Cradle Of Filth – Existence Is Futile

Die britischen Höllenfürsten sitzen fest auf ihrem Thron

Artist: Cradle Of Filth

Herkunft: Suffolk, England

Album: Existence Is Futile

Spiellänge: 70:23 Minuten

Genre: Symphonic Black Metal, Dark Metal

Release: 22.10.2021

Label: Nuclear Blast Records

Link: https://www.facebook.com/cradleoffilth

Bandmitglieder:

Gesang – Dani Filth
Gitarre – Richard Shaw
Gitarre – Ashok
Bassgitarre – Daniel Firth
Keyboard, Leier, Orchestrierung und Gesang – Anabelle
Schlagzeug – Martin ‘Marthus’ Skaroupka

Tracklist:

  1. The Fate Of The World On Our Shoulders
  2. Existential Terror
  3. Necromantic Fantasies
  4. Crawling King Chaos
  5. Here Comes A Candle… (Infernal Lullaby)
  6. Black Smoke Curling From The Lips Of War
  7. Discourse Between A Man And His Soul
  8. The Dying Of The Embers
  9. Ashen Mortality
  10. How Many Tears To Nurture A Rose?
  11. Suffer Our Dominion
  12. Us, Dark, Invincible
  13. Sisters Of The Mist (Bonustrack)
  14. Unleash The Hellion (Bonustrack)

Existence Is Futile (dt. Existenz ist sinnlos) nennt sich das düstere neue Märchen aus dem Kosmos von Cradle Of Filth. Das 13. Manifest in bereits 30 Jahren Bandgeschichte entstand in den britischen Grindstone Studios und wurde von Scott Atkins (u. a. Benediction, Vader) produziert. Das verstörend geniale Artwork von Arthur Berzinsh zeigt eine Interpretation des Höllenfürsten vom Gemälde The Garden Of Earthly Delights des niederländischen Künstlers Hieronymus Bosch. Was ist neu in den dunklen Hallen der Briten um Schreihals Dani Filth? Für den weiblichen Gesang, Keyboard und Orchestrierungen ist jetzt Anabelle zuständig. Sie ersetzt Lindsay Schoolcraft, die COF Anfang 2020 aus gesundheitlichen Gründen verlassen musste. Wer Cradle Of Filth kennt, weiß, dass sie keine Ausnahmesituation wie ein globales Virus brauchen, um die Abgründe ihrer schwarzen Seelen in neue Songs zu formen. Existenzialismus, Grauen, das Ende der Welt und ein kleiner Funken Hoffnung sind die führenden Themen, die auf Existence Is Futile wieder in anspruchsvolle und philosophische Gewänder gehüllt werden. Das neue Material bahnte sich bereits vor der Pandemie seinen Weg durch Dani Filth‘ Hirnwindungen, während er sich im Lockdown des letzten Jahres mit Scott Atkins im Studio verschanzte, um die 12 Song plus zwei Bonustracks aufs Band zu bringen.

Mir selbst erschloss sich das Gesamtkunstwerk, welches von Dani Filth erdacht wurde, erst vor einigen Jahren bei einem ihrer grandiosen Liveauftritte. Seit dem überragenden 2017er Album Cryptoriana – The Seductiveness Of Decay bin ich endgültig in ihrem Bann gefangen. Die Genrefrage verbietet sich an dieser Stelle erneut. Der Mix aus symphonischen Black und Dark Metal, gepaart mit NWOBHM und avantgardistischem Flair ist längst ein eigenes, nicht vergleichbares Zuhause für Anhänger der schwarzen Magie geworden. Also, auf geht’s zu 70 Minuten Endzeithorror in musikalischer Form.

Dani Filth betont, dass das neue Werk so live und aufgeräumt wie möglich klingen sollte. Diese Aussage wird durch den Opener Existential Terror untermauert. Eingeleitet durch ein dramatisch cineastisches Intro wirkt dieser Terror weniger verschnörkelt als auf Cryptoriana. Das Leitriff ist eingängig und wird von bekanntem Pomp untermalt. Drummer Marthus prügelt den Hörer nicht nur mit Blastbeats windelweich, sondern hat auch ein Gespür für filigrane Zurückhaltung. In der zweiten Hälfte des Songs steht er mit seinen gekonnten Grooves gleichberechtigt neben dichten Keyboardteppichen, Danis verschwörerischem Geflüster und wunderschönen Gitarrenläufen. Klasse Einstieg.

Filmisch und düster romantisch erzählen COF in Necromantic Fantasies ihre Geschichte weiter. Die Gitarrenharmonien sind auf den Punkt und machen endgültig den prägenden Sound von Paul Allender vergessen. Viktorianische Gothic-Stimmung, wie sie kaum besser transportiert werden kann. Die erste Singleauskopplung Crawling King Chaos beginnt zwar ähnlich Soundtrack-tauglich, schlägt dann allerdings in Highspeed-Geknüppel der frühen COF-Schule um. Für Verschnaufpausen sorgen immer wieder die typischen Spoken-Word-Passagen des alten Hexenmeisters. Dann der Refrain – Epic as fuck!

Das Intermezzo Here Comes A Candle… leitet für Black Smoke Curling From The Lips Of War ein. Dieser steht seinem Vorgänger in puncto Brutalität in nichts nach. Der Bombast wird etwas zurückgeschraubt und überlässt der Saitenfraktion und den Drums mehr Luft zum Atmen. Gelungene Raserei, in der lediglich die Vocals von Anabelle etwas deplatziert wirken. Es wird balladesk. Discourse Between A Man And His Soul zeigt die ruhige, aber immer noch verstörende Seite der Band. Der Song lebt von der bösartigen Vocalperformance und den erneut gelungenen Gitarrensoli. Das Leitmotiv des Keyboards lädt zum andächtigen Hörgenuss ein. Bei einem Glas Rotwein. Nachts. Auf dem Friedhof.

Die auffordernde Stimme von Anabelle eröffnet The Dying Of Embers. Danach folgt ein bekanntes Stilmittel im Filth-Unsiversum: Eine bedächtige Melodie legt sich über schnelle Drumpattern und verleiht dem Sound einen progressiven Touch. Dani Filth flüstert, schreit, growlt wie eh und je und erzählt aus seinem Buch der okkulten Märchen. Gegen Ende gibt es noch eine Verneigung vor Iron Maiden, die immer eine wichtige Rolle im Sound der Band gespielt haben. Wie in einem Horrorsoundtrack kündigt Ashen Mortality die nächste Szene an. How Many Tears To Nurture A Rose? lauert hinter der nächsten Ecke und sticht ähnlich hervor wie Heartbreak And Seance vom letzten Output der Briten. So viel Atmosphäre und Abwechslung in einem Song, der auch nach unzähligen Durchläufen nicht langweilig wird. Da ist sie wieder, diese kleine, aber feine Melodie, die theoretisch von den Eisernen Jungfrauen stammen könnte. Doch da wir uns hier in den Abgründen befinden, wird die Jungfrau halt doch geopfert – shit happens.

Zu Beginn von Suffer Our Dominion erklingen die anklagenden Worte von Doug „Pinhead“ Bradley, der eine Rückkehr zur COF-Gemeinde feiert. Der Hauptdarsteller aus der kultigen Hellraiser-Reihe war auch schon auf dem Konzeptalbum Godspeed On The Devil’s Thunder zu hören. Laut Dani Filth handelt es sich um den bisher politischsten Song, der den (un)menschlichen Umgang mit der Umwelt beschreibt. Wie der politische Aufhänger ragt auch der musikalische Ansatz heraus. Der einleitende Teil mit der Stimme von Pinhead kündigt einen kurzen Orkan aus Thrashriffs an, der sich dann mit großflächigen Arrangements im Refrain abwechselt. Eine positive Überraschung auf Existence Is Futile.

Us, Dark, Invincible lautet nicht nur der nächste Titel, sondern könnte auch das Bandmotto sein. Auch hier dominieren die schneidenden Riffs, während der Refrain einfach nur COF in Reinkultur ist. Schnell abgefeuerte Giftpfeile von Dani Filth, gepaart mit einem stampfenden Rhythmus und der nötigen Portion Pathos.

Den Abschluss bilden die beiden Bonustracks. Sisters Of The Mist beinhaltet nicht nur wieder die Stimme von Doug Bradley, sondern schließt auch die Trilogie von Her Ghost In The Fog, die auf dem 2000er Meisterwerk Midian startete. Der zweite Teil über den Mann, der die Vergewaltigung und Ermordung seiner Frau rächt, ist Swansong For A Raven und ist auf dem sechsten Studioalbum Nymphetamine zu hören. Die Magie des Bandklassikers Her Ghost In The Fog (fast 13 Millionen Klicks auf YouTube) erreicht die Nummer zwar nicht, hinterlässt aber auch keinen faden Beigeschmack gegenüber dem restlichen Material. Das schnelle Unleash The Hellion sendet dann ähnliche Vorzeichen. Schnelle, vom Keyboard geprägte Rhythmen, die sich aber nicht mehr entscheidend von den eigentlichen zwölf Songs auf Existence Is Futile absetzen.

Nach 30 Jahren ist die schwarze Bestie immer noch hungrig und Dani Filth sitzt sattelfest auf dem Thron des Höllenfürsten. Fans gonna worship, haters gonna hate.

Cradle Of Filth – Existence Is Futile
Fazit
Existence Is Futile schließt nahtlos an die hervorragenden Veröffentlichungen Hammer Of The Witches und Cryptoriana… an und verzichtet dabei auf unnötige Schnörkel. Das Line-Up bildet weiterhin eine starke Einheit. Es wurde bereits alles Nötige gesagt und deshalb schließe ich sinngemäß mit einem Zitat aus IT Crowd, einer großartigen britischen Sitcom für eine großartige britische Band: „Cradle Of Filth are actually one of the best contemporary dark-wave bands in the world. They sound horrible but are actually quite beautiful.“

Anspieltipps: Existential Terror, How Many Tears To Nurture A Rose? und Suffer Our Dominion
Florian W.
8.2
Leser Bewertung13 Bewertungen
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