Crystal Ball – 2020

Best-Of-Scheibe mit Mehrwert

Artist: Crystal Ball

Herkunft: Luzern, Schweiz

Album: 2020

Spiellänge: 81:10 Minuten

Genre: Hardrock, Melodic Metal

Release: 02.08.2019

Label: Massacre Records

Link: https://www.crystal-ball.ch/de/band/

Bandmitglieder:

Gesang – Steven Mageney
Gitarre – Scott Leach
Gitarre – Tony T.C. Castell
Bass – Cris Stone
Schlagzeug – Marcel Sardella

Tracklist:

CD 1:
01. HELLvetia
02. Moondance
03. Soul Mate
04. Lay Down The Law
05. He Came To Change The World
06. Dance With The Devil
07. Mozart Symphony
08. My Life
09. Am I Free
10. Forever And Eternally

CD 2:
11. Paradise
12. Mayday!
13. Alive For Evermore
14. Hold Your Flag
15. Eye To Eye
16. Suspended
17. Déjà-Voodoo
18. Anyone Can Be A Hero
19. Curtain Call
20. Director`s Cut

Seit mittlerweile zwanzig Jahren sind die Schweizer von Crystal Ball nun schon aktiv und dieses Bandjubiläum wird aktuell mit der Doppel-Best-Of-Scheibe 2020 gefeiert. Nun habe ich zu solchen Zusammenstellungen meist ein etwas zwiespältiges Verhältnis, denn im Normalfall werden für diese Compilations die besten Songs einer Band lieblos zusammengestellt, auf ein Album gepackt und unters Volk geworfen und schon ist die Gelddruck-Maschinerie erst einmal wieder in Gang gesetzt. Ob das wirklich Sinn macht, völlig egal. Im Normalfall sind diese Best-Of-Silberlinge nur für Neueinsteiger interessant, die die Band XY gerade erst für sich entdecken und sich einen Gesamtüberblick verschaffen wollen. Für Fans dieser Band XY ist das meist aber völlig sinnfrei und ohne Mehrwert, da man die Alben eh im Schrank stehen hat. Manchmal wird noch ein neuer, oder bis dato unveröffentlichter Song als kleines Leckerli dazugepackt, damit die Scheibe auch für die alteingesessenen Fans interessant ist und auch diese noch einmal zuschlagen und Geld in die Kasse spülen. Oft haben die Bands dabei nicht einmal ihre Finger im Spiel, sondern es geht von den Labels aus, die auch den letzten Cent aus den Fans rauspressen wollen und den Hals nicht voll genug bekommen.

Dass es auch ganz anders geht, beweisen uns nun die Schweizer um Frontmann Steven Mageney. Die Hardrocker aus Luzern haben zwar auch die besten Songs ausgegraben und haben auf 2020 keinen neuen, oder unveröffentlichten Song als Leckerli zugefügt, und doch ist der Doppel-Dreher kein lahmes Biest im klassischen Sinne. Thematisch hat man hier in zwei Kategorien unterschieden und auf zwei CDs aufgeteilt, doch keine Angst, das obligatorische sortieren nach Rocksongs und Balladen überlässt man dann doch den eidgenössischen Kollegen. Herz-Schmerz-Fetzen waren eh noch nie das Ding der Herren aus Luzern und so befindet sich keine einzige Ballade auf der vorliegenden Compilation. Auf CD 1 werden uns die zehn beliebtesten Songs aus der sechs Alben umfassenden ersten Band-Dekade, also aus der Ära vor Steven Mageney präsentiert, die allesamt neu arrangiert und aufgenommen wurden. Und tatsächlich hat es jedes dieser Alben mit mindestens einer Nummer auf die Jubiläumsscheibe geschafft. Auf CD 2 wird die aktuelle Dekade mit den zehn beliebtesten Songs berücksichtigt, wobei auch hier einige der Nummern neue Arrangements bekamen und neu eingespielt wurden, oder aber die Songs mit zusätzlichen Aufnahmen aufgewertet wurden. Auch hier wurde wieder jede der vier Scheiben dieser Periode berücksichtigt. Die Arbeitstiere unter den Hardrockern, die sowieso schon regelmäßig neues Material auf den Markt werfen, haben es sich also nicht leicht gemacht und wollen das Band-Jubiläum gebührend feiern. In den letzten zwanzig Jahren hat man ganze zehn Longplayer angehäuft, sodass massig geeignetes Material zur Verfügung stand. Doch die Melodic-Rocker mussten sich letztendlich für zwanzig Songs entscheiden, was sicherlich keine ganz leichte Aufgabe gewesen ist, da es innerhalb der Band bestimmt auch unterschiedliche Meinungen darüber gegeben hat, welche Tracks denn nun unbedingt berücksichtigt werden müssen. So wurde der geneigte Hörer mit in die Songauswahl einbezogen, denn diese wurde durch Befragungen in Fan-Kreisen und Streaming-Analysen ermittelt. Solch ein Best-Of-Sampler kann also durchaus Sinn machen, wenn man denn nur will und nicht nur auf die schnelle Kohle aus ist.

Mit dem Klassiker und wohl größten Hit der Schweizer, HELLvetia, aus der gleichnamigen Scheibe aus 2003, hat man einen super Einstieg gefunden. Der Melodic-Stampfer vereint eben alle Trademarks der Band, klare, eingängige Melodien, drückende Riffs, ein griffiger Chorus und pumpender Rhythmus. Glücklicherweise hat man das idyllische Intro beibehalten, das uns die fröhliche, heile Welt vorgaukelt und bei dem hier der Jodelklub Echo Vom Glauberg zum Einsatz kommt. Aber nix heile Welt, denn dann gibt es ordentlich auf die Glocke und dieser alte Song eignet sich im neuen Gewand hervorragend dafür, dem Hörer zu präsentieren, dass man doch im Laufe der Jahre um ein gutes Stück heavier geworden ist. Das neue Gewand steht dem Song bestens und doch wird das Original nicht aus den Augen gelassen. Und natürlich kann man solch ein rundes Bandjubiläum nicht ohne den einen oder anderen Gastauftritt feiern und so wird die Akustik-Klampfe in HELLvetia von niemand geringerem als Ex-Accept, Ex-U.D.O.-Gitarrist Stefan Kaufmann gespielt, der übrigens auch für die Produktion, das Mastering und den Mix verantwortlich ist. Zu dem Song gibt es auch ein Video, das man unbedingt gesehen haben sollte. Dort lernt man dann auch Heidi und weitere Protagonisten aus dem Film Mad Heidi kennen, welcher von Tero Kaukomaa produziert wurde, der zuvor auch schon Iron Sky auf die Leinwände brachte. Aber Achtung, das Video ist nichts für zartbesaitete Gemüter und wurde aufgrund einiger Szenen mit einer Altersbegrenzung versehen!

[youtube]PHVutKXmiVA[/youtube]

 

Dass die Songs neu aufgenommen wurden, merkt man z.B. auch daran, dass die Laufzeiten zwischen Originalversion und Neuauflage etwas variieren, so auch bei Moondance. Auch hier kommt wieder Stefan Kaufmann ins Spiel, der das Outro-Gitarrensolo zugesteuert hat. Die Neuaufnahmen machen durchaus Sinn, denn erstmals erhält man Songs aus der Mark Sweeney-Ära vom aktuellen Frontman und Sänger Steven Mageney dargeboten. Sehr schön auch, dass man vom Debüt die damals unverzichtbare Live-Perle Lay Down The Law berücksichtigt hat, die viele neuere Fans vielleicht schon gar nicht mehr kennen. Auf der ersten Scheibe sticht vor allem noch das epische He Came To Change The World vom metallischten Crystal Ball-Album Timewalker aus 2005 hervor. Der frische Sound steht der Nummer ausgesprochen gut. Einer der ungewöhnlichsten Songs der gesamten Karriere ist wohl Mozart Symphony und der ganz eigene Sound wird auch in der Neuinterpretation angestrebt. Der Refrain wirkt nun etwas gebremster als im Original und der Druck fehlt ein wenig, doch das Piano mündet nach wie vor in die Gitarrenwand und ist einfach geil. Bei Am I Free variieren dann wieder die Laufzeiten gegenüber dem Original. Dachte man, Crystal Ball hätten schon auf Timewalker und Virtual Empire ihr Pulver verschossen und das Maximum rausgeholt, so muss man sich nun eines Besseren belehren lassen. Die Frischzellenkur hat den Nummern definitiv gutgetan und sie dröhnen nun noch um einiges wuchtiger aus den Boxen. Auch bei Forever And Eternally hat man entsprechend zugelegt und das Ganze mit fetterem Backgroundgesang versehen und hat so den Zeitgeist entsprechend eingefangen.

Auch auf CD 2 hat man ein wenig Hand angelegt, obwohl die Songs noch gar nicht so viele Jahre auf dem Buckel haben. Auch hier hat man alle Scheiben bedacht, auch wenn das Hauptaugenmerk nicht ganz unberechtigt auf Liferider liegt. Die größte Verjüngungskur erfährt hier Eye To Eye von eben diesem Output, denn niemand geringere als Noora Louhimo von den finnischen Battle Beast darf hier als Gastsängerin ran. Produzent Stefan Kaufman darf bei dem schweren, modernen Bluestouch von Déjà-Voodoo noch mal ran und die Akustik-Klampfe zusteuern. Songs wie Paradise, das flotte Alive For Evermore, Suspented oder das fanfarenhafte Hold Your Flag machen immer noch Spaß und werden für entspannte Gesichtszüge bei allen Liebhabern melodischer Rockklänge sorgen.

Crystal Ball – 2020
Fazit
Crystal Ball haben sich mit dieser Retrospektive viel Arbeit gemacht und so geht 2020 weit über eine gewöhnliche Best-Of-Zusammenstellung hinaus. Alleine das verdient eine gewisse Anerkennung, denn es geht auch ganz anders, wie viele Kollegen in der Vergangenheit bewiesen haben. Neulinge bekommen hier einen guten Überblick über die gesamten 20 Jahre, aber auch Fans von Shakra, Gotthard, Axxis und Pretty Maids und Liebhaber von Melodic Hardrock / Metal kommen hier auf ihre Kosten. Sämtliche Songs klingen nun so, als kämen sie aus der gleichen Songwriting-Phase, was leider eine gewisse Homogenität mit sich bringt. Auch wenn einigen Songs die Frischzellenkur gutgetan hat, wird sich meine ganz persönliche Einstellung zu Best-Of-Scheiben nicht wesentlich ändern. Letztendlich muss jeder für sich selbst entscheiden, ob die Welt solche Werke dringend braucht.

Anspieltipps: HELLvetia, Eye To Eye und Lay Down The Law
Andreas F.
6
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8.5
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Contra
6
Punkte