do, In The Field Of Blood, The Gospel Of Judas und Argent
Kay L.
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