Periphery – Hail Stan

Überragend dargebotene musikalische Qualität, aber dennoch schwere Kost

Artist: Periphery

Herkunft: Bethesda Maryland, Amerika

Album: Hail Stan

Spiellänge: 63:59 Minuten

Genre: Progressive Metal, Djent

Release: 05.04.2019

Label: Century Media

Link: https://www.facebook.com/PeripheryBand/, https://www.instagram.com/periphery/, http://www.periphery.net/

Produktion: Misha Mansoor, Adam Nolly Getgood

Bandmitglieder:

Gesang – Spencer Sotelo
Gitarre – Misha Mansoor
Gitarre – Jake Bowen
Gitarre – Mark Holcomb
Bass – Adam „Nolly“ Getgood
Schlagzeug – Matt Halpern

Tracklist:

  1. Reptile
  2. Blood Eagle
  3. CHVRCH BVRNER
  4. Garden In The Bones
  5. It’s Only Smiles
  6. Follow Your Ghost
  7. Crush
  8. Sentient Glow
  9. Satellites

Meine Reise mit Periphery begann am 15.02.2012 in der Liederhalle in Stuttgart. Dort gaben Periphery den Support für Dream Theater auf deren A Dramatic Turn Of Events Europa Tour. Danach legte ich mir relativ zeitnah ihren ersten Longplayer Periphery aus dem Jahre 2010 zu. Ich gestehe reumütig, dass meine Reise mit Periphery dann auch jäh wieder zu Ende ging, dies dauerte bis heute an. Ich war 2012 wohl nicht offen genug für diese Musik, wenngleich mich die Liveperformance seinerzeit in der Tat beeindruckte. Heute, über sieben Jahre später, liegt also Hail Stan vor mir und ich darf mich in anderer Weise dieser Band zuwenden. Mit großer Anspannung und Erwartung, was sich in der zurückliegenden Zeit bei Periphery getan hat. Und es kommt noch schlimmer, die zwischenzeitlich erschienenen EPs und Studioalben seit 2010 gingen an mir vorbei, Schande über mein Haupt. Insofern ist Periphery für mich heute wieder irgendwie neu und das schadet weder dem Album als auch meiner Rezension aus meiner Sicht nicht.

Hail Stan startet mit einem beinahe 17-minütigen Epos namens Reptile. Streicher setzen ein, ich bin anfangs etwas verwirrt und warte auf die mir bislang bekannten Töne. Diese lassen nicht lange auf sich warten und ich befinde mich einem hochtechnisch und progressiven Infight gleich verschiedener Stilrichtungen. Hier treffen Metalcore, Djent und Progressive Metal in überragend dargebotener musikalischer Qualität aufeinander. Der Begriff Abstrakt liegt mir zwar nahe, trifft aber das, was ich zu hören bekomme, in keiner Weise. Was ich höre, kann ich nicht beschreiben. Wie bereits erwähnt, vermischen sich derart viele Einflüsse in diesem Song, dass man nur versuchen kann, das passend verständlich zusammenzufassen. Die Rhythmik sticht durch ständige Tempiwechsel, vollkommen tough eingezimmerte Drums und entrückt eingespielte Gitarren hervor. Die inneliegende Härte wird durch immer wiederkehrende ruhigere Ausreißer unterbrochen. Wahnwitzig beinahe, wirkt die ganze Sache allerdings nicht verspielt oder gar zerfahren, nein, es ist zu jeder Zeit durchdacht und logisch aufeinander aufbauend. Songwriting par excellence. Und letztlich mit Vocals versehen, die an Brachialität und Versiertheit nichts vermissen lassen. Spencer Sotelo beherrscht das Growling ebenso perfekt, wie den Klargesang. Eine sagenhafte Modulation gibt dieser Nummer unfassbar viel Emotion mit. Und dem nicht genug, die Melodie kommt dabei nicht zu kurz und wird sehr schlüssig eingesetzt.

Bei dieser Musik im Takt den Nacken zu beanspruchen endet mit ziemlicher Sicherheit in einem irreparablen Trauma der Halswirbelsäule. Demnach sollte sich der geneigte Fan lieber nicht mit Blood Eagle versuchen. Periphery legen hier nochmals eine ordentliche Schippe Aggression und wilde Raserei obendrauf. Die Vocals brechen sozusagen aus, sind nicht mehr zu halten. Überzerrt, übersteuert und dennoch nachvollziehbar. CHVRCH BVRNER prescht in die gleiche Kerbe, nur ein wenig anders eben.

Garden In The Bones, witziger Titel übrigens, weiß mit mehr Melodie und Metalcore Einflüssen zu glänzen. Auch hier wird mit Grenzerfahrung nicht gegeizt. Grenzerfahrung in der Hinsicht, als dass Periphery nichts unversucht lassen, den Flow abrupt auch mit teils jazzigen Elementen zu unterbrechen. An Ideen scheint es den Amerikanern folglich nicht zu mangeln. Und sie setzen diese Ideen auf einem absolut hohen technischen Niveau auch noch um.

Tja, und dann ist es just vorbei mit dem Abriss. Periphery schlagen mit It`s Only Smiles gänzlich andere Töne an. Das klingt nach melodiösem US-Amerikanischem Metalcore mit verdammt viel poppigen Einflüssen – fast schon radiotauglich. Der Song geht flüssig runter und setzt einen Akzent im bislang recht harten Aufbegehren der Band. Follow Your Ghost ist eine Eigeninterpretation äußerst progressiven Death- oder Black Metals. Das jedoch komplett so durchzuziehen, wäre Periphery wohl insgesamt zu einfach, deshalb kehrt auch in diesem Song altbewährtes Songwriting zurück. Ein wenig Metalcore, ein wenig Djent dürfen auch hier nicht fehlen. Letztlich Crush bietet hier vom Arrangement her gesehen wenig Angriffsfläche und wirkt im Gegensatz zu den bisherigen Nummern fast etwas farb- und ideenlos. Dies wird durch das nett gemeinte, als Outro dienende Streicherensemble im letzten Drittel des Songs meiner Meinung nach untermauert.

Periphery drehen dann aber nochmals auf und geben Sentient Glow in feinster Djent und Metalcore Manier zum Besten. Sollte man sich jetzt schon zu einem Fazit hinreißen lassen, so steht dieser Song in vielfacher Hinsicht für das, was Periphery über das ganze Album hinweg zelebriert haben. Sie hüpfen vom Prog Metal zum Djent und immer wieder auch in den Metalcore, dies allerdings spielend leicht. Satellites geht dabei in keine andere Richtung, besticht durch mehr an Melodie, setzt aber leider keine wirklich neuartigen Reize.

Periphery – Hail Stan
Fazit
Ob nun Prog Metal, Djent oder Metalcore, das erscheint mir am Ende nicht kriegsentscheidend. Was Periphery allerdings hier musikalisch abliefern, darf sich mit Genregrößen durchaus messen lassen. Selbst dann, wenn Hits ausbleiben. Es ist beeindruckend, mit welcher Leichtigkeit solch komplexe Songstrukturen handwerklich ungesetzt werden können. An Abwechslung mangelt es beileibe nicht, aber genau diese Tatsache wird dafür sorgen, dass sich hier die Spreu vom Weizen trennt. Dieses Album ist ohne Zweifel hochwertig, auch im Bereich des Gesamtmix, aber garantiert nichts für einfach strukturiertere Gemüter. Zudem gehe ich davon aus, dass es Periphery primär auch gar nicht darum geht, jeden Hörer anzusprechen, eher sich selbst musikalisch zu verwirklichen und Spaß dabei zu empfinden. Und das merkt und hört man den Herren deutlich an. Abschließend, so kann ich sagen, sind die heutigen Periphery reifer und eigenwilliger als 2012, letztlich wird meine Reise mit Periphery nun weitergehen. Danke!

Anspieltipps: Reptile, Garden In The Bones und It's Only Smiles
Peter H.
8.9
Leser Bewertung4 Bewertungen
9
Pro
Contra
8.9
Punkte