Very good crowd during a big show

Dynamic Pricing: der Untergang der fairen Ticketpreise?

Kosten Tickets bald vierstellige Preise?

Da immer mehr Musikbands die Bühne betreten, hält der Trend der dynamischen Preisgestaltung Einzug in den Mainstream-Ticketverkauf. Aber was genau ist dynamische Preisgestaltung und welche Auswirkungen könnte sie auf die Geldbörsen der Fans haben? In diesem Artikel gehe ich diesen Fragen auf den Grund und erörtere die möglichen Vor- und Nachteile für Künstler, Veranstalter und Fans gleichermaßen. Außerdem gebe ich einen Überblick darüber, was diese Entwicklung gesellschaftlich mit der Metal- und Rockszene machen könnte und wen dies alles betrifft. Wenn du also wissen willst, wie die dynamische Preisgestaltung dein Konzerterlebnis verändern kann, lies weiter!

Vorweg

Vorweg, ich möchte hier keinen Ticketanbieter, Veranstalter oder Künstler an den Pranger stellen. Dynamic Pricing ist nichts Neues mehr und gehört zur Preisfindung wie ein gepflegtes „Yeah!“ zu Metallica. Dass generell die dynamische Preisfindung genutzt wird, ist per se nichts Gutes oder Schlechtes. Da ich weiß, dass das Thema sehr kontrovers diskutiert wird, möchte ich mitteilen, dass die genannten Plattformen und Künstler als Beispiel angeführt wurden. Mit dem Artikel möchte ich auf die Gefahren hinweisen, die das System birgt.

Was ist eine dynamische Preisgestaltung?

Eine dynamische Preisgestaltung ist eine Methode, bei der der Preis für Konzerttickets je nach Nachfrage und anderen Faktoren schwanken kann. Dies gibt dem Veranstalter die Möglichkeit, den Preis entsprechend anzupassen und somit den größtmöglichen Umsatz/Gewinn zu erzielen. Dynamic Pricing, bzw. die dynamische Preisgestaltung gab es schon immer. Das beste Beispiel, das ich hierzu im Netz gefunden habe, ist der Tante Emma Laden. So wurde schon immer das Brot vom Vortag günstiger angeboten, um es noch verkaufen zu können. Somit tritt das Brot vom Vortag in den „Konkurrenzkampf“ mit den Produkten des aktuellen Tages, doch so erhält man aber auch die Möglichkeit, eine ganz neue Kundschaft anzusprechen. Nicht jeder möchte teureres Brot kaufen, wenn das des Vortages es auch tut. Was bei einem verderblichen Produkt sinnvoll erscheint, wird nun auch bei vielen (gerade großen Konzerten) immer häufiger angewendet. Hier ist die Nachfrage der Trendgeber für den Preis. Zusätzlich können externe Faktoren, wie zum Beispiel der Preis des Tickets bei Mitbewerbern, ein Albumrelease, aktuelle Schlagzeilen oder auch Analysedaten vom Shop selbst an der Preisgestaltung beteiligt sein – und das zum Teil ganz automatisch! So kann minutenaktuell entschieden werden, welchen Preis ein Gast eines Events bereit ist zu zahlen. Die oftmals als Win-Win-Situation für Veranstalter und Fans beschriebene Dynamik birgt ein großes Potenzial an Missbrauch. So sind die großen Ticketbörsen in einer als Oligopol (wenige Anbieter bei hoher Nachfrage) beschriebenen Marktsituation. Bei manchen Veranstaltungen sogar in einer Monopolstellung (ein Anbieter bei hoher Nachfrage). Ich frage mich, wie fair das für die Fans ist? Wird das nicht zu einer Situation führen, in der Tickets nur für diejenigen erschwinglich sind, die bereit sind (oder für die es möglich ist), viel Geld auszugeben? Oder werden sich die Schwankungen tatsächlich auf die tatsächliche Nachfrage auswirken und den Fans zugutekommen?

Vorteile und Nachteile für Konzertbesucher

Für Konzertbesucher gibt es sowohl Vor- als auch Nachteile beim dynamic Pricing. Wenn eine Veranstaltung unterverkauft ist und die Preise sinken, kann das einerseits eine große Chance für Fans sein, die sonst nicht in der Lage gewesen wären, sie zu besuchen. Es besteht aber auch die Gefahr, dass die Veranstalter die Preise aufgrund der Nachfrage in die Höhe treiben, sodass viele Fans nicht in der Lage oder nicht bereit sind, für die Tickets zu bezahlen. Dazu können Veranstalter mit verschiedenen Zusatzpaketen (zum Beispiel VIP-Pakete) die Nachfrage weiter beeinflussen und so das Gesamtevent für Fans mit etwaigen Mehrwerten versehen, die nicht zwingend im direkten Zusammenhang mit dem Konzertticket stehen müssen. Wenn die dynamische Preisentwicklung offensichtlich gemacht wird (wie zum Beispiel „Early Bird Tickets“), so kann bei frühzeitiger Planung zumeist ein Festival drastisch günstiger besucht werden. Als Beispiel hierfür möchte ich das Wacken Fast Ticket nennen. Das auf 10.000 Stück beschränkte Ticket wurde für das Wacken Open Air 2023 zehn Euro reduziert angeboten und das unter Zugabe eines Wacken T-Shirts. Also eigentlich eine Win-Win-Situation für den Veranstalter und für den Festivalbesucher. Passiert die dynamische Preisgestaltung nicht so offensichtlich, so kann sich der Preis bereits bei der Wahl des Endgeräts unterscheiden. Dann kostet ein Ticket am Smartphone schon mal 10 % (Beispielwert) mehr, als wenn man das selbige am PC in den Warenkorb gelegt hätte.

Vorteile und Nachteile der dynamischen Preisgestaltung für Veranstalter

Die dynamische Preisgestaltung kann auch für Veranstalter sowohl Vor- als auch Nachteile haben. Einerseits können durch diese Strategie höhere Verkaufszahlen generiert werden, da Preise leichter angepasst werden können, um einen schnellen Abverkauf zu fördern. Andererseits kann eine zu aggressive Preispolitik den Ruf des Veranstalters schädigen und somit langfristig negative Auswirkungen auf die Unternehmen haben. Es gilt also abzuwägen, bei welchen Events welche Verfahren eingesetzt werden. Sicher müssen am Ende alle im Musikbusiness überleben, und wenn es noch weniger Ticketbörsen auf dem Markt gibt, ist auch dem Musikfan nicht geholfen. Ist die Nachfrage für ein Konzert oder für eine Tour jedoch sehr hoch, kann durch die dynamische Preisgestaltung der Umsatz am Einzelevent dynamisch angehoben und bis zu einem gewissen Rahmen nach oben angepasst werden. Wenn die Nachfrage so hoch ist, dass es als „sicher“ gilt, dass ein Konzert ausverkauft wird, dann kann der Preis „den ein Fan bereit ist zu zahlen“ auch schnell einmal vierstellig werden. Ein Beispiel habe ich im Internet gefunden, bei dem unsere Kollegen von Backstage Pro (Quelle: hier) berichtet haben, dass ein mit dynamic Pricing verkauftes Ticket bei Ticketmaster für ein Bruce Springsteen-Konzert in den USA bis zu 5.000 Dollar gekostet hätte. Auch wenn der Durchschnittspreis aller Tickets für das besagte Konzert am Ende bei 262 Dollar gelegen haben soll, konnte somit der Umsatz um ca. 31 % gesteigert werden (wenn man davon ausgeht, dass die Tickets ansonsten 200 Dollar gekostet hätten). Nachteilig dazu ist, dass Ticketmaster, der Manager und der Künstler selbst sich rechtfertigen mussten dafür, warum ein Fan 2.400 % mehr zahlen sollte als ein anderer.

Wie fair ist dynamic Pricing?

Dynamic Pricing kann als echter Spielverderber wahrgenommen werden, gerade wenn es um soziale Gerechtigkeit geht. Es hat das Potenzial, eine Art von Zweiklassengesellschaft zu schaffen, wenn Menschen mit niedrigerem Einkommen davon ausgeschlossen werden, bei Konzerten großer Bands in der Menge einzutauchen. Es ist jedoch wichtig, nicht zu vorschnell zu urteilen, da diese Art der Preisgestaltung auch Vorteile haben kann. So werden nicht immer alle Tickets zu einem Event dynamisch angeboten. Beim Springsteen-Beispiel sollen 88,2 % der Konzertkarten zu einem Fixpreis angeboten worden sein. Also generell kann gesagt werden, dass man „einfach“ schnell sein muss, um ein Ticket zum „Vorteilsfixpreis“ zu kaufen. Doch so einfach ist das leider nicht immer. So habe ich beispielsweise für die Pink Summer Carnival Tour 2023 ein Ticket (via Ticketmaster.fr) für Paris kaufen wollen und war bei Vorverkauf bereits auf Platz 16.000+ in der Warteschlange und das, obwohl ich zwei Stunden vor Vorverkauf auf der Seite gewesen bin. So wird ein Konzertticket immer mehr zu einem Statussymbol. Aber egal, wie man darüber denkt, am Ende des Tages muss sichergestellt sein, dass eine faire und gerechte Verteilung der Tickets gewährleistet ist. Sonst geht gerade im Metal und Rock eine ganze Kultur verloren. Denn wer sein ganzes Budget für ein Festival und ein Konzert der „großen“ Bands ausgegeben hat, der hat wahrscheinlich kein Geld mehr für die kleineren Bands und Events. So was spitzt sich gerade in Zeiten zu, in denen bereits die Inflation am Budget der Haushalte nagt. Und hier entsteht dann der Gegenwind für alle Bands, die im Spiel der Großen (noch) nicht mitspielen können. Konzertsäle oder Clubs bleiben leer und ganze Tourneen müssen abgesagt werden. Das zehrt nicht nur an den kleineren Bands, sondern auch an den Clubs, Kneipen und allen eher kleineren Veranstaltungshallen. Nur wenn der Konsum von Livemusik für die breite Masse bezahlbar bleibt, bleibt der Spirit der Veranstaltungen erhalten und es kann für jeden ein unvergessliches Erlebnis sein.

Zum Thema haben die Kollegen von Arte eine sehr bemerkenswerte Dokumentation erstellt, die als Inspiration für diesen Artikel diente:

Wird sich dynamic Pricing im Metal durchsetzen?

Dynamic Pricing ist in vielen Musikgenres bereits gang und gäbe. Doch wird sich dieses Prinzip auch im Metal durchsetzen? Sicher gibt es bereits Größen wie Metallica, Sabaton, Iron Maiden, Slipknot, Rammstein und Co., die ganze Stadien füllen. Doch lebt die Metal- und Rockszene in erster Linie durch die breite Masse der Bands, die in der „Mitte“ schwimmen. So sind selbst bekanntere Namen wie Trivium, Amon Amarth, Parkway Drive oder Cradle Of Filth im Vergleich zu den Größen aus dem Pop-Business nur kleine Lichter. Da das System aus meiner Sicht nur ab einer gewissen Konzertgröße und Bandgröße sinnvoll einsetzbar ist, wird es im Hard und Heavy Sektor nur minimal eingesetzt werden und Preise jenseits der 200 Euro werden wir sicher nur ganz selten sehen. Doch das gilt nur, solange Metal als eine Nische wahrgenommen wird. Gibt es eine nächste „Metal“-Welle, könnte das ganz anders aussehen. Doch ob sich die Hypothese bewahrheitet, kann nur die Zukunft beantworten. Aber eins ist sicher: Die Diskussion um das Thema wird sicher nicht zum letzten Mal auf den Tisch geholt und bei uns in der Redaktion heiß diskutiert.

Wer dazu die Meinung von Andreas Dörner und Patrick Grün (beide Caliban) wissen will, dem können wir unsere Podcast-Episode 93 wärmstens empfehlen: