Amber Asylum – Sin Eater

„Jenseits aller Grenzen!“

Artist: Amber Asylum

Herkunft: Portland, Oregon, USA

Album: Sin Eater

Spiellänge: 62:41 Minuten

Genre: Chamberdoom, Post­Rock

Release: 04.12.2015

Label: Prophecy Productions

Link: http://www.amberasylum.com

Bandmitglieder:

Keyboard, Geige und Gesang – Kris Force
Bassgitarre – Fern Lee Alberts
Schlagzeug und Gesang – Becky Hawk
Bratsche – Sarah Rosalena Brady
Cello – Jackie Perez Gratz

Tracklist:

1. Prelude
2. Perfect Calm
3. Beast Star
4. TOT
5. Harvester
6. Paean
7. Executioner
8. Sin Eater

Amber Asylum - Sin Eater

Eigentlich gibt es in der Popkultur keine Grenzen, die man noch überschreiten kann, um damit für Aufsehen zu sorgen. Alles wurde schon mal gemacht, die Entwicklung der erfindenden Kultur hat ihren Zenit erreicht und seit einiger Zeit sind alle kulturschaffenden zu Bricoleuren geworden – Individuen, die sich selbst, ihre Umwelt und ihre Erzeugnisse aus der breiten Palette bereits bestehender Kulturgüter bunt zusammensetzen.

Doch dies ist überhaupt kein Grund zur Resignation oder zur Glorifizierung der Vergangenheit: Die Ergebnisse dieser „Sandbox­Kultur“ überraschen immer wieder und ermöglichen immer wieder neue Blickwinkel auf die Welt, die Gesellschaft und uns selbst. Denn diese Rekontextualisierung bekannter Inhalte stößt immer wieder an – provoziert immer wieder neu, ohne dabei auf eine „Neuschöpfung“ angewiesen zu sein.

Eine derartige Überraschung erfuhr ich unlängst, als ich das zum ersten Mal Sin Eater von Amber Asylum hörte: Dieser Stilmix aus Kammermusik, Doom (den die Band selbst so augenzwinkernd und doch treffend Chamberdoom[1] nennt) und sphärischen Elektroklängen nahm mich sofort gefangen und stillte eine Sehnsucht, von der mir nie bewusst war, dass ich sie hatte. Nahtlos fügt sich das Streichertrio in den scheppernden und tonnenschweren Bandsound. Die ätherischen Stimmen von Mastermind Kris Force und Trommelschwergewicht Becky Hawk locken sirenenartig in die fremden Welten, die Amber Asylum erschaffen.

Ungleich vielseitig gehen sie dabei zu Werke. Kein Song ähnelt dem Anderen, stets werden unterschiedliche Ansätze weitergedacht, werden bekannte Ideen neu kombiniert und betont. Wird man zu Beginn noch mit eher konventionellen Sounds und Songstrukturen konfrontiert – wie zum Beispiel in Perfect Calm ­ kann man noch nicht absehen, dass am Ende der Reise düster verzerrte Klänge und schwere Synthesizer solche abscheulichen Schönheiten wie den Titeltrack Sin Eater gebären werden.

Wie in den obigen Ausführungen bereits deutlich wird, profitiert Sin Eater von einer glasklaren Produktion, die auch in den dichtesten Gemengelagen immer deutlich verfolgen lässt, welches Instrument welche Rolle spielt. Von charmanten Hallfahnen verzaubert schweben so die Stimme der Sänger oder die Violine über dem Fundament von Bass, Cello und Schlagzeug. Bratsche und Synthies dicken die Mitten an und verschmelzen bisweilen zu einer einzigen, im Hinterkopf dämmernden Ahnung.

[1] Wie schön eigentlich, wenn Musiker sich selbst eine passende Schublade zimmern, anstatt sich nur über die leidlich überforderten Journalisten beschweren, die sie ja doch immer falsch „einsortieren“.

Fazit: Eingangs hieß es, dass eigentlich keine Grenzen mehr überschritten werden könnten. Das widerlegen Amber Asylum auch überhaupt nicht, sie interessieren sich aber auch überhaupt nicht dafür: Mit Geige in der linken und Synthie in der rechten Hand locken sie den Hörer zu einem spielerischen Tanz durch ferne – mal düstere, mal bezaubernd schöne – Welten jenseits aller Grenzen.

Anspieltipps: Perfect Calm, Harvester, Sin Eater
Sören R.
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