Halcyon Days – Keep Myself From Sinking

True Norwegian Metalcore mit Tiefgang

Artist: Halcyon Days

Herkunft: Oslo, Norwegen

Album: Keep Myself From Sinking

Spiellänge: 29:36 Minuten

Genre: Metalcore, Post-Hardcore, Melodic Hardcore

Release: 05.11.2021

Label: Indie Recordings

Link: https://www.facebook.com/hvlcyondvys

Bandmitglieder:

Gesang – Robbe Madsen
Gitarre – Ulrik Linstad
Gitarre – André Sørensen
Bassgitarre – Steffen Johansen
Schlagzeug – Eirik Løvås Bjerke

Tracklist:

  1. Awakening
  2. Hands Of Time
  3. Shadows
  4. Collapsing Walls
  5. Keep Myself From Sinking
  6. Collecting Scars
  7. Sleepwalking
  8. Better Days
  9. Face Exposed

Halcyon Days bezeichnen ihre Musik auf ihrer Facebook-Seite als „True Norwegian Metalcore“. Das ist natürlich ein witziger Seitenhieb auf ihre Landsmänner samt Pandafratze und Armbandkaktus. Die 2012 in Oslo gegründete Band tauchte in diesem Jahr mit ihrer Sleepwalking EP erstmals auf meinem Radar auf und hinterließ damit mächtig Eindruck. Die darauf enthaltenen Songs befinden sich ebenfalls auf dem vorliegenden dritten Album Keep Myself From Sinking. Zuvor veröffentlichten die Norweger das Debütalbum .Elevate (2014), eine selbst betitelte EP (2016) und das zweite Album Rain Soaked Pavements & Fresh Cut Grass (großartiger Titel!) erschien 2018. Die Zusammenarbeit auf dem neuesten Werk mit renommierten Leuten wie Daniel Bergstrand (u. a. In Flames, Soilwork, Dimmu Borgir), Fredrik Thordendal (Mitbegründer von Meshuggah) und Henrik Udd (u. a. Architects, Bring Me The Horizon, Imminence) zeigt, dass es Halcyon Days ernst meinen. Das ist kein x-beliebiges Ausschlachten von großen Bands des Genres. Überhaupt tut man den Jungs mit dem Stempel Metalcore etwas Unrecht. Hier schwingt eine große Portion Melodic Hardcore mit, der mich von Zeit zu Zeit an die Kanadier von Counterparts erinnert.

Halcyon Days ist nicht nur ein schöner Bandname, sondern bezeichnet auch eine friedliche Zeit des Glücks, insbesondere in der Vergangenheit. Das ist in etwa der Zustand, den die Musik der Band in mir auslöst. Trotz ihrer teilweise brachialen Vorgehensweise versetzen mich Halcyon Days in eine Art schwebenden Zustand. Post-Hardcore ist genau wie diese Truppe erst in diesem Jahr in meinem Herzen angekommen. Beeindruckende Werke von Devil Sold His Soul, Holding Absence oder Palm Reader trugen dazu bei. Können die Norweger diese britische Vorherrschaft durchbrechen?

Die kurze Spielzeit der Songs auf Keep Myself From Sinking zeigt auf, dass hier nicht lange gefackelt wird. Awakening schneidet gleich eine brennende Schneise in die dunklen Wälder Norwegens. Alarmstufe: Moshpit. Shouter Robbe Madsen hat ein typisch raues Hardcore-Organ und denkt gar nicht daran, einen auf klaren Kitschgesang zu machen. Ein drückender Breakdown (Blegh!) und ein melodisch anspruchsvoller Part dürfen ebenfalls nicht fehlen. So steigert man den Adrenalinspiegel des Hörers und vergeudet keine Zeit mit langen Intros.

Hands Of Time lässt es etwas entspannter angehen. Die verzweifelten Schreie über wärmenden Gitarren-Arrangements gehen unter die Haut. Im Refrain wird das Publikum zum Singen und Hüpfen animiert. Stücke um die Drei-Minuten-Marke sind durchaus nichts Ungewöhnliches im Bereich Melodic Hardcore, trotzdem wünsche ich mir ab und zu einen kleinen Kameraschwenk in eine andere Richtung. Die folgende Nummer Shadows dürfte als Erstes auf meiner Playlist gelandet sein. Melodischer Songaufbau, toller Refrain und dazu die einschneidenden Screams von Robbe. Der mächtige Mittelteil verleitet mich dazu, mit großen Schritten durch das gelegte Feuer zu marschieren. Keine Frage, hier haben Halcyon Days einen echten Hit geschrieben.

Die Collapsing Walls versuchen mich unter sich zu begraben. Robbe Madsen ruft sein ganzes Repertoire ab: Sprechgesang, Flüstern, Shouten. Der Mix aus leicht verzerrten, melodischen Gitarren, nervenzerfetzenden Screams und an der richtigen Stelle gesetzten Breakdowns inklusive massiver Riffs ist eine erkennbare Handschrift des Quintetts. Der Titeltrack startet mit typischem Metalcore-Riffing der modernen Schule. Dann heizt die Geschwindigkeit dem Circle Pit ordentlich ein. Plötzlich wird ruckartig die Handbremse angezogen und man befindet sich in einer malerischen Traumszene. Dann variieren die Norweger erneut gekonnt das Tempo und gönnen meiner Nackenmuskulatur keine Pause.

Die Arbeit der beiden Gitarristen Ulrik Linstad und André Sørensen bleibt in Collecting Scars weiterhin in moderneren Gefilden. Die immer wieder eingestreute Doublebass von Drummer Eirik ist ein tolles Detail im ohnehin tadellosen Auftritt jedes einzelnen Musikers auf dem Album. Abgezockt und dennoch voller Energie. Da ist der Szenenwechsel, den ich mir erhofft hatte: Sleepwalking wird von düsteren Synthie-Schwaden umhüllt, was dem Gesamtsound noch mehr Tiefgang verleiht. Bevor ich in Raum und Zeit verloren gehe, explodiert der Refrain in einer wahren Supernova: „Surround yourself with those who see. That gives you strength and clarity.“ Scheinbar einfache Worte, die bei näherer Betrachtung ihre volle Wirkung entfalten.

Der Beginn von Better Days lässt ein Bild vor meinem inneren Auge entstehen: Sänger Robbe Madsen tänzelt nervös von links nach rechts und pusht das Publikum mit wilden Gesten nach vorne. Danach entsteht ein Tornado aus peitschenden Drums und fiesen Breakdowns, bei denen auch die Vocals in den Keller gehen. Brutalität trifft auf Hitfaktor. Dieses Rezept wird auch im abschließenden Song Face Exposed nicht entscheidend geändert. Warum auch? Halcyon Days brauchen sich mit ihrem starken Mix aus Melodic/Post-Hardcore und Metalcore moderner Prägung nicht vor der Konkurrenz aus den USA und UK zu verstecken.

Halcyon Days – Keep Myself From Sinking
Fazit
Es ist so schön, wenn man ein neues Genre entdeckt und sich zu allen Seiten Türen öffnen. In UK und den USA habe ich dieses Jahr schon gewildert, aber mit Norwegen auf der Post-Metal(core) Landkarte habe ich nun wirklich nicht gerechnet. Halcyon Days rammen ihre Flagge mit Keep Myself From Sinking ganz tief in den Boden.

Anspieltipps: Awakening, Shadows und Sleepwalking
Florian W.
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