Broilers: 20 Jahre Verlierer Sehen Anders Aus – „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past

In Düsseldorf ist musikalisch nicht nur tote Hose

Wir befinden uns seit 20 Jahren in einem neuen Jahrtausend. Das legendäre Jahr hat nicht nur kalendarisch eine große Einwirkung auf uns gehabt, sondern ist das Geburtsjahr so manches Metalklassikers. In den 12 Monaten dieses Jahres wollen wir euch daher jeden Monat Alben in einer kleinen Kolumne zurück in eure Ohren bringen. Dabei wurde das Augenmerk nicht nur auf die Großen des Genres geworfen. Ein Kriterium unserer „On Tour“ Today With Music From The Past Reihe ist, dass die Formation in diesem Jahr auch live unterwegs ist. Nun gibt es aber leider Corona. Von den ganzen geplanten Festivals und Touren ist nichts mehr von da. Aber: Die Band bzw. die Musiker, welche für die damaligen Bands aktiv waren, könnten ja bald wieder auf Tour gehen. So gibt es eine kleine Änderung in unserer Kolumne. Statt „On Tour“ heißt es nun eben „Could Be On Tour“. Im folgenden Teil geht es um Oi, Punk und Ska, was das Markenzeichen der Anfänge von den Broilers war. Ende des Jahres 2000 konnte man Verlierer Sehen Anders Aus der damalig fast noch unbekannten Band hören. Bis zum endgültigen Release dauerte es dann noch bis April 2001.

Die Wurzeln der Broilers gehen weit zurück in die 90er. Sammy Amara, aufgewachsen im südlichen Düsseldorfer Stadtteil Hellerhof als Sohn eines aus dem Irak migrierten Arztes, lernte Andi Brügge auf dem Gymnasium Koblenzer Straße in jungen Jahren kennen. Seine ersten Gehversuche an der Gitarre startete Sammy mit elf Jahren. Zu den beiden gesellte sich ab 1995 Ines Maybaum, welche ebenfalls das gleiche Gymnasium besuchte. Weitere Bandmitglieder der Anfangszeit waren Pascal Goßen (1994–1998) und Michael Menke (1998–2001) an der Gitarre. Ursprünglich war man als Punkbund unterwegs, nahm aber auch Einflüsse aus Ska und Rockabilly mit auf und bezog textlich klare Kante gegen Faschismus und Antisemitismus. Bei dem Namen Broilers ging es vor allem um das Oi, um hier einen klaren Bezug zur traditionellen, antirassistischen Skinhead- sowie Rudeboy-Szene herzustellen. Der erste Output erschien 1996 mit einer EP, welche drei Tracks beinhaltete. Die Nummern haben allesamt einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. Es handelt sich um Weg Von Den Straßen, Blume und Paul Der Hooligan. Wer das Ding als Hardware @ home hat, besitzt ein absolutes Sammlerobjekt, welches mit deutlich über 100 € gehandelt wird. Den ersten Longplayer gab es 1997 mit dem Namen Fackeln Im Sturm… Arme Lichter Im Wind. Blaue Auster oder In 80 Tagen Um die Welt dürften ebenfalls vielen Menschen in den Ohren haften geblieben sein. Der Nachfolger Verlierer Sehen Anders Aus wurde mehrfach veröffentlicht. Sammy hatte immer die Idee, möglichst unabhängig von Labels zu agieren. Napster war für eine recht unbekannte Band eine weitere neue Plattform der damaligen Zeit. DSS Records legte die Scheibe in Österreich auf und das Teil gab es nur als Mailorder oder halt auf Konzerten. In den Plattenläden stand das Langeisen erst im April 2001.

Tracklist:

  1. Küss Meinen Ring
  2. Laster Und Sünde   
  3. 69 77 88        
  4. Du Und Dein Elend 
  5. Verlierer Sehen Anders Aus          
  6. Dumm Und Glücklich        
  7. Deine Stadt  
  8. König Des Viertels  
  9. Donner Und Blitzen
  10. Gestern Erst
  11. Nicht Unsere Wege 
  12. So Ist Halt Die Welt
  13. Sag Die Wahrheit    
  14. Das Letzte    
  15. Verlierer Sehen Anders Aus II

69 77 88 zeigt die textliche Ausrichtung der Broilers vor ca. 20 Jahren. Mit Textzeilen wie „Vorwärts und nicht vergessen oder vom Reich besessen“ werden Extreme thematisiert, wo man sowohl rote als auch braune Spinner ablehnt. Der Titeltrack beschäftigt sich mit übermäßigem Alkoholgenuss und ist alles andere als die typischen „heute Saufen wir bis zum Augenstillstand“ Lieder anderer Bands mit deutschen Texten. Dumm Und Glücklich dürfte wohl der bekannteste Track auf dem Werk sein und befindet sich nach wie vor auf den Setlisten der Konzerte. Sammy bezieht den Text vor allem auf sich selbst und die Band. In einem Interview sagt Sammy, dass es ihm schwerfalle, über fröhliche Themen zu schreiben, weshalb die meisten Songs eine auch pathetische, emotionale Stimmung haben. Seiner Meinung nach müssen sich Künstler positionieren. Er schreibe neue Songs vorwiegend, während er schlecht gelaunt sei. Zudem sagte er, dass er während des Schreibens neuer Songs, ebenso wie bei seinen Grafikarbeiten, keinen Alkohol konsumiere.

Vor 20 Jahren hörten sich die Broilers völlig anders an als jetzt. Eine Mischung zwischen Oi, Punk und Ska, weit entfernt von radiokompatiblen Sachen, welche man in den letzten Jahren produzierte. Auch von den Instrumenten wirkt das Album an der einen oder anderen Stelle noch nicht ganz ausgereift. Passend zu der Musik ist das Aussehen des Quartetts. Das war das typische Redskins Bild, welches man aus der Punkszene zur Jahrtausendwende kannte.

Broilers @ Vainstream 2017

Was gab es in den letzten 20 Jahren von den Broilers? Eigentlich waren die Broilers im Jahr 2000 bzw. 2001 maximal eine Szeneband und weit entfernt von dem Status, den die Truppe mittlerweile erreicht hat. Lofi 2004 war der nächste Output. Es klang immer noch nach Oi und Punk, aber es gelang erstmalig der Sprung in die deutschen Albumcharts. Eine Nation mit dem Refrain „Eine Nation verliert ihr lächeln“ dürfte wohl einer der bekanntesten Songs auf dem Longplayer sein. Der Sound wurde spätestens mit Vanitas massenkompatibler. Das Keyboard, welches Christian Kubczak bedient, hielt Einzug. Zurück Zum Beton ist seit vielen Jahren der Opener für jedes Konzert. Held In Unserer Mitte oder Ruby Light And Dark sind Bandklassiker. Der Übersong der Broilers ist tatsächlich bereits 13 Jahre alt. „Meine Sache, Mein Problem, ich werd nicht untergehen und statt der weißen Fahne werdet ihr meinen Mittelfinger sehen“ kann ein jeder mitsingen, der die Broilers kennt. Thematisch bleibt Sammy aber seinen Ursprüngen treu. Klare Kante gegen rechts und gesellschaftskritisch ist man auch auf Vanitas. Platz sieben in den deutschen Vinylcharts und der endgültige Durchbruch für die Düsseldorfer Band war der Lohn für diesen Output. Gemeinsame Auftritte mit den Toten Hosen steigerten den Bekanntheitsgrad weiter. Santa Muerte 2011 war das erste Nummer eins Albums der Broilers. Harter Weg, Tanzt Du Noch Einmal Mit Mir oder 33 Rpm, eine Hommage an die Musik, sind natürlich auch sehr gute Tracks, aber die Hitdichte von der Vanitas wurde m.E. nicht ganz erreicht. Vom Scheitern ist für mich die Nummer mit dem größten Humor. Hier wird eine Sendereihe über deutsche Aussteiger ironisch aufs Korn genommen. Drei Jahre später gab es Noir. Der eingeschlagene, eher am Mainstream orientierte Sound ist geblieben. Die Tracks sind rund und eingängig, allerdings mit einem ordentlichen Text versehen, welcher halt nicht nur von den berühmten drei Themen handeln. Nur Nach Vorne Gehen, Ist Da Jemand oder das Ska angehauchte Wo Es Hingeht sind auf vielen Konzerten des Quintetts zu hören. Ich Will Hier Nicht Sein greift das Thema Flüchtlinge auf und deren Sichtweise auf das Leben in einem fremden Land. Der letzte Output kam 2017 in die Läden und nennt sich (sic!).

Broilers @ Vainstream 2017

Die Themen auf dem Langeisen sind vielfältig – mit z.B. Ihr Da Oben gedenkt man Menschen, von denen man sich auf seinem bisherigen Lebensweg verabschieden musste. Keine Hymen Heute ist als Video sehr zu empfehlen und sollte gerade in der aktuellen Zeit in Erinnerung rufen, was passiert, wenn die Kultur das Land verlässt (Klick). Nur Ein Land thematisiert Fahnenwahn und die Frage, warum Menschen sich einer Nation mehr verpflichtet oder zugehörig fühlen als zu anderen Menschen oder Familien. Aber auch alltägliche Dinge haben die Broilers auf die Platte gepackt. Es geht um Beziehungsglück, woraus das Bittere Manifest entstanden ist. 2020 sollte eigentlich ein neues Werk erscheinen und ein Broilers Open Air stattfinden. Dass es anders gekommen ist, weiß jeder. Nun ist das Open Air für 2021 geplant und wie wahrscheinlich ein Open Air mit ein paar Tausend Zuschauern in sechs oder sieben Monaten ist, kann sich ebenfalls jeder selbst ausrechnen. Aber evtl. gibt es ja dann ein neues Studioalbum und ein Sitzplatz Open Air? Dritte Wahl ist als Opener für Rostock im August 21 bereits bekannt gegeben worden und die Truppe aus Rostock spielte bereits dieses Jahr Sitzplatzkonzerte.

Die weiteren Ausgaben der kleinen Serie:

Lest hier auch die Januar-Ausgabe unserer „On Tour“ Today With Music From The Past Reihe: Hammerfall: 20 Jahre Renegade

Hier kommt ihr zur Februar-Ausgabe unserer „On Tour“ Today With Music From The Past Reihe: Destruction: 20 Jahre All Hell Breaks Loose

Klick hier für die März-Ausgabe unserer „On Tour“ Today With Music From The Past Reihe: Papa Roach: 20 Jahre Infest

In der April-Ausgabe gab es in der „On Tour“ Today With Music From The Past Reihe: The Offspring: 20 Jahre Conspiracy Of One

Schaut euch auch die Mai-Ausgabe der „On Tour“ Today With Music From The Past Reihe an: Iron Maiden: 20 Jahre Brave New World

In der zweiten Mai-Ausgabe wurden Stratovarius mit „Could Be On Tour Today With Music From The Past” und Infinite vorgestellt

Für die Juni-Ausgabe, hatten wir uns Virgin Steele mit „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past und The House Of Atreus Act II  vorgenommen.

Hier kommt ihr zur ersten Juli-Ausgabe unserer „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past Reihe: Limp Bizkit: 20 Jahre Chocolate Starfish And The Hot Dog Flavored Water

Die zweite Juli-Ausgabe von „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past beschäftigt sich mit Linkin Park und Hybrid Theory

In der August-Ausgabe gab es eine Doppelpack in einer Story von „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past, es geht um zwei Bands aus Göteborg, Haven von Dark Tranquillity und Clayman von In Flames

In der Oktober-Ausgabe von „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past geht es um die Mitbegründer des Progressive Metal, Fates Warning und ihr Werk Disconnected

In der ersten November-Ausgabe von „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past widmen wir uns den Dänen Pretty Maids und ihrem Album Carpe Diem.

Hier kommt ihr zur zweiten November-Ausgabe unserer „Could Be On Tour“ Today With Music From The Past Reihe: Rhapsody: 20 Jahre Dawn Of Victory