Oomph! – Ritual

Harte Riffs und tiefgründige Botschaften!“

Artist: Oomph!

Herkunft: Braunschweig, Deutschland

Album: Ritual

Spiellänge: 57 Minuten

Genre: Neue Deutsche Härte

Release: 18.01.2019

Label: Napalm Records

Link: https://www.oomph.de

Bandmitglieder:

Gesang, Schlagzeug – Stephan „Dero Goi“ Musio
Gitarre, Keyboard, Begleitgesang – Thomas „Andreas Crap“ Döppner
Gitarre, Sampling, Begleitgesang – Rene „Robert Flux“ Bachmann

Tracklist:

01. Tausend Mann Und Ein Befehl
02. Achtung! Achtung!
03. Kein Liebeslied
04. Trümmerkinder
05. Europa (feat. Chris Harms / Lord Of The Lost)
06. Im Namen Des Vaters
07. Das Schweigen Der Lämmer
08. TRRR – FCKN – HTLR
09. Phönix Aus Der Asche
10. Lass` Die Beute Frei
11. Seine Seele
12. In Der Stille Der Nacht (Bonus Track)
13. Lazarus (Bonus Track)
14. TRRR – FCKN – HTLR (Lord Of The Lost – Remix) (Bonus Track)

1989 von Dero, Flux und Crap in Wolfsburg gegründet, machen die Neue Deutsche HärteRocker Oomph! nun seit gut 30 Jahren gemeinsam Musik. Die Pioniere der NDH-Bewegung sind stets jung geblieben und konnten von Album zu Album eine Schippe drauflegen und sich kompromisslos weiterentwickeln. Schon früh, mit dem gleichnamigen Debüt Oomph! im Jahr 1990, konnten sich die drei Freunde im EBM Umfeld einen Namen machen, doch der große Durchbruch kam erst im Jahr 1999 mit dem Plastik Album und den daraus veröffentlichten Singles Das Weiße Licht und Fieber (feat. Nina Hagen). Spätestens seit dem Wahrheit Oder Pflicht Album im Jahr 2004 und dem daraus resultierenden Nummer Eins Hit Augen Auf! kennt die Braunschweiger Band ein jeder, der auf harten, deutschen Rock steht.

Das letzte Album XXV ist auch schon wieder über vier Jahre her und man wandelte auf Pfaden zwischen Sex, Gewalt, Tod und Liebe und orientierte sich am großen Erfolg der Hitsingle Augen Auf!. Im Jubiläumsjahr erschien am 18.01.2019 nun das neue Meisterwerk Ritual der Braunschweiger, das von den Fans schon lange erwartet wird. Im Vorfeld wurde seitens der Band und des Labels Napalm Records ein deutlich härteres und düsteres Album angekündigt, das so hart sein soll, wie Oomph! schon lange nicht mehr geklungen haben. Bringt Ritual nun tatsächlich die Neue Deutsche Härte wieder zurück?

Und tatsächlich zeigt man sich zum Anfang recht bissig und angriffslustig, denn die ersten vier Songs rocken in vertrauter Manier und sind definitiv härter instrumentiert. Den Einstieg macht die Single Tausend Mann Und Ein Befehl, die ja auch bereits als Vorabvideo veröffentlicht wurde. Das Antikriegs-Brett kann durch seinen Ohrwurmcharakter überzeugen, obwohl das Kriegsthema ernster nicht sein könnte. Über allem steht der Appell „Nie wieder Krieg“ und mit der Aufforderung „Stellt euch quer“ macht man klar, dass man noch immer eine Band mit eigener Meinung ist und eine Botschaft transferieren kann. Gleich zu Beginn wird deutlich, dass die politische Situation in Deutschland und Europa ein gewichtiges Thema für die Band ist. Zu Beginn sind offenbar alte Messerschmitt Kampfflugzeuge zu hören, die dann aber im harten, abgehackten Sound untergehen. Schwere Gitarrensalven und düstere Synthiewellen dominieren das Geschehen. Die Drums schlagen gnadenlos und wuchtig den Beat und dennoch weist der Refrain eine gewisse Leichtigkeit auf. Erste Vergleiche zum frühen Unrein Album sind recht passend, denn sowohl textlich als auch musikalisch schafft man den Spagat vom damaligen, stampfenden Industrial Sound hin zu dem modernen, angepassten Oomph! Rocksound der Neuzeit.

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Achtung! Achtung! klingt im Refrain irgendwie nach einem Gebet an Gott. Jemand wünscht sich, nach langer Zeit endlich nach Hause kommen zu dürfen, doch der Heilige Vater hat andere Pläne mit ihm und erfreut sich über seinen Betrug. Beide Hauptrollen werden durch den Gesang unterschiedlich dargestellt, sodass der Hörer beinahe hineinversetzt wird. Das Wegweiser Drama lebt von den sehr prägnanten Gitarren und einem hymnischen Refrain, wobei die Strophen etwas abgehackt klingen. Angetrieben durch Deros markantes Marschorgan hämmert der Song mit Vehemenz an das Tor zum Industrial Olymp.

Zügig, böse und mit bissigem Text kommt die erste Single daher. Auch Kein Liebeslied wurde bereits als Video veröffentlicht und klingt, zumindest am Anfang, exakt nach Rammstein, einer Band, mit der Oomph! in der Vergangenheit nie verglichen werden wollten. Hier und jetzt müssen sie sich aber genau diese Vergleiche gefallen lassen, denn weder musikalisch, noch textlich sind sie von der Hand zu weisen. Diese Vergleiche zu Rammstein wird man als NDH Band wahrscheinlich eh nie ganz verhindern können, da die Berliner das A & O der Szene sind – aber im Falle von Oomph! waren die Parallelen noch nie so offensichtlich. Hier wird die Uhr endgültig um gut 20 Jahre zurückgedreht, denn die Nummer bietet beißende Gitarren und gebrüllten Refrain. Der Song beschreibt die verschiedenen Facetten des Hasses. Es ist eine hervorragende Elektro Rock Nummer im pathetischen Midtempo mit einprägsamen Text im Refrain. Die Aufforderung „Singt mit mir“ werden die Fans sicherlich dankbar annehmen und bei den Gigs wird der Song garantiert auf keiner Setlist fehlen. Tempowechsel und Pianoparts machen die Nummer sehr abwechslungsreich und interessant.

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Härter, aber auch vergleichsweise gewöhnlicher, klingt das nachdenkliche Trümmerkinder, in dessen Anfangssample die Band erneut auf ihre Vorliebe für Kinderlieder setzt, ähnlich wie bei der ganz großen Erfolgssingle Augen Auf! im Jahr 2004. Mit Trommel und Pfeifen wird Schlaf, Kindlein, Schlaf angestimmt, welches dann durch harten Gitarren- und Drumsound abgelöst wird. Ebenso wie bei Kein Liebeslied sind wieder die ganz klaren Parallelen zu Rammstein nicht von der Hand zu weisen. Der Song ist ganz offensichtlich eine Abrechnung mit dem Dritten Reich, denn vor allem die sehr prägnante Textzeile Auferstanden aus Ruinen sollte jedem bekannt sein. Beim Hören des Elternarschtrittes überkommt einen ein beklemmendes Gefühl, doch musikalisch sowie textlich, ist hier alles im grünen Bereich. Die Texte sind bisher durchaus als eine Art Stärke von Ritual anzusehen. Gegenüber vielen anderen Genrebands ist es Oomph! meist gelungen, nicht allzu platt in den Texten rüberzukommen und dieses gelingt ihnen auch wieder auf dem aktuellen Silberling.

Für Europa hat man sich stimmliche Verstärkung in Form von Chris Harms / Lord Of The Lost ins Boot geholt. Man mag von Chris Harms halten, was man will, aber hier fügt sich der Lord Of The Lost Frontkasper gut ins Gesamtbild ein und fällt zumindest nicht als Fremdkörper ins Gewicht. Auch jede Menge elektronische Spielereien kommen ins Spiel. Inhaltlich handelt der Song vom Tod des einst so starken Europa und die Einleitung klingt demnach gleich ein bisschen nach Sergio Leone`s Spiel Mir Das Lied Vom Tod. Tiefschwarz und bissig wird der langsam ausblutende Leichnam Europas besungen. Erneut wird hier deutlich, dass die momentane politische Situation in Deutschland und ganz Europa ein gewichtiges Thema für die Band ist, bei dem man mitzureden hat. Die Themen der letzten Monate und Jahre, wie z.B. Flüchtlingskrise und Brexit, werden auf den Tisch gebracht und textlich in eindrucksvollen Worten umgesetzt. Gut gelungen sind die Samples aus Ode An Die Freude. Die große Chorusline besticht, leider lässt man dann in dem Untergangsszenario die Zügel etwas lockerer, anstatt weiterhin straight geradeaus zu marschieren. Bisher ging es stramm voraus, ohne nach rechts oder links zu blicken, aber jetzt rücken die Texte mehr und mehr in den Vordergrund des Geschehens. Europa – Stirb langsam!, Europa – Sei bereit!, Europa – Stirb langsam! Nimm dir Zeit! So etwas ging schon bei früheren Alben mächtig in die Hose, denn das Stimmungsbild erleidet hier einen erheblichen Bruch.

In Im Namen Des Vaters wird eine Klonarmee in den Krieg geschickt. Der melodische und ohrwurmlastige Refrain tritt hier etwas in den Hintergrund und man setzt wieder mehr auf harte und stampfende Refrainzeilen. Druckvoll und sehr zynisch geht es hier nach vorne, mit gut durchstrukturierten Strophen. Eine gelungene Headbangernummer, die live bestimmt gut abgeht. Ein weiteres Albumhighlight!

Nein, es ist keine Filmreferenz im Stile von Songs wie z.B. Mein Schatz, aber es geht um etwas, das viel tiefer geht, als eine bloße Anspielung auf Herrn Dr. Lecter. Der Glockenklang zu Beginn leitet in dem langatmigen Das Schweigen Der Lämmer ein sehr brisantes und heikles Thema ein, sexueller Missbrauch im Namen der Kirche. Die scheinheilige Welt des Glaubens kommt hier düster und unheilvoll ins Schwanken. Der Song mit seinem religiösen Thema erinnert ein wenig an den 2006er-Hit Das Letzte Streichholz vom Album GlaubeLiebeTod, hat aber bei Weitem nicht den Hitcharakter von diesem. Das Thema ist gut verarbeitet, der Song selbst entwickelt sich aber zum Rohrkrepierer.

TRRR – FCKN – HTLR ist kalkulierte Provokation und rein textlich sehr befremdlich. Mit dem polarisierenden Konsonantenfeuerwerk will man auf die politische, religiöse und zwischenmenschliche Verführbarkeit und die blinde Skandalgeilheit unserer Gesellschaft aufgrund von Schwachstellen im Bildungssektor aufmerksam machen. Die plakative Wortwahl soll zudem auf die sprachliche Verrohung und Verödung der digitalen Verblödungsgesellschaft hinweisen. Über allem steht die Frage, wie viel Meinungsfreiheit kann unsere Gesellschaft noch aushalten. Die Textzeilen in Verbindung mit dem Elektrosound sind nur schwer zu verdauen. Was zu Beginn für Aufsehen sorgt, ist zum Ende hin nur noch ein plakatives BlaBla aus Terror, Ficken, Hitler, S&M, Rassenwahn, Gruppensex, Untergang, Religion, Diktatur und Impotenz. Aber so ist die Menschheit heute gestrickt, wir lesen nur noch Headlines, während die Medienlandschaft bei der Frage, Inhalt oder Quote regelmäßig daneben greift. Die Gedanken sind gut und aktueller denn je, deshalb ist es schade, das ausgerechnet dieser Track nur auf gutes Durchschnittslevel kommt und letztlich auch zum Rohrkrepierer wird.

Statement von Dero zu dem Song:
Wir kämpfen mit dem Text für die konstruktive Auseinandersetzung mit der Rede- und Meinungsfreiheit als hohes Gut einer freien, säkularen und aufgeklärten Gesellschaft und warnen vor zu viel Zensur innerhalb der Kunst und vor gesellschaftlichen Rückschritten aufgrund von falscher Toleranz gegenüber intoleranten und demokratiefeindlichen Strömungen, weil ein übermäßig restriktives Verhalten innerhalb der Gesellschaft eher in das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte gehört und in andere, aktuelle Diktaturen, nicht aber in eine moderne und aufgeklärte Gesellschaft.

Phönix Aus Der Asche könnte ein Liebeslied mit dramatischem Ausgang sein. Jedoch keine Liebesballade, denn die Einleitung ist dramatisch gehalten und geht schnell in gradlinigen, klaren und nichtssagenden Rock über. Schwerer Beat und klassischer Oomph! Sound, wie ihn Die Hard Fans sicherlich zu schätzen wissen. Der Refrain Für immer werden wir gemeinsam Hand in Hand am Abgrund stehen, bleibt sofort im Kopf, letztendlich ist es aber nur ein zwischen Leben und Tod pendelnder Lückenfüller.

Lass Die Beute Frei ist für mich thematisch nicht so ganz einzuordnen, aber offenbar werden hier Jäger zu Gejagten. Etwas befremdlich wirken die Brunftrufe eines Hirsches am Anfang. Der Song wirkt fröhlich und verspielt, knallt aber auch ganz gut und sticht dadurch aus dem Album heraus. Der Song lädt zum Headbangen ein und wird sicherlich auch eine feste Größe auf jeder Konzert Setlist. Hey, es ist endlich wieder Jagdzeit, lässt sich ja auch problemlos auf die Konzertsaison ummünzen. Die Gitarren hämmern, die Drums scheppern unaufhörlich. Interessant ist hier auch, dass in den Zwischenparts die einzelnen Instrumente solieren dürfen und man ertappt sich dabei, wie man die Melodie mitsummt, aber über Durchschnitt kommt man auch hier nicht hinaus.

Mit der pechschwarzen Powerballade Seine Seele steigen Oomph! noch einmal hinab in die düstersten Abgründe der Menschheit. Ich bin nicht zart besaitet, aber thematisch ist mir das Vergewaltigungs- und Missbrauchs von Kindern-Ding dann doch zu harte Kost. Ein Kind wird verschleppt und im Keller eines Mannes eingesperrt, ein Thema, das leider immer noch aktuell ist. Die irgendwie daneben klingenden Pianos verleihen dem Song etwas Großes und Erhabenes, doch Textzeilen wie Sie wollte einmal nur sein Herz berühr´n und seine Grausamkeit verstehen, gehen an die Nieren und lassen unheimliche Gefühle aufkommen. Im schleppenden Rhythmus werden bedrückende Inhalte zwischen Missbrauch und Mord transportiert. Respekt, dass man hier den Mut hat, die Pädophilie so zu thematisieren, aber einen Platz auf meinem persönlichen Mixtape findet der Track sicherlich nicht. Ritual endet in trostlos-düsteren Brutalitäten und beschreibt im letzten Akt das Ausweiden des eigenen Peinigers, nachdem der geneigte Hörer erst einmal ruhig durchatmen muss.

Auf der Digipak Version befinden sich mit In Der Stille Der Nacht, Lazarus und der Lord Of The Lost Remix Version von TRRR – FCKN – HTLR noch drei Bonussongs, die ich aber nicht vorliegen habe.

Oomph! – Ritual
Fazit:
Fazit: Mit ihrem dreizehnten Album Ritual haben Oomph! die Neue Deutsche Härte Szene nicht neu erfunden. Zwar hält man anfangs die Versprechungen ein, ein härteres und düsteres Album wie seit Langem nicht mehr zu veröffentlichen, doch zum Ende hin herrscht um so mehr Ernüchterung. Was zu Beginn für Aufsehen sorgt, endet in einem glatt gebügelten Werk ohne wirklich große zündende Ideen. Positiv ist aber, dass auf dem ganzen Album keine einzige der sonst typischen Balladen zu finden ist, mit denen man so gerne auf Chartplatzierungen schielt. Ein Ritual für die Ewigkeit ist dieses Album definitiv nicht geworden, wohl aber ein gutes, typisches Oomph! Werk, an dem die Fans ihre Freude haben werden. Ritual bietet harte Banger Riffs, Songs zum Feiern, aber auch Nummern, die dem Hörer einiges abverlangen. Die Braunschweiger zitieren sich selbst und verarbeiten wichtige Themen wie Politik, Religion, Krieg, Mord und Missbrauch. Die Texte sind plakativ und symbolisch, aber mit Bedacht gewählt. Teilweise reaktiviert man die Industrial Metal Wurzeln, aber große Experimente werden nicht gewagt. Die Songs sind einprägsam und berechenbar und zumindest einige werden live richtig Spaß machen. Ein wirklicher Ohrwurm im Stil von Augen Auf! fehlt gänzlich, aber so einen Song schüttelt man ja auch nicht mal eben aus dem Ärmel. Die Drei beherrschen die Gratwanderung zwischen musikalischer Unterhaltung und dem Transport von tiefgründigen Botschaften wie kaum eine andere Band. Das Trio hat auch nach 30 Jahren einiges zu sagen und hat auch das Songwriting nicht verlernt. Fans und Freunde harter, deutscher Rockmusik können hier bedenkenlos zuschlagen.

Anspieltipps: Tausend Mann Und Ein Befehl, Achtung! Achtung!, Kein Liebeslied, Trümmerkinder
Andreas F.
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