Quelle: Charles Verlag

Potsch Potschka – Da Fliegt Mir Doch Das Blech Weg

Von Nina Hagen über Extrabreit zu Nena - ein Blick hinter die Kulissen der damaligen Musikszene

Buchtitel: Da Fliegt Mir Doch Das Blech Weg – Lokomotive Kreuzberg, Nina Hagen Band, Spliff, Weltmusik

Sprache: Deutsch

Seitenanzahl: 242 Seiten

Genre: Punk, Deutschrock, Weltmusik

Release: 20. April 2022

Autor: Potsch Potschka, Klaus Marschall

Verlag: Charles Verlag

Buchform: Softcover, 13,6 x 1,9 x 21.5 cm

Preis: 18,00 €, ebook 12,99 €

ISBN-13: 978-3-948-48662-4

Quelle: Charles Verlag
Potsch Potschka, gebürtiger Würzburger als Bernhard Potschka, ist dem allgemeinen Publikum als Gitarrist von Spliff bekannt. Da war aber noch viel mehr.
Genau darum geht es in seiner Biografie.
Mit klassischer Musik aufgewachsen, erlernte ursprünglich Klavier und Cello. Erst später entdeckte er die Gitarre durch das Hören von Piratensendern für sich. Als Einundzwanzigjähriger wurde er in seiner neuen Heimat Berlin 1973 Mitglied der Politrockband Lokomotive Kreuzberg. Vier Jahre später löste sich die Gruppe auf. Zusammen mit den Bandmitgliedern Herwig Mitteregger und Manfred Praeker wurde mit einem Keyboarder und einer Sängerin aus dem Osten, Reinhold Heil und Nina Hagen, eine neue Band gegründet. Als Nina Hagen Band erlangten sie den Durchbruch. Die beiden Alben Nina Hagen Band und UnbeHagen sind unvergessen. 1980 erfolgte der Bruch mit Nina Hagen. Die Band jedoch blieb zusammen und nannte sich fortan Spliff. Da Fliegt Mir Doch Das Blech Weg und Carbonara sind Titel, die noch heute die Jugend fehlerfrei mitsingen kann. Aber auch diese Erfolgsband bestand nur fünf Jahre. Potschka zieht es nach Spanien. Die Formation Froon, die er zusammen mit Reinhold Heil, Manfred Praeker und Lyndon Connah 1987 gründete, bestand auch nur zwei Jahre und hatte mit Bobby Mugabe nur einen kleineren Hit. In Spanien spielte er mit dem Sänger Michael Ernst-Pörksen Rock und im Duo Gitarra-Pura Flamenco-Musik.
Seit 1989 ist Bernhard PotschPotschka wieder zurück. In seinem eigenen Berliner Studio arbeitete er als Produzent und Gitarrist für verschiedene Bands und veröffentlichte diverse Alben. Das Jahr 2004 entwickelt sich dann wieder in die Richtung Spliff. Zusammen mit Manfred Praeker, dem Manager Andy Eder sowie Ron Spielman, Peter StahlBenny Greb und Minas Suluyan gründeten sie eine neue Band. Als Bock auf Spliff spielten sie das alte Programm neu ein.
2022 feiert Potsch Potschka zahlreiche Jubiläen. Er selbst wird 70 Jahre alt, die Gründung von Lokomotive Kreuzberg jährt sich zum 50. Mal, die der Nina Hagen Band zum 45. Die Spliff-Erfolgsalben 85555 und Herzlichen Glückwunsch werden 40. Aber auch neuere Projekte feiern Jubiläum. Das Duo-Projekt Potschka/Perxon feiert seinen 30. Geburtstag,
seine Solo-Alben Journey und Samah werden 25 und 20 und sein DVD-Projekt Spliff – Live at Rockpalast wird 10. Grund genug, seine Geschichte in einer Biografie nieder zu schreiben.
Der Ausnahmemusiker Potschka erfindet sich immer wieder neu. Freiwillig oder unfreiwillig. Die Geschehnisse der damaligen Musikszene beleuchtet er in seiner Biografie, die von Klaus Marschall aufgezeichnet wurde, am Rande mit. Nicht das er abschweift, er lebt mitten drin. Klaus Marschall übrigens entwickelt sich zum Spezialisten derartiger Biografien. Auch Franz Trojan von der Spider Murphy Band, Moderator Peter Illmann und Peter Behrens von Trio griffen schon auf seine Erfahrung zurück. In lockerem Stil liest man die Details seines oben beschriebenen bekannten Werdegangs. Aufgelockert mit Anekdoten seiner Touren, aber auch tiefe Einblicke in das Privatleben des Ausnahmemusikers fesseln einen sofort. Mit acht Geschwistern, dem frühen Tod seines Vaters und der musikalischen Bindung in der katholischen Familie in Würzburg beginnt die Biografie. Die musikalischen Entwicklungen in einer Coverband bis Lokomotive Kreuzberg, dem Sprungbrett in die Bekanntheit, die Umstände der Zeit mit Nina Hagen, von dem selbst ich als damaliger Fan nichts geahnt hatte, und die Weiterführung als Spliff fesseln den Leser, auch wenn man damals nicht so viel mit der Musik zu tun hatte oder sie erst später kennengelernt hat. Was hatte ihre Mutter Eva-Maria Hagen und dessen Lebensgefährte Wolf Biermann mit dem Geschehen um die Band zu tun? Wie wurden die Alben aufgenommen? Welches Equipment wurde verwendet? Bernhard Potsch Potschka lässt kein Detail aus. Verbindungen in die DDR-Musik ergeben sich in Berlin zum Beispiel zu Klaus Renft und bleiben nicht unerwähnt. Was hat die zweite Spliff-Scheibe 1982 mit einem Erfolgsalbum von der britischen Progressive-Rockband Yes zu tun? Die Neue Deutsche Welle spült auch die New Wave Bands mit deutschen Texten wie eben Spliff oder Ideal nach oben. Vieles erkenne ich wieder. Schließlich war ich damals Jugendlicher und in diese Musikrichtung verliebt. Noch heute sind Konzerte von der Nina Hagen Band, Spliff oder das Levis Rock Festival zusammen mit u. a. Extrabreit, Gesprächsthemen. Noch immer drehen die Vinyls von damals seine Runden auf meiner Anlage. Umso interessanter ist dann der Werdegang nach dem Zerfall der Band und die Umsiedlung nach Andalusien. Ein neues Leben im privaten Kreis, das aber nie die Musik außer Acht lässt. So dann auch die Rückkehr nach Berlin und das heutige Leben. Nach Flamenco und Weltmusik betreibt er heute neben seinem Wohnhaus ein Studio.
Ich bin begeistert von der Biografie, da sie genau die Musik beschreibt, die ich damals gehört habe. Ich bin begeistert von dieser Biografie, da Ereignisse beschrieben werden, die man als damaliger Musikfan nicht mitbekommen konnte. Einblicke hinter das Geschehen der damaligen Szene, mitsamt derer Verflechtungen; gelegentlich aufgelockert mit Fotos und Bildern von Jim Rakete oder Autogrammkarten aus der damaligen Zeit.
Potsch Potschka – Da Fliegt Mir Doch Das Blech Weg
Fazit
Eine musikalische Zeitreise durch die deutschsprachige Musik der Endsiebziger und Achtzigerjahre. Ungeahnte Verbindungen zwischen Musikern, geahnte menschliche Abwege und Bestätigung, dass man mit Vorlieben nicht alleine ist. Das Buch bietet alles, was ich mir von einer Biografie erwartet habe. Sicher hätte es noch etwas präziser sein können, noch ein paar Seiten mehr sein dürfen, aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Drei Nachmittage kurzweilige Unterhaltung mit dem Fazit: wieder was dazu gelernt. Tipps zum Soundtrack während des Lesens: Nina Hagen Band und Unbehagen, 85555 und der Sampler Levis Rock Festival drehten sich neben den Rockpalast-Aufzeichnungen der Nina Hagen Band aus 1978 sowie Spliff 1982 in Dauerschleife.
Norbert C.
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