Tiny Moving Parts (Support: Orchards) am 18. April im MTC, Köln

“Prototyp Basement-Gig“

Headliner: Tiny Moving Parts

Vorband(s): Orchards

Ort: MTC, Köln

Datum: 18. April 2018

Kosten: 16,80€ im Vorverkauf, Ausverkauft

Genre: Indie, Post-Hardcore

Besucher: ca. 300 Besucher

Veranstalter: Prime Entertainmaint/Wizard Promotions

Link: Facebook

Setlist:

Tiny Moving Parts

  1. Applause
  2. Headache
  3. Sundress
  4. Feel Alive
  5. Stay Warm
  6. Common Cold
  7. Warm Hand Splash
  8. Always Focused
  9. Happy Birthday
  10. Smooth It Out
  11. Birdhouse
  12. Dakota
  13. Caution
  14. Clouds Above My Head

Schlanke 26°C zeigt das Thermometer an diesem sonnigen Apriltag in Köln. Wer das MTC kennt, weiß schon, welch schweißgetränkte Atmosphäre ihn erwartet. Als wenn das nicht schon genug wäre, ist die Show von Tiny Moving Parts bereits seit einiger Zeit ausverkauft. Der Gig startet verhältnismäßig spät – 20 Uhr Einlass, 21 Uhr Support. Diesen geben die Briten von den Orchards. Ganz gemütlich füllt sich der Laden erst kurz vor Beginn der Show. Als die drei Jungs und Sängerin Lucy Evers die Bühne betreten ist das MTC gut gefüllt, aber einige Ticketinhaber scheinen sich noch nicht eingefunden zu haben.

Orchards – 18. April 2018 – MTC, Köln – www.quintenquist.com

Ein Blick auf das Pedalboard des Gitarristen lässt erahnen, was die Zuschauer bei den Orchards erwartet. Als die ersten Töne erklingen scheinen viele der Anwesenden positiv überrascht. Die Band spielt groovigen, poppigen Indie-Rock/Pop mit einer gesunden Portion Funk. Die freudige Stimmung der Songs gepaart mir den sympathischen Ansagen und der charismatischen Art der Bandmitglieder sorgen sofort für eine tolle Atmosphäre. Auch musikalisch wissen die vier Briten zu überzeugen, im Publikum wird das mit jeder Menge Bewegung und Kopfnicken attestiert. Für die Orchards ist es die erste Show auf deutschem Territorium, nervös wirken die Musiker aber keineswegs. Die neuerliche Erfahrung verarbeiten sie vor Allem in Form von Dankbarkeit und mit einem breiten Grinsen. Auch wenn die Sängerin bei so mancher Publikumsinteraktion zwei Mal bitten muss, um die gewünschte Reaktion zu erhalten, scheint die Band selbst von der regen Beteiligung erstaunt.

Orchards – 18. April 2018 – MTC, Köln – www.quintenquist.com

Fachlich zeichnen sich die Orchards vor Allemdurch die brillante Vocal-Performance von Mrs. Evers und Bassist Dan Fane aus. Gitarrist Sam Rushton vermag es dank unzähliger Effekte wie Delay, Reverb oder Harmonizer auch als einzige Gitarre ein unglaublich volles und breites Klangbild zu erschaffen und Schlagzeuger Will Lee-Lewis liefert zusammen mit dem Bass das passende rhythmische Gerüst. Ein großes Kompliment verdient sich allerdings der Mann an der Gitarre. Dank der einwandfreien Bedienung seiner Effekte, die selbstverständlich vor jedem Song per Hand kurz angepasst werden, vermag er sein eher minimalistisches Gitarrenspiel viel ausgefallener klingen zu lassen, als es eigentlich ist. Das gelingt ihm mit einer solchen Präzision, dass jede Wiederholung des Delays sich auf die Millisekunde genau in den Takt einfügt. Fehlende In-Ears schließen einen Click-Track aus, also: Hut ab. Ähnlich bewundernswert ist der absolut sichere und wackel-freie Gesang von Sängerin Lucy, die den nicht gerade einfachen Rahmenbedingungen zum Trotz viele Zuschauer vom Hocker haut. Großes Lob für einen so überzeugenden Support-Act, der nicht nur als Anheizer hergehalten hat, sondern mit seinen Songs sicher auch ein paar neue Fans gewinnen konnte.

Tiny Moving Parts – 18. April 2018 – MTC, Köln – www.quintenquist.com

Dank der überschaubaren Produktion in einem kleinen Club, hält sich auch die Umbauzeit vor Tiny Moving Parts in Grenzen. Kurz das Backdrop aufgehängt, Instrumente ausgetauscht und schon kann es losgehen. Der Zuschauerraum ist mittlerweile bis auf den letzten Platz gefüllt und die Temperaturen steigen. Was allerdings passiert als die Männer um Sänger, Frontmann und Gitarrist Dylan Mattheisen auf die Bretter treten, übersteigt die Erwartungen der ahnungslosen Zuschauer um ein Vielfaches. Nach einem kurzen ‚Hello we’re Tiny Moving Parts, thank you for coming out‘ stimmt Mattheisen die aktuelle Single Applause aus dem neusten Album Swell (2018) an. Scheinbar kennen 80% der Besucher den Text in und auswendig und entgegnen dem Sänger mit überwältigender Lautstärke. Danach verwandelt sich das MTC in einen einzigen Pit, der vielleicht nicht die Härte einer Hardcore-Show aufweist, sich in Sachen Intensität aber vor wenigen anderen Bands verstecken muss. Hier bleibt kein Shirt trocken, kein Fuß steht still und die zahlreichen Crowdsurfer – die bedingt durch die Deckenhöhe von ca. drei Metern oft mit eben dieser und der Beleuchtung in Kontakt kommen – erinnern stark an die schlecht gefilmten Mitschnitte der verrückten Basement-Shows aus den ersten Tagen großer Bands, die man sonst sonst nur im Nachhinein auf YouTube bewundern kann. Auch die Band scheint überwältigt, wenn auch nicht sonderlich überrascht. Mr. Mattheisen, der schon genug Freude beim Singen und Gitarre spielen versprüht, wirkt nochmal drei Stufen fröhlicher und wird dadurch, durch die knappen, aber glaubwürdigen Ansagen und sein herzliches Erscheinungsbild zu einem der sympathischsten Menschen, die einem seit langem begegnet sind. Außerdem ist er mit hoher Wahrscheinlichkeit der Mensch im MTC, der sich heute Abend am meisten bewegt. Leider gehen vor lauter Energie der etwas ruhige und zurückhaltende Bassist und zweite Sänger Matthew Chevalier und sein Bruder, der Drummer Billy Chevalier – übrigens im waschechten 80er Jahre Pornodarsteller-Outfit: Pilotenbrille, Hawaii-Hemd und ein mächtiger Schnauzer – etwas unter. Das tut der Stimmung keinen Abbruch, das Publikum hängt dem Sänger jedenfalls das ganze Konzert über an den Lippen und an der Lautstärke der mitgesungenen Parts ändert sich im Laufe des Abends nichts mehr. Bei einigen Textstellen wird die PA gekonnt übertönt. Nach gut einer Stunde und zwanzig Minuten ist die Band auch schon am Ende des Sets angekommen, schafft es allerdings noch eine geplante und eine – verglichen mit den anderen Set-Listen der Tour – überraschende Zugabe zu geben.

Tiny Moving Parts – 18. April 2018 – MTC, Köln – www.quintenquist.com

Tiny Moving Parts haben es geschafft ihren Songs live eine unglaubliche Energie einzuhauchen. Die Songs fühlen sich live schneller, energiegeladener und härter an und werden durch die wahnsinnige Publikumsbeteiligung zu einem echten Erlebnis – damit war für niemanden zu rechnen, der die Jungs bisher nur von der Platte kannte. Dem Energiebündel an den Vocals, der in voller Bewegung zusätzlich zum Gesang die wildesten, getappten Riffs zum Besten gibt, gilt es tiefsten Respekt zu zollen.
Großes Kompliment auch an die Orchards, die ihr erfrischendes, kreatives Material gekonnt und herzlich präsentierten und dadurch trotz musikalischer Differenzen zum Headliner ein grandioser Opener waren.

Vielen Dank an www.quintenquist.com für die Fotos. Gerne vorbeischauen und jede Menge Content rund um das Thema Musik genießen.