Für die heutige Ausgabe unserer Time For Metal Weltreise müssen wir gedanklich gar nicht so weit fahren. Wir befinden uns in Minsk, der Hauptstadt von Weißrussland. Von Massentourismus ist das Land bisher noch verschont geblieben. Das liegt zum einen an der erst vor Kurzem gelockerten Visapflicht, aber vor allem an der politischen Lage. Sehenswert ist Weißrussland aber dennoch. In der spannenden und abwechslungsreichen Hauptstadt Minsk leben zwei Millionen Einwohner. Im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen besticht sie durch Sauberkeit und ist überraschend ruhig.
Außerhalb von Minsk finden sich viele märchenhafte Schlösser, romantische Seen und Sumpfgebiete sowie eine einmalige Kultur mitten in Europa. Außerdem kann man in Weißrussland den letzten europäischen Urwald finden. Der Białowieża Nationalpark erstreckt sich bis nach Polen. In diesem artenreichen Wald leben auch Wisente, die übrigens Weißrusslands Nationaltiere sind.
Wer die Kunst- und Kulturszene des Landes näher kennenlernen möchte, sollte einen Stopp in Wizebsk, auch bekannt als Vitebsk, einplanen. Hier wurde der weltberühmte Künstler Marc Chagall geboren und in seinem Elternhaus kann man Ausstellungen sowie sein Atelier besichtigen, in dem heute auch wieder Künstler zeichnen.
Inmitten dieser großen Kultur treffen wir auf eine noch junge Metal-Formation. Adliga ist ein Projekt von fünf Freunden, die sich in Minsk zusammengetan haben, um etwas Neues auszuprobieren. Anfangs spielten sie noch Cover von ihren Lieblingsbands, doch schnell entwickelten sie eigene Stile und die Band schrieb eigene Songs. So ist ein Mix aus verschiedenen Genres wie Doom Metal, Black Metal und Post Rock entstanden.
Obwohl die Metalszene im Land eher dünner besiedelt ist, sind es vor allem Black, Death und Folk Metal Bands, die sich gründen. Leider ist die Szene nicht groß. Regionale Events und Konzerte sowie thematische Veranstaltungen fehlen. Für Bands wie Adliga ist es zudem schwer, überhaupt ein passendes Line-Up für Konzerte zusammenzustellen. Doom und Post Metal Bands sind leider rar in Weißrussland. Davon lassen sich die Musiker aber nicht abhalten und arbeiten allen Widerständen zum Trotz weiter.
Auch wenn Adliga nicht die typischen Folk Musiker sind, beeinflusst das kulturelle Erbe die Arbeiten der Minsker. Das lässt sich in manchen Vocal Techniken oder orientalischen Melodien wiederfinden. Auch in den Lyrics, die sich thematisch an folkloristischen Sagen, bekannten Poesien oder der Geschichte des Landes orientieren, kann man Einflüsse der Herkunft erkennen.
„Weißrussland hat ein spannendes historisches Erbe. Leider ist vieles davon verloren gegangen und andere Teile wiederum sind in einer schlechten Verfassung. Unsere Musik repräsentiert diesen Stand“, erklärt uns die Band. Inspiration finden die Metalheads in der vielschichtigen Kultur ihres Heimatlandes. Ob in der Architektur, Büchern, Folksongs oder der Muttersprache. Der Antrieb der Band besteht darin, ihre eigene Vision der Kultur dem Hörer näherzubringen. Auf dem bald erscheinenden Album befindet sich der Song Paparać Kvietka, in dem es um eine weißrussische Sage geht. Diese beschriebt eine magische Blume, die Wünsche erfüllt, aber nur einmal im Jahr in der Kupala-Nacht blüht. Die Kupala-Nacht ist ein traditionsreicher Festtag in Weißrussland, der auf die Sommersonnenwende fällt.
Für den Song benutzten Adliga Lyrics, die sie von einem befreundeten Musiker erhielten. Da diese perfekt in die instrumentale Komposition passten, wurden diese auch nahezu unbearbeitet in Paparać Kvietka eingearbeitet. „Der Song beschreibt außerdem perfekt das Thema des Albums: Die Suche nach Glück und den Platz des Menschen in der Welt“, so Adliga.
Auch in Adligas Coverartworks und den Videos zeigt sich die Verbundenheit zur eigenen Herkunft. So dienen die Ruinen eines ehemaligen Familiensitzes des ältesten Adelsgeschlechts als Location für das erste Musikvideo der Combo. Für das neue Album Vobrazy, das am 5. November erscheint, benutzen Adliga historische Bilder, die in enger Verbindung zur weißrussischen Tradition und Folklore stehen. So kann man auch eine Aufnahme aus dem Haus des bekannten Poeten Yakub Kolas unter den Artworks finden. Adliga benutzen neben dessen visuelles Erbe auch Teile aus seinem Stück A New Land.
Abgesehen von einem Tambourin findet man bei Adliga noch keine traditionellen Instrumente. Für das nächste Album steht aber eine Zusammenarbeit mit einem traditionellen Folk Chor auf dem Plan, welche sicher eine gelungene Ergänzung zum Stil sein wird. Außerdem wird sich das neue Album thematisch an einem Buch orientieren, das viele Elemente aus Folklore und Traditionen birgt.
Mit dieser kleinen Vorschau auf das kommende Album Vobrazy und dem Nachfolgewerk verabschieden wir uns von Minsk und machen uns wieder auf die Heimreise. Ein interessantes Land lassen wir hinter uns und drücken den Metalfamilien-Mitgliedern von Adliga fest die Daumen für die Veröffentlichung am 5. November. Hört doch mal rein!