Wir befinden uns seit 20 Jahren in einem neuen Jahrtausend. Das legendäre Jahr hat nicht nur kalendarisch eine große Einwirkung auf uns gehabt, sondern ist das Geburtsjahr so manches Metalklassikers. In den 12 Monaten dieses Jahres wollen wir euch daher jeden Monat Alben in einer kleinen Kolumne zurück in eure Ohren bringen. Dabei wurde das Augenmerk nicht nur auf die Großen des Genres geworfen. Ein Kriterium unserer „On Tour“ Today With Music From The Past Reihe ist, dass die Formation in diesem Jahr auch live unterwegs ist. Nun gibt es aber leider Corona. Von den ganzen geplanten Festivals und Touren ist nichts mehr von da. Aber: Die Band bzw. die Musiker, welche für die damaligen Bands aktiv waren, könnten ja bald wieder auf Tour gehen. So gibt es eine kleine Änderung in unserer Kolumne. Statt „On Tour“ heißt es nun eben „Could Be On Tour“. Im folgenden Teil geht es um den Göteborg Metal und zwei Bands, die gerade in der Anfangszeit sehr miteinander verbunden waren. In Flames und Dark Tranquillity veröffentlichten im Juli 2000 Clayman bzw. Haven.
Die Einleitung zu dem kleinen Rückblick kommt von Mikael Stanne zum 30. Geburtstag von Dark Tranquillity im Dezember letzten Jahres:

Der eine Anders damals war Anders Fridén, der zweite Anders Mikael Jivarp. Die beiden Sänger von In Flames und Dark Tanquillity starteten quasi gemeinsam in jungen Jahren ihre musikalische Laufbahn.
Dark Tranqullity waren also als Erstes am Start, allerdings unter dem Namen Septic Broiler und musikalisch nicht so, wie man die Band jetzt kennt. In der Jugend war man deutlich ungestümer und ballerte Thrash auf zwei Demo Kassetten. 1991 erfolgte die Umbenennung in Dark Tranquillity und mit dem neuen Namen änderte sich auch der Musikstil. Trail Of Life Decayed war die erste Demo (natürlich als Kassette) und es ging vom Thrash nun zum Death Metal. Es folgten erste Konzerte mit At The Gates und Dissection.
In Flames war die Idee von Jesper Strömblad. Seine bisherige Death Metal Band Ceremonial Oath, wo er gemeinsam mit u.a. Oscar Dronjak und Anders Iwers aktiv war, passte ihm musikalisch nicht mehr. Er wollte melodischere Sachen schreiben. Mit dem Gitarristen Glenn Ljungström und dem Bassisten Johan Larsson wurde gestartet. Was fehlte, war ein Sänger. Jesper rief den befreundeten Mikael Stanne an (damals an der Gitarre) ob er nicht aushelfen könne, und so entstand der Erstling Lunar Strain, welcher im April 1994 veröffentlicht wurde. Auf der nachfolgenden EP hatten In Flames den nächsten Sänger, hier sind Henke Forss und Johan Larsson für die Backing Vocals zu vernehmen.
Dark Tranquillity waren auch nicht untätig. Im Mai und Juni 1993 wurde Skydancer aufgenommen und im August 1993 veröffentlicht. Sänger hier Anders Fridén. Anders hatte jedoch eine andere Auffassung von Musik und verließ die Truppe. Mikael Stanne übergab die Gitarre an Frederik Johansson und schnappte sich fortan das Mikrofon.
Nun kommen so langsam auch Hammerfall ins Geschäft. 1993 waren Oscar Dronjak (u.a. bei Crystal Age) und Jesper Strömblad der Meinung, melodischen Metal zu produzieren. Als Sänger wurde zunächst Mikael Stanne geholt, der allerdings während des Nachwuchswettbewerbs Rockslaget 1996 von Joacim Cans ersetzt wurde. Jesper selbst bearbeitete die Felle bei Hammerfall und ist dort auch auf dem Erstling Glory To The Brave 1997 zu hören. Danach endete das Engagement von Jesper bei Hammerfall und er konzentrierte sich auf andere Projekte, allen voran seiner Band In Flames.

Dark Tranquillity warfen im November 1997 den Zweitling The Gallery auf den Markt, erst mal mit Mikael Stanne als Sänger. Es folgt mit nun stabilerer Bandbesetzung The Mind’s I im April 1997. Mit den beiden Werken erarbeiten sich die Herren einen sicheren Platz im melodischen Todesblei, den der Nachfolger Projector im Endeffekt untermauerte, auch wenn die Scheibe anders ist als ihr Vorgänger. Im August 1999 gab es neben dem gutturalen Gesang nun auch Klargesang von Mikael zu hören. Klanglich hielt des Keyboard Einzug in den Sound der Band. Die Nummer Thereln dürfte allgemein bekannt sein und zählt auch heute noch zu meinen Favoriten, wobei ich die gesamte Scheibe eigentlich ziemlich gut finde.
In Flames veröffentlichen am 28.08.2020 zu Clayman eine Geburtstagsedition, welche wir hier im Detail vorstellen und natürlich auch das ursprüngliche Werk aus dem Jahr 2000 würdigen.
Haven erschien am 25.07.2000 via Century Media und der Keyboarder Martin Brändström ist nun permanentes Bandmitglied. Dazu kam für den Bass Michael Nicklasson und ersetzte Martin Henriksson. Die Texte stammen wiederum allesamt aus der Feder von Mikael, der in Haven seine persönlichen Zufluchtsorte wie Wohnung und Proberaum musikalisch bearbeitet. Aufgenommen wurde die Scheibe zwischen März und April 2000 im Studio Fredman in Göteborg, produziert von der Band und Frederik Nordström, das Mastering erledigte Göran Finnberg.
Die Titel auf dem Teil:
- The Wonders At Your Feet
- Not Built To Last
- Indifferent Suns
- Feast Of Burden
- Haven
- The Same
- Fabric
- Ego Drama
- Rundown
- Emptier Still
- At Loss For Words
Dark Tranquillity entdeckten damals die Möglichkeiten, einer CD mehr als nur Töne mitzugeben, und so ist ein Videoclip von UnDo Control (von Projector) auf der europäischen Version zu finden. Der Einsteiger The Wonders At Your Feet dürfte einer der bekannteren Tracks der Herren sein, Mikael bohrt sich mit Dampf und Melodie in das Gehör der Zuhörer. Meines Erachtens nach wie vor ein Weltklasse-Song, der ja auch gerne live performt wird. Not Built To Last, Indifferent Suns oder Feast Of Burden sind Songs die Power haben, klar nach vorne gehen und zeigen, dass Stanne und Co. ihren Weg gehen und Nu Metal nichts für die Truppe ist. Der Titeltrack zeigt Stanne mit viel Gefühl, einem intensiven Refrain und einer Struktur, die etwas an Misery’s Crown erinnert, welcher allerdings erst sieben Jahre später veröffentlicht wurde. The Same könnte mit Klargesang auch aus der Feder von Hansi Kürsch kommen, symphonische Elemente werden integriert. Auch Fabric erhielt einen symphonischen Part, Ego Drama und Rundown drücken das Gaspedal wieder deutlich mehr durch. Emptier Still liefert auch wieder Klargesang und elektronische Elemente, also Dinge, die auf späteren Werken der Band zu klassischen Trademarks wurden. At Loss For Words ist ein Song, den ich persönlich sehr stark finde. Er baut sich sehr schön auf, bringt Emotionen ins Spiel und hat einen starken Drive.

Haven ist nicht der Bandklassiker von DT, aber Werk Nummer fünf stellte viele Weichen und zeigte einen weiteren Entwicklungsschritt.
Was kam nach den 2000er Werken?
In Flames entwickelten sich Step by Step in Richtung einer Modern Metal Band und haben mit dem eigentlichen Melodic Death Metal nichts mehr zu tun. Natürlich gab es noch einige gute Werke, Reroute To Remain mit Sachen wie Cloud Connected oder Trigger z.B., aber spätestens mit dem Ausstieg von Jesper Strömblad 2010 setzte der Sinkflug stark ein. Niclas Engelin übernahm die Gitarre, Daniel Svensson verließ die Drums 2015, Peter Iwers den Bass 2017. Niclas Engelin ist offiziell noch Bandmitglied, tourt aber nicht mit In Flames, sondern mit seiner eignen Band. Ich verließ die Band mit Battles 2016. In I, The Mask habe ich einmal reingehört und das war voll und ganz ausreichend. Man ist nun ja quasi als Gelotte & Fridén unter den Namen In Flames unterwegs und füllt die restlichen Positionen einfach auf. Der Fokus liegt auf Modern Metal und die Vermarktung in den USA. Selbst live gebe ich mir den Haufen nicht mehr. In Flames sind für mich seit ein paar Jahren mehr oder weniger Geschichte, da sie meinen Geschmacksnerv nicht mehr treffen.
Eine völlig andere Richtung haben Stanne und seine Truppe genommen. 2002 gab es mit Damage Done einen absoluten Bandklassiker. Nummern wie The Treason Wall, Final Resistance und auch Demage Done gehören nach wie vor zum Repertoire der Band auf vielen Livekonzerten. Character mit Lost To Apathy 2005 und natürlich Fiction 2007, der Bandklassiker schlechthin, gehören eigentlich in jede gute Melodic Death Metal Sammlung. Das letzte Langeisen war Atoma aus dem Jahre 2016 und leider ändert sich die Bandbesetzung gerade recht stark. Niklas Sundin, einer der Gründer von DT, verkündete Anfang des Jahres seinen endgültigen Abschied. Neu dabei sind für die Saiten Christopher Amott (ex. Arch Enemy) und Johan Reinholdz (ex. Andromeda). Beide waren aber bereits auf Tour mit Stanne & Co., da Niklas Sundin seit einiger Zeit quasi so gut wie keine Livekonzerte mehr spielte. Man arbeitet an einem neuen Album, welches 2021 auf dem Markt gebracht werden soll. Wir sind gespannt!
Die weiteren Ausgaben der kleinen Serie:
Lest hier auch die Januar-Ausgabe unserer „On Tour“ Today With Music From The Past Reihe: Hammerfall: 20 Jahre Renegade
Hier kommt ihr zur Februar-Ausgabe unserer „On Tour“ Today With Music From The Past Reihe: Destruction: 20 Jahre All Hell Breaks Loose
Klick hier für die März-Ausgabe unserer „On Tour“ Today With Music From The Past Reihe: Papa Roach: 20 Jahre Infest
In der April-Ausgabe gab es in der „On Tour“ Today With Music From The Past Reihe: The Offspring: 20 Jahre Conspiracy Of One
Schaut euch auch die Mai-Ausgabe der „On Tour“ Today With Music From The Past Reihe an: Iron Maiden: 20 Jahre Brave New World
Für die Juni-Ausgabe, hatten wir uns Virgin Steele mit „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past und The House Of Atreus Act II vorgenommen.
Hier kommt ihr zur ersten Juli-Ausgabe unserer „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past Reihe: Limp Bizkit: 20 Jahre Chocolate Starfish And The Hot Dog Flavored Water
Die zweite Juli-Ausgabe von „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past beschäftigt sich mit Linkin Park und Hybrid Theory
In der Oktober-Ausgabe von „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past geht es um die Mitbegründer des Progressive Metal, Fates Warning und ihr Werk Disconnected
In der ersten November-Ausgabe von „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past widmen wir uns den Dänen Pretty Maids und ihrem Album Carpe Diem.
Hier kommt ihr zur zweiten November-Ausgabe unserer „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past Reihe: Rhapsody: 20 Jahre Dawn Of Victory
Im dritten Teil unserer November-Ausgabe unserer „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past Reihe wird das Album Verlierer Sehen Anders Aus der Düsseldorfer Punkrocker Broilers beleuchtet.


