Neck Deep – The Peace And The Panic

“Bands entwickeln sich weiter, egal wie sehr Fans sich das Gegenteil wünschen“

Artist: Neck Deep

Herkunft: Wrexham, Wales

Album: The Peace And The Panic

Spiellänge: 31:39 Minuten

Genre: Pop Punk

Release: 18. August 2017

Label: Hopeless Records

Link: https://www.neckdeepuk.com

Produktion: Mike Green

Bandmitglieder:

Gesang – Ben Barlow
Bass – Fil Thorpe-Evans
Gitarre – Matt West
Gitarre – Sam Bowden
Drums – Dani Washington

Tracklist:

  1. Motion Sickness
  2. Happy Judgement Day
  3. The Grand Delusion
  4. Parachute
  5. In Bloom
  6. Don’t Wait (ft. Sam Carter)
  7. Critical Mistake
  8. Wish You Were Here
  9. Heavy Lies
  10. 19 Seventy Sumthin’
  11. Where Do We Go When We Go


The Peace And The Panic ist nach dem Erfolgsalbum Life’s Not Out To Get You und dem Vorgänger Wishful Thinking das dritte Full-Length der walisischen Pop-Punker Neck Deep. Mit dem 2015er-Album konnte die Band den großen Durchbruch feiern und sich im Vorprogramm von Bands wie A Day To Remember oder Pierce The Veil oder bei der berüchtigten Vans Warped Tour einen Namen machen.
Die Mitglieder selbst wurden vor Release des Albums nicht müde zu betonen, dass man sich musikalisch weiter entwickelt habe und versuchte die Fans zu beruhigen, indem man immer wieder beteuerte, dass man sich nicht zu weit vom Stil der ersten Alben entfernt hat. Was sich im Rahmen der riesigen Promotion-Kampagne im Vorfeld schon angedeutet hat, hat sich nun bestätigt. Bereits die vor dem Album erschienen vier Singles deuteten sowohl inhaltlich, als auch musikalisch einen deutlicheren Umbruch an, als es viele Fans lieb sein dürfte. Nachdem zunächst die beiden Songs Happy Judgement Day und Where Do We Go When We Go released wurden, war zumindest die musikalische Richtung der neuen Platte noch offen. Die Songs lassen zwar die sonst so prägnanten Hardcore-Elemente der Vorgängeralben vermissen, sind allerdings kein krasser Stilbruch. Den stärksten Song stellt allerdings die dritte Single Motion Sickness dar.

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Der textliche Wandel der Band zeigt sich bei den ersten Singles deutlich. Während die ersten Alben sich hauptsächlich mit typischen Pop-Punk-Inhalten wie Partys, Lifestyle und Liebe befassen, geht es, wie der Album-Titel bereits vermuten lässt, auf The Peace And The Panic großteils um politische und gesellschaftliche Missstände. Diese Thematik teilt sich das Album mit ein paar eher positiven Texten. Was Neck Deep besonders gut gelingt ist, dass die negativen Texte von einem musikalisch noch immer positiven Flair untermalt werden und auch textlich mit Humor versehen sind. Pop-Punk und miesepetrige Gesellschaftskritik würde einfach nicht zusammenpassen. Die wirklich düsteren Parts des Albums drehen sich um den Tod des Vaters von Frontmann Ben Barlow. Auch diese Songs haben eine eigene, bittersüße und positive Art die Geschehnisse zu verarbeiten. Wish You Were Here ist wohl der Song, der sich am unmittelbarsten damit befasst und sinniert über die Zeiten, die Barlow und sein Vater noch haben könnten. Untermalt wird das Ganze von verträumt schöner Akustik-Gitarre und fällt damit nicht sonderlich weit aus dem typischen Pop-Punk-Raster (Übrigens hat Fil Thorpe-Evans, der sonst mit den Backing Vocals betraut ist, hier zum ersten Mal einen vollständigen Part in einem Song.). Der zweite Song, der sich dieser Thematik widmet, ist mit 19 Seventy Sumthin’ etwas indirekter. Zunächst wird hier die romantische Beziehung der Eltern und die Entwicklung zu einer Familie beschrieben, ehe sich die Lyrics der Tragödie zuwenden. Dieser Song ist einer der stärksten Songs des Albums und steht sinnbildlich für die musikalisch Entwicklung der Band. Die Produktion ist glattgebügelt, es wird viel mit Effekten gearbeitet und die Instrumente entfernen sich sehr vom klassischen Rock-Sound. Wer auf ältere Songs der Band steht, dürfte hier ein Stück weit enttäuscht sein. Neutral betrachtet hatte die Band mit ihren Statements zum Sound des Albums völlig recht. Songs wie die letzte Single In Bloom werden trotzdem eher Fans im weiblichen Publikum finden.

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Für die etwas härter angehauchten Hörer findet sich mit Don’t Wait sogar ein Song, der geschriene Vocals beinhaltet. Dafür hat sich die Band Unterstützung von Sam Carter von den Architects ins Boot geholt, der dem Ende des Songs zwar einheizt, es aber ebenfalls nicht schafft, das unbeschwerte Post-Harcore-Feeling von Songs wie Can’t Kick Up The Roots oder Kali Ma zurückholen kann.
Das ganze Weichspülen hat natürlich zur Folge, dass viele Songs eingängig wie kaltes Pils sind und man spätestens nach zwei, drei Durchgängen irgendwie Gefallen an dem Album findet. Paradebeispiel hierfür ist Critical Mistake, dessen fast unverschämt simple Vocal-Line schon nach der ersten Wiederholung nicht mehr aus dem Kopf geht. Und darum geht es ja: Bands sollen Songs schreiben muss, die Fans und sich selbst gefallen und nicht irgendwelche Konventionen und Erwartungen erfüllen. Da dem kritischen dritten Album oft nachgesagt wird, dass es den Stil einer Band vorgibt, kann man beruhigend behaupten, dass es wesentlich schlechtere dritte Alben gibt.

Fazit: So sehr man die alten Neck Deep-Alben auch mag und so sehr man sich eine weitere Fortsetzung gewünscht hätte, so wenig kann man verneinen, dass The Peace And The Panic ein solides Album ist auf dem sich gut geschriebene Songs nur so tummeln. Wer sich von den Genre-Konventionen und dem Gedanken an ein zweiten Life’s Not Out To Get You lösen kann, darf beherzt zugreifen.

Anspieltipps: Wish You Were Here, Critical Mistake, Motion Sickness, 19 Seventy Sumthin’
Carsten B.
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