Devin Townsend – Devolution Series #1 – Acoustically Inclined, Live In Leeds

Devin macht sich „nackt“

Artist: Devin Townsend

Herkunft: New Westminster, Kanada

Album: Devolution Series #1 – Acoustically Inclined, Live In Leeds

Spiellänge: 61:02 Minuten

Genre: Akustik, Progressive Rock

Release: 19.03.2021

Label: InsideOut Music

Link: https://www.facebook.com/dvntownsend/

Bandmitglieder:

Gesang und Gitarre – Devin Townsend

Tracklist:

  1. Intro
  2. Let It Roll
  3. Funeral
  4. Deadhead
  5. Ih-Ah!
  6. Love?
  7. Hyperdrive
  8. Terminal
  9. Coast
  10. Solar Winds
  11. Thing Beyond Things

Hevy Devy lässt die Hüllen fallen: Im Gegensatz zum opulenten Line-Up, welches der Kanadier auf seiner Empath Live-Veröffentlichung im Gepäck hatte, ist Mr. Townsend auf dem ersten Teil der Devolution Series allein mit Akustikgitarre zu hören. Live In Leeds ist die neu abgemischte und remasterte Version der Show, die ursprünglich in der Empath Ultimate Edition zu haben war. Da das musikalische Genie bei seinem Label InsideOut einen Stein im Brett hat, wurde er gebeten, Live- und Quarantäne-Alben zu produzieren, bis der nächste große Release unter dem Banner Devin Townsend ansteht. Nach Devolution Series #1 dürfen sich Fans also auf weitere Veröffentlichungen in diesem Jahr freuen. Devolution Series #1 – Acoustically Inclined, Live In Leeds wird am 19.03.2021 als Digipack-CD, Doppel-LP inkl. CD und digital erhältlich sein.

Mehr oder weniger freiwillig wohnte ich mal einer „Akustikshow“ des Devin Townsend Projects bei: Damals musste Devin aufgrund technischer Probleme (O-Ton: „The PA is out!“) ein Soloset inkl. Autogrammstunde bei der Show in Leipzig hinlegen. Das war zumindest ein einmaliges Erlebnis. Umso gespannter bin ich auf die Interpretationen der kommenden elf Songs. Schön ist, dass hier nicht nur auf ohnehin schon reduzierte Songs wie Terminal und Thing Beyond Things zurückgegriffen wurde, sondern auch auf Klangmonster wie Deadhead und Hyperdrive. Selbst der Strapping Young Lad Brecher Love? wird als Akustikversion zum Besten gegeben.

Mal ehrlich, wer die Genialität des seit Anfang der Neunziger aktiven Townsend bis heute nicht erkannt hat, dem ist nicht mehr zu helfen. Steve Vai hat es erkannt und auch Judas Priest, bei denen Devin Townsend die Nachfolge von Rob Halford antreten sollte, haben es erkannt. Wem die regulären Arrangements etwas zu sperrig sind, dem seien diese reduzierten Versionen ans Herz gelegt.

Das Set startet mit einem längeren Intro, bei dem sich der sympathische Kanadier von seiner besten Seite zeigt. Charmant und witzig erklärt er dem Publikum, dass es erst ein Akustikset gibt, bei dem er spontan entscheidet, welche Songs er spielt. Danach soll es ein Q&A und Songs auf Wunsch der Konzertbesucher geben, auf dessen peinliche Aspekte er sich bereits „freut“. Mal schauen, ob dieser zweite Teil auch noch veröffentlicht wird, denn hier soll es zunächst um die intime Atmosphäre vor ca. 500 Zuschauern in der altehrwürdigen City Varieties Music Hall im englischen Leeds gehen. Akustikgitarre, Gesang und ein paar digitale Soundspielereien, so schreibt der Musiker standardmäßig seine Songs. Das besagte Intro beinhaltet auch das Stimmen der Gitarre und ein kurzes Einsingen, beides klingt besser als der Output manch einer Band.

Der erste Song ist der hymnische Synchestra-Opener Let It Roll. Scheinbar mühelos switcht Mr. Townsend zwischen Kopfstimme und seinen aggressiveren Vocals. Zwischendurch gibt es den einen oder anderen Lacher, was vermutlich an Devins Grimassen liegt. An dieser Stelle wäre Videomaterial hilfreich. Als erstes emotionales Highlight sorgt Funeral für Gänsehaut. In diesem Song betrauert Devin den Tod seines 16-jährigen Schulkameraden Jesse Cadman – dieser wurde Opfer eines sinnlosen Gewaltverbrechens. Deadhead ist im Original eines dieser schweren Klangmonster, die mich nach Hunderten von Durchläufen noch zum Staunen bringen. Das knapp achtminütige Stück wird von den Worten „Relationships are a motherfucker“ eingeleitet. Hier bekommen Fans wieder die typischen harschen Gesangsparts auf die Ohren. Durchzogen von fragilen, in Hall und Echo ertränkten Gitarren, erzeugt der Song eine bedrohliche Stimmung. Deutlich versöhnlicher geht es in Ih-Ah! zu, der Nummer in Townsends-Repertoire mit dem vielleicht größten Pop-Appeal. Sein Vater hatte ihm erklärt, was das Leben bedeutet: „15 minutes a month, things are good.“ Einfach ein wahrer Happy-Song, bei dem die Stimmlage in unendliche Weiten abdriftet.

Kontrastprogramm: Love? ist vermutlich mein Lieblingssong von der leider nicht mehr existenten Wuthöhle Strapping Young Lad. Devin bringt sich mit einer Menge Kauderwelsch in Aggro-Stimmung. Ähnlich wie in Deadhead wird der abgrundtief böse Seelencocktail des Kanadiers über dem willigen Publikum vergossen – verstörend und großartig. Hyperdrive würde zu jeder Zeit in eine Top Ten aus dem Katalog von DT gehören, insbesondere die Addicted-Version mit der bezaubernden Anneke van Giersbergen als Gastsängerin. Vor dem Song gibt es noch eine kurze Anekdote zur Entstehung von Devins Alter Ego Ziltoid, auf dessen erstem Album die Originalversion von Hyperdrive zu finden ist. Die Version auf Live In Leeds ist nicht verkehrt, gehört aber nicht zu den hervorstechenden Songs. Genauso verhält es sich mit Terminal vom Album Ki, das etwas unbemerkt durchrauscht.

In Coast wird die prägnante Bassline kurzerhand gesungen dargeboten. Solar Winds ist wieder ein Stück aus dem Ziltoid-Universum und ebenfalls sehr rifflastig in seiner Originalversion. Zudem wird das zehnminütige Epos auf drei Minuten heruntergebrochen, erzeugt aber trotzdem eine wundervolle Stimmung. Zum Abschluss gibt es noch mal Stoff vom Debütalbum Ocean Machine: In Thing Beyond Things zeigt sich Devin von seiner verträumten Seite und lässt ein zufriedenes Publikum sowie einen glücklichen Rezensenten zurück.

Devin Townsend – Devolution Series #1 – Acoustically Inclined, Live In Leeds
Fazit
Vor allem die im Original harten und epischen Songs mit ihren hundertfachen Überlagerungen bieten in der Akustikversion ein schönes Kontrastprogramm. Über allem thront die geniale Stimme von Devin Townsend, die durch die reduzierten Arrangements weiter in den Vordergrund rückt. Nicht jeder Song ist in dieser Form eine Offenbarung, dennoch kann man mit nahezu keiner Veröffentlichung aus dem Hause Townsend etwas falsch machen.

Anspieltipps: Funeral, Deadhead und Love?
Florian W.
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