Rhapsody: 20 Jahre Dawn Of Victory – „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past

The artist formerly known as Rhapsody

Wir befinden uns seit 20 Jahren in einem neuen Jahrtausend. Das legendäre Jahr hat nicht nur kalendarisch eine große Einwirkung auf uns gehabt, sondern ist das Geburtsjahr so manches Metalklassikers. In den 12 Monaten dieses Jahres wollen wir euch daher jeden Monat Alben in einer kleinen Kolumne zurück in eure Ohren bringen. Dabei wurde das Augenmerk nicht nur auf die Großen des Genres geworfen. Ein Kriterium unserer „On Tour“ Today With Music From The Past Reihe ist, dass die Formation in diesem Jahr auch live unterwegs ist. Nun gibt es aber leider Corona. Von den ganzen geplanten Festivals und Touren ist nichts mehr von da. Aber: Die Band bzw. die Musiker, welche für die damaligen Bands aktiv waren, könnten ja bald wieder auf Tour gehen. So gibt es eine kleine Änderung in unserer Kolumne. Statt „On Tour“ heißt es nun eben „Could Be On Tour“.

Rhapsody Of Fire – Z7, Pratteln 2019

Im folgenden Teil geht es um eine Band aus dem italienischen Triest, die das Metaluniversum seit Ende der Neunzigerjahre in zwei Hälften spaltet. Hier gibt es nur lieben oder hassen. Die Rede ist von Rhapsody, die mit ihrem dritten Album ein eigenes Genre manifestierten – Symphonic Epic Hollywood Metal. Dawn Of Victory erschien im Oktober 2000.

Anno 2000 begab ich mich im Alter von 16 Jahren auf den Pfad zurück zum Metal. Nach musikalisch verlorenen Jahren mit Auswüchsen wie Eurodance oder Bravo Hits, musste der richtige Sound wieder her. Nachdem ich schon als kleines Kind mit Rock und Metal aufgewachsen bin, bedurfte es nur des richtigen Auslösers, um mich wieder voll auf „meine“ Musikrichtung zu konzentrieren. Die Kohlen der Neuen Deutschen Härte kochten noch heiß, aber außer Rammstein gab es nichts, was mich aus den Socken hauen konnte. Nu Metal war angesagt und mein Hang zu Rap und Hip-Hop sprach durchaus für diese Musikrichtung. Als maximal partytauglich eingestuft, blieb auch vom Nu Metal nichts für die Ewigkeit. Mein erstes selbst gekauftes Album als Kind war Walls Of Jericho von Helloween, so ein Sound musste sich doch wieder auftreiben lassen. Doch Helloween entwickelten sich mittlerweile in eine düstere Richtung. Blind Guardian und Gamma Ray hallten Jahre zuvor schon durch mein Zimmer, jedoch hatten beide Bands nichts Aktuelles auf dem Markt. Da konnte nur noch der Zufall helfen, also ab in den Dorfladen und mein monatliches Metalmagazin gekauft. Auf der CD-Beilage befand sich der Song, der mich endgültig wieder auf den Pfad des Metal brachte – Dawn Of Victory! Power und Symphonic Metal begleitete mich fortan und ich höre diese Genres auch heute noch gerne. Bevor ich euch meine Gedanken zum Album mitteile, gibt es eine Reise durch die Geschichte der Band.

Im Jahr 1993 gründeten Luca Turilli (Gitarre), Alex Staropoli (Keyboard) und Daniele Carbonera (Drums) die Band Thundercross. Zunächst übernahm Luca Turilli auch den Gesang. Ein Jahr später komplettierten Andrea Furlan am Bass und Christiano Adacher am Mikro das Line-Up. In dieser Besetzung nahm die Band aus dem italienischen Triest das Demo Land Of Immortals auf. Mit dieser Aufnahme konnte sich die Band einen Plattenvertrag bei LMP sichern und änderte ihren Bandnamen in Rhapsody um. Noch bevor es an die Aufnahmen zum ersten Album ging, wurden zwei Posten neu besetzt. Ab sofort waren Fabio Lione (Gesang) und Alessandro Lotta (Bass) an Bord.

Bis zum Debütalbum Legendary Tales im Jahr 1997 feilte die Band an ihrem eigenen Stil. Das Album überzeugte bereits durch epische Klanggebilde mit orchestralen Parts und italienischem Power Metal der Marke Labyrinth, bei denen auch schon Sänger Fabio Lione aktiv war. Mit Warrior Of Ice und Land Of Immortals schafften es auch zwei Songs des Demos auf das starke Debüt der Italiener. Mit einem halben Orchester im Gepäck enterten Rhapsody die magischen Hallen des Wolfsburger Gate Studios, in denen auch schon andere Power Metal Klassiker veredelt wurden. Die Zusammenarbeit mit den beiden Produzenten Sascha Paeth und Miro sollte auch noch einige Jahre andauern. Das Album war gleichzeitig der Startschuss zu der von Luca Turilli erdachten Emerald Sword Saga. Die Saga zog sich auch durch die folgenden vier Alben. Turilli betrachtet seine Geschichte nicht als Fantasy, sondern als eine Art parallele Realität. Thema ist der ewige Kampf zwischen den Mächten des Himmels und der Hölle. Die Story um den Eiskrieger (Warrior Of Ice) und das Smaragdschwert (Emerald Sword) wird erzählt vom Zauberer Aresius. Nachzulesen gibt es die Geschichte in den Booklets der jeweiligen Alben, zusammengefasst bei Wikipedia und in diversen Fan-Wikis.

Bereits ein Jahr später veröffentlichen Rhapsody das von Kritikern gefeierte zweite Werk Symphony Of Enchanted Lands. Wer jetzt dachte, dass die Band auch nur eine Schwertbreite von ihrem Kurs abweicht, der sah sich getäuscht. Das Motto lautete: Mehr von allem! Mehr Bombast, mehr Chöre, mehr Kitsch. Getragen von Cembalo, Flöten und Violinen, triefte die Vorliebe Turillis für klassische Musik und Filmsoundtracks aus allen Poren. Das Ganze gipfelte in epischen Meisterwerken wie Emerald Sword oder Eternal Glory. Das Fanherz tanzte mit Elfen und Kobolden im Kreis, während der puristische Metalfan kotzend in der Ecke stand.

Wiederum zwei Jahre später gab es dann meine erste Berührung mit der Band aus dem Metalwunderland Italien. Wie oben bereits erwähnt, diente der Titelsong als Initialzündung. Das Album musste her. Allein das Cover mit einem Krieger in der Schlacht und dem obligatorischen Drachen war schon ein Kaufgrund. Dann noch der Aufkleber, der verkündete: Symphonic Epic Hollywood Metal, with their 3rd album Rhapsody will triumph over all!“ – schon gut, ist gekauft. Eingespielt wurde das Album in der folgenden Besetzung: Fabio Lione (Gesang), Luca Turilli (Gitarre), Alex Staropoli (Keyboard), Alessandro Lotta (Bass) und Thunderforce (Drums). Für mich sind dieses Album und dieses Line-Up bis heute unerreicht. Es gab einige Diskussionen, ob Thunderforce ein Drumcomputer war, das wurde von der Band stets dementiert. Vermutlich handelt es sich um einen Drummer, der aus vertraglichen Verpflichtungen nicht genannt werden durfte. Für diese Kolumne stellte ich erst kürzlich eine Anfrage an Alex Holzwarth, der im offiziellen Line-Up als Drummer aufgeführt wurde. Doch auch er kann (oder darf) nach 20 Jahren kein Licht ins Dunkel bringen. So hat das Album immerhin auch etwas Geheimnisvolles. Unterstützt wurde die Band wieder von diversen klassischen Instrumentalisten. Darüber hinaus gab es, wie auch schon auf dem Vorgängeralbum, u. a. die deutsche Barocksängerin Constanze Backes und den Helmstedter Kammerchor zu hören. Nach den ausladenden Arrangements der ersten beiden Outputs gestalteten die Herren Turilli und Staropoli die Songs etwas eingängiger und livetauglicher. Auch der Härtegrad nahm deutlich zu, was das Album von seinen Vorgängern unterscheidet, ohne die lieb gewonnenen Trademarks zu vernachlässigen.

Dawn Of Victory Tracklist:

  1. Lux Triumphans
  2. Dawn Of Victory
  3. Triumph For My Magic Steel
  4. The Village Of Dwarves
  5. Dargor, Shadowlord Of The Black Mountain
  6. The Bloody Rage Of The Titans
  7. Holy Thunderforce
  8. Trolls In The Dark
  9. The Last Winged Unicorn
  10. The Mighty Ride Of The Firelord

„At the court of king Chaos only blood can write its own tragedy …“, diese Worte aus dem Intro Lux Triumphans haben sich für immer in meine Hirnwindungen gefräst, genauso wie sämtliche Refrains dieses Meisterwerks. Ich muss zugeben, dass man die im Booklet vorhandenen Songtexte dafür braucht. Obwohl Fabio Lione ein brillanter Sänger ist, macht es sein italienischer Akzent zeitweise unmöglich, den Text zu verstehen. Die abgedruckte Karte im Stile von Mittelerde (perfekt für einen großen Herr der Ringe Fan wie mich), Rüschenhemden und die akkurat frisierten Dauerwellen der Bandmitglieder auf den Promofotos inklusive Schwert in der Hand – alles kitschiger Charme, der dieses Album für mich umso liebenswerter macht. Größtenteils in Hochgeschwindigkeit frickelt sich die Band durch die zehn Songs. Einzige Ausnahmen bilden die folkig angehauchten Midtempo-Nummern The Village Of Dwarves (ich sehe auch hier Szenen aus HdR vor meinem geistigen Auge) und The Bloody Rage Of The Titans, sowie das leider überflüssige Instrumental Trolls In The Dark. Die wahnwitzigen Gitarrenläufe von Luca Turilli, die nicht minder anspruchsvollen Keyboards von Alex Staropoli und die mächtigen Chöre bleiben für mich bis heute unerreicht. Als Anspieltipps und Highlights möchte ich den Titeltrack und das aggressive Holy Thunderforce noch einmal besonders hervorheben. Auf der Bonusedition des Albums befindet sich u. a. auch eine Coverversion des Helloween Songs Guardians, somit schließt sich der Kreis zu meinem ersten Metalalbum Walls Of Jericho. Dem Beispiel von Rhapsody gefolgt, schossen in den folgenden Jahren unzählige italienische Power Metal Bands aus dem Boden.

Rhapsody Of Fire – Z7, Pratteln 2019

Wie ging es mit Rhapsody weiter?

Nun, die komplette Geschichte der Italiener aufzuarbeiten, würde den Rahmen unserer Music From The Past Reihe sprengen. Deshalb gibt es an dieser Stelle einige wichtige Ereignisse in der Karriere der Band:

2004: Auf ihrem Album Symphony Of Enchanted Lands II begann die The Dark Secret Saga als Fortsetzung der Emerald Sword Saga. Als Erzähler fungierte hier und auf den folgenden Alben der legendäre Schauspieler Christopher Lee.

2006: Da die Band nun immer größer wurde, gab es eine Beschwerde vom Inhaber des Markennamens Rhapsody. Turilli und Staropoli investierten viel Geld aus eigener Tasche, um den Namen und das Logo zumindest teilweise weiter nutzen zu können. Fortan hieß die Band Rhapsody Of Fire.

2007: Die Band stand im Rechtsstreit mit ihrem Management und wurde zwei Jahre auf Eis gelegt. Ende 2009 kündigten Rhapsody Of Fire ihre Rückkehr beim neuen Label Nuclear Blast an.

2011: Die Band gab überraschend ihre freundschaftliche Aufspaltung bekannt. Als mittlerweile einziges verbliebenes Gründungsmitglied machte Staropoli mit Lione als Sänger unter dem Namen Rhapsody Of Fire weiter, während Turilli unter dem Banner Luca Turilli’s Rhapsody mit neuer Mannschaft fungierte. Es folgten zahlreiche Alben unter verschiedenen Namen des Rhapsody Stammbaums (siehe unten).

2017: Es gab eine kurzzeitige Live-Reunion zum 20-jährigen Bandjubiläum. Das Line-Up umfasste die von 2004 bis 2011 aktive Besetzung: Turilli, Lione, Holzwarth, Patrice Guers und Dominique Leurquin. Gründungsmitglied Staropoli blieb dieser Teil-Reunion fern.

2020: Ende dieses Jahres wären theoretisch auch Rhapsody Of Fire auf Tour. Da auch diese Auftritte der aktuellen Situation zum Opfer fallen werden, kündigte die Band auf Facebook an, die Termine zu verschieben. Genaue Daten bekommt ihr rechtzeitig in den Time For Metal News.

Auszug der Alben aus dem Rhapsody Multiversum:

Rhapsody:

  • Legendary Tales (1997)
  • Symphony Of Enchanted Lands (1998)
  • Dawn Of Victory (2000)
  • Rain Of A Thousand Flames (2001)
  • Power Of The Dragonflame (2002)
  • Tales From The Emerald Sword Saga – Best-of (2004)
  • The Dark Secret – EP (2004)
  • Symphony Of Enchanted Lands II – The Dark Secret (2004)
  • Live In Canada 2005: The Dark Secret (2006)

Rhapsody Of Fire:

  • Triumph Or Agony (2006)
  • The Frozen Tears Of Angels (2010)
  • The Cold Embrace Of Fear – A Dark Romantic Symphony – EP (2010)
  • From Chaos To Eternity (2011)
  • Live – From Chaos To Eternity (2013)
  • Dark Wings Of Steel (2013)
  • Into The Legend (2016)
  • Legendary Years – Best-of (2017)
  • The Eighth Mountain (2019)

Luca Turillis’s Rhapsody:

  • Ascending To Infinity (2012)
  • Prometheus – Symphonia Ignis Divinus (2015)

Turilli / Lione Rhapsody:

  • Zero Gravity (Rebirth And Evolution) (2019)

Die weiteren Ausgaben der kleinen Serie:

Lest hier auch die Januar-Ausgabe unserer „On Tour“ Today With Music From The Past Reihe: Hammerfall: 20 Jahre Renegade

Hier kommt ihr zur Februar-Ausgabe unserer „On Tour“ Today With Music From The Past Reihe: Destruction: 20 Jahre All Hell Breaks Loose

Klick hier für die März-Ausgabe unserer „On Tour“ Today With Music From The Past Reihe: Papa Roach: 20 Jahre Infest

In der April-Ausgabe gab es in der „On Tour“ Today With Music From The Past Reihe: The Offspring: 20 Jahre Conspiracy Of One

Schaut euch auch die Mai-Ausgabe der „On Tour“ Today With Music From The Past Reihe an: Iron Maiden: 20 Jahre Brave New World

In der zweiten Mai-Ausgabe wurden Stratovarius mit „Could Be On Tour Today With Music From The Past” und Infinite vorgestellt

Für die Juni-Ausgabe, hatten wir uns Virgin Steele mit „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past und The House Of Atreus Act II  vorgenommen.

Hier kommt ihr zur ersten Juli-Ausgabe unserer „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past Reihe: Limp Bizkit: 20 Jahre Chocolate Starfish And The Hot Dog Flavored Water

Die zweite Juli-Ausgabe von „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past beschäftigt sich mit Linkin Park und Hybrid Theory

In der August-Ausgabe gab es eine Doppelpack in einer Story von „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past, es geht um zwei Bands aus Göteborg, Haven von Dark Tranquillity und Clayman von In Flames

In der Oktober-Ausgabe von „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past geht es um die Mitbegründer des Progressive Metal, Fates Warning und ihr Werk Disconnected

In der ersten November-Ausgabe von „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past widmen wir uns den Dänen Pretty Maids und ihrem Album Carpe Diem.

Im dritten Teil unserer November-Ausgabe unserer „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past Reihe wird das Album Verlierer Sehen Anders Aus der Düsseldorfer Punkrocker Broilers beleuchtet.