Artist: Oceans
Herkunft: Wien, Österreich und Berlin, Deutschland
Album: Hell Is Where The Heart Is – Part II: Longing (EP)
Spiellänge: 13:21 Minuten
Genre: Post Metal, Modern Metal, Post Death Metal, Nu Metal
Release: 29.07.2022
Label: Nuclear Blast Records
Link: https://www.facebook.com/oceansofficialDE
Bandmitglieder:
Gesang und Gitarre – Timo Rotten
Gitarre – Patrick Zarske
Bassgitarre – Thomas Winkelmann
Schlagzeug – J.F. Grill
Tracklist:
- Longing
- Home
- I Want To Be Whole Again
- Living=Dying
Der Begriff Weltschmerz wurde durch den deutschen Schriftsteller Jean Paul geprägt und umschreibt die tiefe Traurigkeit über die Unzulänglichkeit der Welt. Der weitverbreitete Germanismus trifft aus meiner Sicht exakt auf die Musik der deutsch-österreichischen Band Oceans zu. Aushängeschild ist und bleibt der zwischen bitterbösen Growls, Screams sowie verzweifelten Cleans wechselnde Gesang von Frontmann Timo. Bereits mit dem Anfang des Jahres erschienenen ersten Teil Hell Is Where The Heart Is, Part I: Love untermauerten die Modern Metaller mit dem Hang zum Nu Metal, dass sie gerne den Konventionen des Songwritings trotzen und mit den Erwartungen der Hörer spielen. Nachdem das Debüt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt kurz vor Beginn der Pandemie erschienen war, konnten sich Fans der Band nicht über einen Mangel an neuem Material beschweren. Wie bei moderner harter Musik mittlerweile üblich, erscheinen auch bei Oceans EPs ca. im Halbjahrestakt. Was raus muss, muss raus und darf nicht in der Gedankenschublade verweilen. Auf das grandiose We Are Nøt Okay, bei dem die inneren Dämonen nach außen gekehrt wurden, folgte der besagte erste Teil des digitalen Outputs Hell Is Where The Heart Is. Nach schmerzenden Erfahrungen mit der Liebe dreht sich dieses Mal alles um menschliche Sehnsüchte (Longing).
Das Konzept des ersten Teils wurde im Wesentlichen beibehalten: Ein Intro, welches den Hörer auf bedrohliche Weise in die Thematik einführt, gefolgt von drei Stücken, die vor allem lyrisch gedankliche Abgründe in der Größe eines Ozeans auftun. Von Selbstkopie oder Abnutzungserscheinungen kann jedoch nicht die Rede sein. Vielmehr merkt man den Jungs die Reife beim Songwriting an, die über die letzten Jahre entstanden ist. Live wächst das Gebilde aus Post Metal und Nu Metal-Referenzen gerade zusammen, denn Oceans bestanden erst im April ihre Festival-Feuertaufe auf dem Ragnarök Festival in Lichtenfels. Der nächste Meilenstein folgte prompt mit dem Auftritt auf der Mainstage des Full Force Festivals, bei dem auch die neue Nummer Home präsentiert wurde. Genau da steige ich ein. Nach dem titelgebenden Intro, machen die mächtigen Hooks von Home direkt ein Fass auf. Obwohl die Jungs wie schon auf ihrem bisherigen Material mehr Genres vereinen als man für möglich hält, ergibt zum Schluss immer alles einen Sinn. Jedoch nicht so, dass man 08/15-Muster runterspult, sondern stattdessen für gekonnte Spannungsbögen sorgt. Langweilten Anfang der 2000er vor allem zweitklassige Nu Metal-Bands mit vorhersehbarer laut-leise Dynamik, so haben die Jungs von Oceans einfach das Gespür für das richtige Verhältnis von zart und hart. Sänger Timo beschreibt im Text das Gefühl, auf der Suche nach einer Heimat zu sein, um endlich „anzukommen“. Die Hookline „We are sailors through time and space. We disengage from this human race“ umarmt mich und lässt mich so schnell nicht mehr los – Hitpotenzial, Freunde!
Ein Puzzleteil fehlt doch immer zur Selbstzufriedenheit. I Want To Be Whole Again bereitet den Weg zur eigenen Vervollständigung. Die Gitarrenwände werden zurückgefahren und so darf ein von mir bisher sträflich vernachlässigtes Bandmitglied den Ruhm für sich beanspruchen: Drummer J.F. Grill. In bester Abe Cunningham-Manier tänzelt er über die Becken, nur um kurze Zeit später einen dicken Groove darunterzulegen. Passend dazu verzweifelt und leidet Timo gegen Ende ähnlich wie Deftones-Ikone Chino Moreno. Zugegeben ist I Want To Be Whole Again ein Song, der ein paar Durchläufe braucht, um zu zünden. Wer die Geduld mitbringt, wird mit wundervollen Details belohnt. Was fehlt noch? Richtig, der Brückenschlag zu den deutlich härteren Stücken auf Part I. Dieser lässt nicht lange auf sich warten. „Fuck this shit, God damn it“, platzt es im abschließenden Living=Dying nur so aus Timo heraus und fiese Growls kommen zum Einsatz. Doch Oceans stünden nicht so hoch in meiner Gunst, wenn sie jetzt vier Minuten stumpf in der Gegend herumschreddern würden. Ruhige Momente verstärken die Intensität noch weiter und leiten den nächsten Wall of Death-Part ein. Die fast schon Black Metal-artigen Auswüchse beim Gesang und beim Drumming lassen mich Zeuge des Hinübergleitens in den Wahnsinn werden und spucken mir zum Abschluss ihren Hass nur so entgegen.