pg.lost – Oscillate

Für ruhige Stunden in der dunklen Jahreszeit

Artist: pg.lost

Herkunft: Norrköping, Schweden

Album: Oscillate

Spiellänge: 56:40 Minuten

Genre: Post Rock

Release: 20.11.2020

Label: Pelagic Records

Link: https://www.facebook.com/pglost

Bandmitglieder:

Gitarre – Mattias Bhatt
Gitarre und Keyboard – Gustav Almberg
Bassgitarre und Keyboard – Kristian Karlsson
Schlagzeug – Martin Hjertstedt

Tracklist:

  1. Oscillate
  2. E22
  3. Mindtrip
  4. Shelter
  5. Suffering
  6. Waves
  7. Eraser
  8. The Headless Man

Wenn ich mich auf den verschiedenen Post Rock-Shows, die ich in den letzten Jahren hier in der Gegend besucht habe, mit den Bands über ihre musikalischen Einflüsse unterhalten habe, fiel schon sehr oft der Name pg.lost. Auf dem dicht besiedelten musikalischen Kontinent des Post Rock sind die aber bislang tatsächlich mehr oder weniger ungehört an mir vorbeigegangen. Dabei gibt es die schwedische Band doch schon seit dem Jahr 2004. In unveränderter (!!) Besetzung haben sie seitdem fünf Studioalben, ein Split- und ein Livealbum veröffentlicht. Mit ihrem sechsten Studioalbum Oscillate, das am 20.11. über Pelagic Records an den Start geht, lerne ich sie nun also kennen.

Mit dem Titeltrack geht es los, und irgendwie haben es pg.lost geschafft, nicht nur diesem, sondern auch jedem anderen Song den passenden Namen zu geben. Das stelle ich mir für Instrumentaltracks ungleich schwieriger vor, als für Songs mit Gesang. Zunächst lassen pg.lost in Oscillate über eine Minute vergehen, die gefüllt ist mit einem Dauerton vom Keyboard und Gitarrentönen, die hier und da immer mal wieder aus dem Hintergrund treten. Das Keyboard mit seinem repetitiven Spiel behält zunächst auch weiterhin die tragende Rolle, bevor nach ungefähr drei Minuten auch die restlichen Instrumente einsetzen und die Gitarren das Keyboard-Motiv begleiten. Dann trennen sich die Wege, und pg.lost erschaffen etwas, das ich eigentlich nur als großen Klangkosmos beschreiben kann. Nach Quartett klingt das definitiv nicht, die Töne scheinen von überall her zu kommen, Spannung baut sich auf, alles scheint auf den großen Kulminationspunkt hinzulaufen. Der Aufstieg wird aber abrupt abgebrochen, Oscillate endet mit einem ruhigen Keyboardspiel.

Ich habe E22 mal bei Google eingegeben und dabei witzigerweise überwiegend Ergebnisse zur gleichnamigen Fehlermeldung bei diversen Geschirrspülmaschinen erhalten. Das werden pg.lost sicherlich nicht im Kopf gehabt haben, als sie diesen stellenweise fast schon tanzbaren Song schrieben. Aber Mindtrip mit so etwas wie einem Main Theme, das pg.lost an den Anfang und ans Ende gesetzt haben, öffnet tatsächlich das Kopfkino und lädt dazu ein, die Gedanken auf Wanderschaft zu schicken. Auch bei Shelter schaffen es pg.lost, ein sich ständig wiederholendes Spiel, sei es des Keyboards oder der Drums, mit so vielen unterschiedlichen Layern einzuhüllen, dass kein Gedanke an Monotonie aufkommen kann. Man muss dieses Album wohl sehr oft hören, um zumindest ansatzweise die verschiedenen Feinheiten zu entdecken, die sich manchmal dem Hörer zu entziehen scheinen.

Suffering kommt so daher, wie man es vom Songtitel vermuten könnte, nämlich sehr getragen, mit einem pulsierenden Keyboard im Hintergrund, das abgelöst wird von einem sehr traurig klingenden Klavierspiel und einem präsenten Bass. Nicht erst bei Waves, aber hier ganz besonders, fällt mir das großartige Schlagzeugspiel von Martin auf, der hier in Kombination mit dem pulsierenden Keyboard vor meinem geistigen Auge das Bild von seicht an das Ufer plätschernden Wellen entstehen lässt. Und wie Bedrich Smetana in Die Moldau schaffen es auch pg.lost, dass aus der kleinen Quelle ein breiter Fluss wird.

Mit den beiden letzten Songs knacken pg.lost dann auch die Acht-Minuten-Marke. Hatte ich eben schon das Schlagzeugspiel von Martin erwähnt, muss sein Name bei Eraser dann besonders hervorgehoben werden. Was der im Hintergrund dieses leicht spacig klingenden Uptempo-Tracks abliefert, ist großartig. Und wer beim sich ständig wiederholenden Gitarrenspiel in der zweiten Songhälfte nicht ins Headbangen gerät, hatte wohl vorher schon Nackenprobleme. Wie dieses Gitarrenspiel mit einer Schicht nach der anderen umhüllt wird, um alles auf’s große Finale hinzusteuern, ist sehr gelungen.

Ebenfalls sehr gelungen ist der letzte Song des Albums, The Headless Man. Ein wenig Doom zu Beginn mit einem schweren Gitarrenakkord, nur begleitet von einem sich ständig wiederholenden Keyboardton. Das klingt fast wie die Begleitmusik für den Weg des Delinquenten zum Schafott. Beim folgenden Zusammenspiel der wunderbar sehnsuchtsvoll klingenden Gitarre mit dem Bass kriege ich dann tatsächlich eine Gänsepelle. Wie sich der Song dann zu seiner ganzen Epik entwickelt, ist im wahrsten Sinne des Wortes ein großes Finale.

pg.lost – Oscillate
Fazit
Ich habe bislang nur zwei Post Rock-Bands live erlebt, die ein oder mehrere Keyboards im Einsatz haben, nämlich Tides From Nebula und Spoiwo. Aber bei pg.lost nehmen die Keyboards keine untergeordnete oder begleitende, sondern eine eigenständige und immer sehr präsente Stellung in den Songs ein. Das war für mich zunächst ungewohnt, aber das verschafft den Songs natürlich zum einen eine extreme Weite und auch eine zusätzliche musikalische Schicht, die den anderen Instrumenten immer zugutekommt. Mir persönlich ist das Album insgesamt zu ruhig, das spricht aber definitiv nicht gegen dessen Qualität.

Anspieltipps: Oscillate, Eraser und The Headless Man
Heike L.
8.5
Leser Bewertung2 Bewertungen
9.9
8.5
Punkte