Heimburger Metalnacht Festival 2024 am 26.07. und 27.07.2024

"Schöne Landschaft, nette Leute, was will man mehr für Heavy Metal"

Eventname: Heimburger Metalnacht Festival 2024

Bands: Can Calyx, Abyss Of Hel, Succubus, Hammer King, Grave Digger, Extinct, Here I Vanish, Nospheratu, Blessed Child, Asenblut, Mystic Prophecy, Varg, Sagenbringer

Ort: Metalnachtplatz, zwischen Heimburg und Benzingerode im Harz

Datum: 26.07. und 27.07.2024

Kosten: Zweitagesticket inklusive Camping: 75 €, Tagestickets ab 40 €

Genres: Doom Metal, Death Metal, Melodic Death Metal, Viking Metal, Heavy Metal, Thrash Metal, Metalcore, Power Metal, Grindcore, Folk Metal, Pagan Metal

Besucher: Freitag und Samstag jeweils ca. 450 Besucher

Veranstalter: Kneipe „Linde“

Link: https://www.heimburgermetalnacht.de/

Fans & Impressionen, Heimburger Metalnacht Festival 2024, Pic by Flo W.

Dieses Kribbeln im Bauch, das man nie mehr vergisst, als ob da in Heimburg der Teufel los ist. Hexen und Teufel sind in meiner Harzer Heimat des Öfteren los, nur haben sie an diesem Wochenende wieder Metal im Gepäck. Die Vorfreude auf das Heimburger Metalnacht Festival ist jedes Jahr riesengroß. Denn neben dem Rock In Rautheim steht nur das schnuckelige Festival bei mir „umme Ecke“ mit einem dicken Kreuz im Kalender. Obwohl es auch schön war, spontan zum Rockharz zu fahren. Doch während das große Festival in Ballenstedt mittlerweile fast schon überlaufen wird, kann man in Heimburg noch jeden persönlich begrüßen. Das mache ich auch direkt nach meiner Ankunft auf dem unheiligen Metalnachtplatz. Na gut, vielleicht wird nicht jeder persönlich begrüßt, aber ich freue mich, wie in den vergangenen Jahren, viele Hände zu schütteln, zahlreiche bekannte Gesichter zu sehen und liebe Menschen zu knuddeln. Eben ein echtes Familienfest, die Heimburger Metalnacht.

Freitag, 26.07.2024

Passend zur Ankunft in Heimburg verziehen sich die dunklen Regenwolken, die sich an diesem Freitag schon größte Mühe geben, den durstigen Boden zu tränken. Die Akkreditierung klappt wieder einmal einwandfrei, und nach der Begrüßungszeremonie, bei der uns auch Veranstalter Kay in Empfang nimmt, wird erst mal die Lage sondiert. Neu im kulinarischen Angebot sind Leipziger Knobibrot mit unterschiedlichen Belägen und köstliche Waffeln im Metalnacht-Look. Die Preise, auch für Getränke, sind stabil geblieben. Das Angebot an hauseigenem Merch scheint jedes Jahr zu wachsen. Neben den obligatorischen Shirts (dieses Mal auch in Weiß), Zippern und Co., sind auch Kennzeichenhalter, Beanies und diverse Accessoires auf dem Tisch der gut gelaunten Merch-Damen zu finden. Wer sich umschaut, wird feststellen, dass die Besucher gerne bereit sind, „ihr“ Festival mit dem Kauf von Merch zu unterstützen.

Heavy Doom Thrash aus dem Harz zum Auftakt
Can Calyx, Heimburger Metalnacht Festival 2024, Pic by Flo W.

Neben der familiären Atmosphäre zeichnet sich die Metalnacht auch durch lokal und regional ansässige Bands aus. So feuern die Halberstädter Can Calyx den Startschuss für den Festival-Freitag ab. Mit ihrer aktuellen EP Heavy Doom Thrash geben die Jungs auch gleich die musikalische Marschrichtung vor. Nospheratu-Drummer Svenner, der morgen selbst noch auf der Bühne steht, weißt mich direkt auf den „krassen Sänger“ der Band hin. Er sollte recht behalten. Florian von Rüling aka The Lord Of Thrash lebt mit seiner „Evil-Spandex“ nebst Patronengurt und Nieten nicht nur optisch den Black/Thrash der 80er, er hat auch eine starke Bühnenpräsenz. Zu meiner Freude haben sich an diesem Nachmittag deutlich mehr Fans vor der Bühne versammelt als noch im vergangenen Jahr zum Auftakt mit den Manowar-Jüngern Sons Of Odin. Can Calyx zelebrieren eingängige Melodien vor allem in den doomigen Parts und zwischendurch wird’s auch mal richtig schnell. In der ersten Reihe fliegen schon die Mähnen und die ersten „Einer geht noch“ Rufe hallen durch das Infield. Im Happy Chainsaw Massacre werden Florians Screams kurzerhand zu einer beschwörenden Doom-Predigt. Im Kettensägen-Outro gibt es noch ein kleines Massaker und die Zugaberufe sorgen für ein Lächeln auf den Gesichtern der Bandmitglieder. Eine Stunde Zeit bekommt nicht jede Underground-Band auf einem Festival. Can Calyx haben abgeliefert.

Weltpremiere und Schnappes auf dem Metalnachtplatz
Abyss Of Hel, Heimburger Metalnacht Festival 2024, Pic by Flo W.

Weltpremiere in Heimburg! Abyss Of Hel um Ex-Thrudvangar Gitarrist Daniel spielen zum ersten Mal live vor Publikum. Optisch macht das 2022 gegründete Projekt mit viel weißem Make-up einiges her. Da freue ich mich schon auf die Fotos. Musikalisch bieten Abyss Of Hel auf ihrem Debütalbum Into The Abyss, das in Heimburg in voller Länge präsentiert wird, eine wilde Mischung aus melodischem Death Metal und Industrial-Klängen à la Fear Factory. Obwohl der Gesang von Keytaristin Diana und Sänger Daniel live noch Luft nach oben hat, gibt vor allem der Frontmann eine gute Figur auf der Bühne ab. Der Nervosität wird mit einer Runde Lakritzlikör für die erste Reihe entgegengewirkt. „Wir machen Krach, ihr bewegt euch“, animiert Daniel das Publikum zum „kleinsten Moshpit aller Zeiten“. Der dicke Riffsound des Saitenduos Robin und Sebastian macht im Wechsel mit elektronischen Klängen richtig Spaß. „Heimburg, ihr seid geil, auch untenrum“, haut Daniel ein zweifelhaftes Kompliment an die Fans raus. Bereits beim Soundcheck hatte die Band mit Problemen zu kämpfen und jetzt hat auch ein Mikrofon Feierabend. Der Spielfreude tut das keinen Abbruch. Der gestiegenen Temperatur widmet Diana die Worte: „Sacht mal, ist euch nicht zu warm da unten? Viel trinken, vor allem Alkoholisches.“ Die Becher gehen in die Höhe und der Moshpit ist dauerhaft am Köcheln. „Habt Spaß, habt euch lieb und treibt es schön miteinander“, gibt Hühne Daniel, der mittlerweile in Gasmaske und mit Gummidödel bestückt auf der Bühne steht, eine weitere Empfehlung mit auf den Weg. Seiner Aufforderung, „alle noch mal auszurasten“, kommt die gut gelaunte Fanmeute gerne nach. Die guten alten „Flughafen“-Rufe hallen nach dem abschließenden Slaves durch den Harz. Fazit: Noch nicht alles perfekt, aber dennoch dürften sich Abyss Of Hel in die Herzen einiger Fans gespielt haben.

Brandenburg = Göteborg
Succubus, Heimburger Metalnacht Festival 2024, Pic by Flo W.

Hunger macht sich am frühen Abend breit und während ich die Umbaupause für eine Stärkung nutze, stehen leider noch viele Fans abseits der Bühne, als Succubus loslegen. Das Quintett aus Brandenburg hat bereits eine über 30-jährige Karriere vorzuweisen, wenngleich einige der Mitglieder erst seit wenigen Jahren an Bord sind. Brandenburg = Göteborg ist heute das Motto, denn ohne Zweifel haben die Mannen um Sänger Rico Zimmermann die Göteborg-Schule des Melodic Death in ihrem Blut. Die Melodien und die frostige Stimmung der Songs des aktuellen Albums The Eternal Curse Of Existence machen richtig was her. Was leider so gar nicht zum starken Songmaterial passen will, ist der „Standfußball“ der Herren aus Neuruppin. Man muss ja nicht gleich ein Feuerwerk abbrennen oder in aufwendiger Kostümierung auftreten, aber ein bisschen Bewegung darf schon drin sein. So wirkt das Publikum auch eher verhalten. Sänger Rico bedankt sich dennoch artig und fordert zum „zweiminütigen Kuscheln“ während des akustischen Intermezzos auf. The Darwinian Court wartet nicht nur mit gekonntem Riffing auf, es hat auch ein amtliches Video im Stil des Kultstreifens Mad Max, wie Frontmann Rico betont. Die unter Succubus-Fans bekannte Kultnummer Vampire wird in der Meute zum Fraß vorgeworfen und der Hinweis, „doch gerne ein Shirt zu kaufen, um das Taschengeld der Band aufzubessern“ darf natürlich auch nicht fehlen.

Strahlende „Waffelmädels“
Spendensammlung, Heimburger Metalnacht Festival 2024, Pic by Flo W.

In der anschließenden Pause wirbt Veranstalter Kay Sebastian für die Schüler und Schülerinnen des Gymnasiums Am Thie. Einige von ihnen haben sich mit einem Waffelstand auf dem Metalnachtplatz platziert, um ihre Abifeier-Kasse aufzubessern. Ebenso um Unterstützung bittet Crew-Mitglied Emma, die einen Schüleraustausch nach Neuseeland plant. Wie ich im Nachgang erfahre, sind für beide Zwecke insgesamt 1.500 Euro zusammengekommen. Feine Sache!

Kniet nieder, der König ist zu Gast!
Hammer King, Heimburger Metalnacht Festival 2024, Pic by Flo W.

Es wird Zeit für den König. Die Vorfreude ist groß. Seit geschlagenen drei Jahren warte ich darauf, endlich die Recken von Hammer King live sehen zu können. Spätestens seit ihrem selbst betitelten Album aus dem Jahr 2021 (zum Review) feiere ich die Metaller mit dem trockenen Humor in ihren Texten. Time For Metal-Kollege Kay L. hatte mich bereits auf dem Rockharz vor Bassist Günt Von Schratenau und seiner unbändigen Energie und Bühnenpräsenz „vorgewarnt“. Er sollte recht behalten, denn Günt sorgt im Alleingang für meine Lieblingsfotos des Festivals. Selbstverständlich tragen auch die anderen Bandmitglieder wie Frontmann Titan Fox V zur grandiosen Liveatmosphäre der Kings bei. Mit zwei roten Flying Vs und Power Metal Sound der alten Schule kann hier nichts schiefgehen. „Fühlt ihr euch königlich?“, schreit Titan in die mittlerweile gut gefüllten Reihen vor der Bühne. In der ersten Reihe sind auch die Hammer Heroes zu sehen, wie sich die Fans der Band nennen. Nach einer Fotosession steige ich geistig kurz aus meiner Rolle als Redakteur und werde selbst zum Fan in der ersten Reihe. Natürlich kann man Hammer King eine stilistische Nähe zu Hammerfall vorwerfen. Mit dem großen Unterschied, dass die Deutschen mittlerweile deutlich stärkere Songs schreiben als die schwedische Fraktion. Darunter befinden sich schlagfeste Gassenhauer à la Hammerschlag, Pariah Is My Name sowie König Und Kaiser, dessen „Hail! 2! 3! 4!“ Rufe das ganze Set über durchs Publikum hallen. Der Sound ist, wie nahezu das gesamte Wochenende über, glasklar und die spitzen Schreie von Titan sind sattelfest. Heimburg wird kurzerhand zum Hoheitsgebiet erklärt und Golddublonen mit dem Hammer-King-Logo fliegen dem Volk zu. Sehr zur Freude der zahlreichen Kids auf der Metalnacht, die sich ihre Taschen vollmachen. Ich staube zumindest eine Dublone ab. 😀 Das Gepose vor den Ventilatoren läuft, ich habe Spaß und der Rest der Fans ebenso. Battlegorse wurde lange nicht mehr gespielt (das letzte Mal bei 42 Grad) und wird Donald Sutherland im Kultfilm Die Körperfresser Kommen (1978) gewidmet. Titan stellt die restlichen Bandmitglieder auf humorvolle Art und Weise vor und zur Zugabe werden goldene Luftballons ausgepackt. Unter hallenden „Hammer King“-Sprechchören wird die königliche Robe angelegt. So sympathisch wie auf der Bühne geben sich die Jungs anschließend auch am Merchstand. Bereitwillig werden Autogramme geschrieben und Fanfotos gemacht. Keine Frage: Dieses Land braucht ihn … den Hammer King!

„We’re back, back to the roots … Heavy metal rules!“
Grave Digger, Heimburger Metalnacht Festival 2024, Pic by Flo W.

Der Headliner steht auf dem Programm und wir tauschen die Krone gegen eine Schaufel. Die altehrwürdigen Totengräber von Grave Digger sind am Zug. Nachdem ich die Band 2017 bei einem schwächeren Gig auf dem Rockharz gesehen habe, war zwei Jahre später in Göttingen auf dem Full Metal Mensa die Welt wieder in Ordnung und erst recht seit dem starken Auftritt im letzten Jahr auf dem Rock In Rautheim (zum Bericht). Die Band ist älter als ich, aber ohne Scheiben wie Tunes Of War oder Excalibur wäre mein Metal-Leben nicht komplett. Es ist einfach eine Ehre, dass man eine so verdiente Band der Szene noch auf kleineren Festivals erleben darf. Nach dem Auftakt mit Lawbreaker ruft Chris Boltendahl ein „Heimburg geht’s euch guuuut“ in seiner unnachahmlichen Stimmlage in die Menge. Chris‘ Mikrofon streikt und eine Unterbrechung durch eine fiese Rückkopplung wird kurzerhand mit „Einer geht noch …“ Rufen quittiert. Zu grandiosen Songs wie The House, The Dark Of The Sun oder Back To The Roots bin ich direkt wieder im Fanboy-Modus. Vor einem Jahr trennten sich Grave Digger von Axeman Axel Ritt, der zwar ein begnadeter Gitarrist ist, aber auch immer die Show auf sich gezogen hat. Nachfolger Tobias Kersting (ex-Orden Ogan) hat nicht nur ein ähnlich starkes Skillset wie Ritt, er passt rein optisch auch viel besser zum Rest der Band und hat bereits bei Boltendahls Sideprojekt Steelhammer mit dem Frontmann zusammengearbeitet. Grave Digger haben im traditionellen Heavy Metal für mich einen überragenden Gitarrensound und sorgen mit Riffs für die Ewigkeit noch immer für heruntergeklappte Kinnladen. Verdammt, er hat es schon wieder getan. Chris Boltendahl liefert genau wie auf dem RIR 2023 eine Steilvorlage für den Untertitel meines Berichts: „Schöne Landschaft, nette Leute, was will man mehr für Heavy Metal“ – so verdammt richtig! Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt, genau wie der Sound. „Da geht noch was, Freunde“, fordert Chris die Fans zu weiteren Höchstleistungen auf. Er erntet lautstarke Grave Digger, Grave Digger Sprechchöre. Zur obligatorischen Schlachthymne Rebellion findet der Fronter dann noch „jemanden mit einem grauen Bart, der nicht klatscht“ – Blasphemie!

Schnelle Riffs für den harten Kern
Extinct, Heimburger Metalnacht Festival 2024, Pic by Flo W.

Nach dieser doppelten Heavy-Metal-Vollbedienung haben es die norddeutschen Thrasher von Extinct nicht leicht. 2021 durfte die Band den Samstag eröffnen und heute den Laden zum Freitag abschließen. Zu später Stunde sind die Reihen sichtbar ausgedünnt. Der Beginn verschiebt sich aufgrund von Soundproblemen leicht nach hinten. Ich habe trotzdem Bock auf Oldschool Thrash mit ordentlich Geschredder, der Rest wirkt doch sehr müde. Für die dicken Riffs sorgen Dennis und Leda. Die Gitarrist mit den fiesen Shouts kam im letzten Jahr zur Band. Frontmann Helge schickt einen „freundlichen“ Gruß an Donald Trump und erhebt sein Glas auf „alle, die zu früh von uns gegangen sind“. Of No Account, vom ersten Demo der Band, wurde nicht nur auf dem aktuellsten Werk Incitement Of Violence neu aufgelegt, sondern feiert auch seine Volljährigkeit. Live hat die Nummer eine Menge Durchschlagskraft. Das Mikrofon war heute schon des Öfteren abwesend und davon werden auch Extinct nicht verschont. Sei’s drum, „irgendwann geht’s abwärts, ihr werdet schon sehen“ prophezeit Helge und entlässt den harten Kern mit Downward Spiral in die Nacht.

Samstag, 27.07.2024

Ein erstes Highlight verpasse ich am Festival-Samstag. Zur Eröffnung des Infields um 13 Uhr zieht der Fanfarenzug Lüderitz e.V. über den Campingplatz, um auch die letzten Schlafmützen zu wecken. Nachdem es sich die Nacht über schon gut eingeregnet hat, schweift der Blick heute im Wechsel zwischen der Regenradar-App und den Wolken am Himmel. Es stellt sich nicht die Frage, ob es regnen wird, sondern wann. Egal, denn zur ersten Band des Tages ist noch alles trocken, der Boden des Metalnachtplatzes kommt noch ohne Matsch aus und es wird auch recht schnell warm.

Metalcore am Morgen
Here I Vanish, Heimburger Metalnacht Festival 2024, Pic by Flo W.

Mit Here I Vanish aus Ilsenburg steht erneut eine lokale Band in den Startlöchern, um den noch überschaubaren Nasen vor der Bühne mit Metalcore einzuheizen. Wer meine Artikel liest und unseren Podcast hört, der weiß, dass ich mich in diesem Genre zu Hause fühle. Frontmann Nils hat auch gleich eine Ansage parat: „Kommt mal alle von den Fress- und Saufbuden weg und habt Spaß.“ Sein Gesang klingt wie der eines klassischen Metalcore-Shouters mit einer Prise Alexi Laiho. Unermüdlich fordert er die Fans auf, näher an die Bühne heranzutreten. Was zunächst auf taube Ohren stößt, wird mithilfe von Schnappes dann doch in die Tat umgesetzt. Klopfer wird verteilt, was Nils den Spruch „da kommen sie alle ran wie die Raubmöwen“ entlockt. Ich habe richtig Bock auf die Musik der Jungs, der Rest wirkt eher verhalten. Alte Nummern wie You Are Alone funktionieren für mich ebenso gut wie das neuere Soldier. Ein kleiner Circle Pit wird von einem gut gelaunten Dude im Gengar-Kostüm angeführt. Sehr zur Freude von Fronter Nils, der ihn kurze Zeit später zu weiterer Action animiert. Die Melo-Death-Einflüsse werden von der jungen Band gekonnt in moderne Sounds eingewebt. Ich bin gespannt, was da in Zukunft noch kommt und behalte Here I Vanish im Auge.

Harzer Schlachteplatte zum „Heimburger Metalnachmittag“
Nospheratu, Heimburger Metalnacht Festival 2024, Pic by Flo W.

Zum Kaffeekränzchen ein bisschen Grindcore gefällig? Die Osterwiecker Haudegen von Nospheratu bitten zum Tänzchen. Nach dem Metal Clash und dem Hellfire Over Ilsenburg ist es bereits meine dritte Begegnung mit der Band. Vor allem das Wiedersehen mit Drummer Svenner ist mir ein inneres Blumenpflücken. Beim Schmachtfetzen-Intro The End Of The World darf noch kurz geschunkelt werden, bevor eine Kettensäge alles in kleine Häppchen sägt. Schön blutverschmiert präsentiert sich das Quintett aus der Nachbarschaft heute. Nachdem alles in Grund und Boden gegrunzt und geknüppelt wurde, begrüßt Sänger Fred die Damen und Herren auf seine unnachahmliche Art zum „Heimburger Metalnachmittag“. Hier ist nicht alles perfekt, hier wird sich auch mal verzockt, aber es macht unglaublich viel Spaß, den Jungs auf der Bühne zuzusehen. Die erste Reihe sieht das genauso und es werden kräftig die Rüben geschüttelt. Frontschwein Fred ist schon eine Show für sich. Erst meckert er noch: „Euch macht’s wohl keinen Spaß, ihr bewegt euch gar nicht“, nur um kurze Zeit später wie ein Flummi über die Bretter zu hüpfen. Den „Rübe ab, Rübe ab“ Sprechchören entgegnet Fred ein verschmitztes „so, jetzt haben wir alle tot gekaut“. Das Lied aus Rumänien „mit die Vampire“ wird ebenso abgefeuert wie das großartig rumpelnde 16 Nuns. Kurz vor Ende gibt es in Form eines kleinen Moshpits noch etwas Bewegung vor der Bühne. „So, Schluss hier, alle Matsch“, verkündet Fred, aber Svenner hat noch einen Song parat. Durchchoreografierte Abläufe sind nicht gerade das Ding von Nospheratu, aber jede Show lässt mich mit einem breiten Grinsen zurück.

In der Umbaupause fallen mir die zahlreichen Gewandungen auf, denn heute stehen Pagan und Folk oben auf der Speisekarte.

Energiegeladener Metal mit Hindernissen
Blessed Child, Heimburger Metalnacht Festival 2024, Pic by Flo W.

Was jetzt folgt, ist ein klein wenig Pleiten, Pech und Pannen. Na nu? Sind hier alle an den Buden? Das Infield wirkt wie leergefegt. Sei’s drum, denn von der ersten Sekunde an herrscht eine starke Energie auf der Bühne, die vor allem von Frontmann Steve ausgeht. Er hat Power für drei. Die Braunschweiger Blessed Child spielen eine schöne Mischung aus traditionellem Metal und Thrash, mit räudiger Straßenköter-Attitüde. Die erste Reihe ist weiterhin mit Leidenschaft dabei. Steve ärgert sich, denn der „scheiß Empfänger der Gitarre wieder nicht funktioniert“. Zum Glück hat er schon eine Lösung parat: „Kauft ganz viel Merch und unser Gitarrist kauft sich ’nen ordentlichen Empfänger.“ Blessed Child machen einfach Mucke, zu der man gerne das Haupt schüttelt. Starke Riffs, tolle Melodien. „Nicht schlecht“, ruft jemand aus dem Publikum, dem der Sänger nur ein süffisantes „Danke“ entgegnet. Was kommt jetzt? Eine Gitarre ist wieder nicht zu hören. Zwischenzeitlich hat die Band keinen Sound auf der Bühne und das Mikrofon hat heute nur einen Halbtagsjob. Das haben die sympathischen Braunschweiger nicht verdient und so bekommt Sänger Steve kurzerhand ein Bier aus der ersten Reihe angeboten. Zunächst lehnt er ab, da er „mit seinen 55 Jahren nicht mehr die Bühne herunterkommt“. Doch der Durst ist größer und so holt er sich doch noch seine verdiente Erfrischung ab. Der Rest des Sets geht ohne weitere Störungen vonstatten und ich hoffe, dass ich die Band noch einmal unter besseren Bedingungen zu Gesicht bekomme.

Wikinger erobern Heimburg
Asenblut, Heimburger Metalnacht Festival 2024, Pic by Flo W.

Die bereits erwähnten Fans in Gewandungen stehen als Heer vor der Bühne parat. Es wird voll, denn Asenblut aus Göttingen ziehen gleich in die Schlacht. Ich weiß, dass sie es bestimmt nicht gerne hören, aber für mich sind und bleiben Asenblut die „deutschen Amon Amarth“. Gar nicht mal abwertend, sondern als Kompliment gemeint. Schilde zieren die Bühne und schon beim Betreten der Bühne wird klar, dass hier Foto-Potenzial vorhanden ist. Frontmann, Hühne und Teilzeit-Wikinger Tetzel macht schon mächtig Eindruck. Sein Axt-Mikrofon und seine Gewandung unterstreichen diese These. „Wo sind meine Berserker?“, schreit er voller Inbrunst in das volle Infield, um die Hymne Berserkerzorn hinterherzuschicken. Die Saitenfraktion ist ständig in Bewegung und die Fans fressen der Band aus der Hand. Kurze Unterbrechung. „Was wäre eine Asenblut-Show ohne technische Probleme?“, sagt Tetzel mit einem Lachen. Die Zwangspause nutzt der Frontmann, um die Anekdote der Heimburger Metalnacht 2020 zu erzählen. Als die ganze Welt aufgrund der Pandemie still stand, schafften es die Veranstalter in Heimburg mit Varg und Asenblut eine kleine Metalparty auf die Beine zu stellen. Respekt! Jetzt wird es aber doch Zeit, dass Tetzel seinem Drummer Balrogh bei der Technik hilft. Es kann weitergehen. Neben zahlreichen Fans haben die Göttinger auch ihr kommendes Album Entfesselt (02.08.2024) im Gepäck. Zum Song Dagon steigt Matze von Deliver The Galaxy als gesangliche Verstärkung auf die Bühne. Er wird mit seiner Band im nächsten Jahr in Heimburg zu sehen sein. Mit einer weiteren neuen Nummer namens Arm In Arm wird der Zusammenhalt der Metalszene gefeiert. Die Zeit der Wikinger wird zwar immer wieder zu stark romantisiert, aber im Metal-Kontext funktioniert das einfach. Mit den letzten Stücken rufen Asenblut auch den Regen herbei, der sich bis zum Ende des Festivals die Ehre gibt.

Die Metal Brigade trotzt dem Regen
Mystic Prophecy, Heimburger Metalnacht Festival 2024, Pic by Alina Wurm | Lyna Fotografie

Nach den starken Auftritten auf dem RIR 2023 und dem diesjährigen Rockharz freue ich mich wie Bolle auf Mystic Prophecy, die für mich mittlerweile zur Champions League des Power Metal zählen. Musste erst nach dem Auftritt der Band auf dem Rockharz das Infield aufgrund des Gewitters geräumt werden, geht es heute trotz des starken Regens weiter. Der harte Kern steht wahlweise mit Regenschirm oder nur in Unterhose vor der Bühne. Ich parke meinen Hintern lieber unter dem Merchzelt, wie einige andere auch. Erstaunlicherweise ist der Sound von hier aus noch immer astrein. Hallo Rockharz, könnt ihr euch bitte ein Beispiel nehmen? Mit dieser Erkenntnis kann ich Brecher wie Metal Division, We Kill! You Die! oder den Fanliebling Ravenlord genießen. Vor mir springen Kinder und Erwachsene in Pfützen und Feldmäuse suchen Schutz im Trockenen. Lias Sprüche, dass die Leute im Zelt, mich eingeschlossen, doch gerne vor die Bühne kommen können, werden gepflegt ignoriert. Die Herren schaffen es nach dem Konzert selbst nicht durch den Regen an den Merchstand. Eigene Nase und so. Das Mike-Oldfield-Cover entlarvt unser Alter, der Text sitzt. Der Regen wird immer heftiger, aber es hat sich gelohnt: Ein durchnässter Fan kommt mir strahlend entgegen. Sie hat einen Drumstick gefangen. Metal till you’re wet!

Pommesgabeln und Regenschirme
Varg, Heimburger Metalnacht Festival 2024, Pic by Alina Wurm | Lyna Fotografie

Für die Geschichten der Altvorderen, vorgetragen von Varg, sind einige Getreue gekommen, so viel steht fest. Dem Regen getrotzt, versammelt sich eine stattliche Meute vor der Bühne. Dort erstrahlt rotes Scheinwerferlicht und sorgt mit dem bekannten Zitat „Ein Schwerttag, ein Bluttag“ aus Herr Der Ringe im Intro für Gänsehaut. Pommesgabeln und Regenschirme als Silhouette sieht man auch nicht alle Tage auf einem Metal-Festival. Aussetzer auf dem In-Ear-Monitoring der Band sorgen für eine kurze Unterbrechung; ein Neustart ist erforderlich. Doch die Geduld zahlt sich aus. Varg flogen für mich immer etwas unterm Radar, haben aber mit der Hinzunahme von Sängerin und Schildmaid Fylgja und dem starken Songmaterial auf dem aktuellen Album Ewige Wacht einiges richtig gemacht. Fylgja performt live neben Freki auf hohem Niveau. Songs wie Schildmaid, Morgenrot oder das epische Ewige Wacht sorgen für Gänsehaut. Dass einige Fans heute extra für Varg angereist sind, dürfte die Band mit Stolz erfüllen.

Sagen von der See zum Ausklang
Sagenbringer, Heimburger Metalnacht Festival 2024, Pic by Alina Wurm | Lyna Fotografie

Dank der lieben Kollegin Lena P., die dem aktuellsten Album Zeit Der Geschichten eine überragende Note gab und der Empfehlung der lieben Lina, die hier auch für zahlreiche zauberhafte Fotos sorgt, habe ich Sagenbringer als „Must see“ auf der Liste. Ohne Kitsch bringen Sagenbringer aus Sylt ihren Mix aus Pagan und Folk seit ca. drei Jahren unters Volk. Trotz des anhaltenden Wolkenbruchs und der allmählich kalten Füße muss ich standhaft bleiben. Aufgrund der Zwangspause bei Varg starten Sagenbringer mit einer knappen halben Stunde Verspätung. Das Besondere sind vor allem live die schneidenden Gitarren und melodischen Spielereien. Der Gesang von Haldruhir sticht ebenfalls hervor. Er beherrscht die Kunst, harsch und gleichzeitig verständlich zu singen. Von diesem Genre hält mich der Gesang oft davon ab, eine Band zu mögen. Hier ist das Gegenteil der Fall. „Es wird Zeit zu rudern“, schreit der Frontmann ins Publikum. An Die Ruder heißt es gleich zu Beginn, was aufgrund des kleinen Sees vor der Bühne kein Problem darstellen dürfte. „Unwetter oder wie wir im Norden es nennen – Nieselschauer“, kommentiert Haldruhir die Situation mit einem Schmunzeln. Die Geschichten von Draugr und Bragis Flöte wirken durchdacht und kommen ohne platten Pagan-Pathos daher. Weg mit der gedrückten Stimmung, denn die Pagan-Party darf natürlich nicht zu kurz kommen. So werden die Methörner zu Abgeh-Nummern wie Trolltaverne oder Metdrache in den Heimburger Nachthimmel gereckt. „Das Biest speit Meeeeet“, jawoll, so soll es sein. Es schlägt Mitternacht und Mercherin Susi hat Geburtstag und bekommt zu ihrem Ehrentag „alle Geburtstagslieder gleichzeitig“ als Ständchen vorgetragen. Sie ist sichtlich gerührt. Zum Abschluss entschuldigen sich die Küstenkinder dafür, dass sie die See tatsächlich in den Harz mitgebracht haben. Mein Herz An Die See versprüht etwas Wehmut und ist der perfekte Ausklang des Festivals. Hey Sagenbringer, ich denke, ihr habt heute neue Fans dazugewonnen – mich eingeschlossen.

Noch etwas erledigt und mit Vorfreude auf das nächste Jahr mit Bands wie Månegarm, Final Cry, Maerer und Soul Grinder sage ich DANKE liebes Team des Heimburger Metalnacht Festivals. Es ist einfach schön zu sehen, wie sich ein kleines Festival jedes Jahr den Allerwertesten aufreißt, um uns allen zwei unvergessliche Tage zu bereiten.

Vorschau 2025, Heimburger Metalnacht Festival 2024, Pic by Flo W.