Moonspell – 1755

“Drehen mit dem nächsten Konzeptalbum das genrespezifische Sonnenrad weiter“

Artist: Moonspell

Herkunft: Portugal

Album: 1755

Spiellänge: 47:42 Minuten

Genre: Dark Metal, Gothic Metal

Release: 03.11.2017

Label: Napalm Records

Link: http://www.moonspell.com

Bandmitglieder:

Gesang – Fernando Riberio
Gitarre – Ricardo Amorim
Gitarre, Keyboard – Pedro Paixao
Bass – Aires Pereira
Schlagzeug – Mike Gaspar

Tracklist:

  1. Em Nome Do Medo
  2. 1755
  3. In Tremor Dei
  4. Desastre
  5. Abanão
  6. Evento
  7. De Novembro
  8. Ruínas
  9. Todos Os Santos
  10. Lanterna Dos Afogados

Moonspell um Frontmann Fernando Riberio drehen unbarmherzig das Sonnenrad der eigenen musikalischen Ausrichtung weiter. Die zwölfte Platte 1755, ein erneutes Konzeptalbum, wird noch rockiger, vielschichtiger und lebt von einer permanent andauernden Dramatik. Als Drama aufgezogen, geht es in den zehn Stücken um das schwere Erdbeben, welches im Jahre 1755 ihre Heimat Lissabon heimsuchte und bei dem 100.000 Seelen ihr Ende fanden. Erstmals zelebrieren die Musiker ein Werk komplett in ihrer Landessprache. Bei diesem Thema, so viel darf man bereits vorwegnehmen, genau die richtige Entscheidung.

Mit fast fünfzig Minuten leitet Em Nome Do Medo die historisch versetzten Lyrics von 1755 ein, bis der Titeltrack das Zepter übernimmt. Seichte Klänge dröhnen dramatisch auf, brutal brauchen die Portugiesen gar nicht in die Seiten schlagen, die Emotionen schleichen dem Hörer in Form von Gänsehaut innerhalb von Sekunden auf die Haut. Neben den Dark und Gothic Metal-Säulen steht der Opernsektor ganz stark im Rücken von Ricardo Amorim und Pedro Paixao, die an den Gitarren für feine aber unglaubliche Höhepunkte sorgen. Druckvoll und energiegeladen beginnt der Kampf um Leben und Tod. Die Backvocals brillant eingefädelt, können gar nicht übertroffen werden. Was Moonspell in der Einleitung mit den ersten zehn Minuten hinlegen, hinterlässt selbst bei mir breites Staunen. Das starke letzte Album Extinct wird quasi komplett beiseitegeschoben. Andere Formationen hätten den Erfolg genutzt, um am Konzept sachte zu feilen. Die Südeuropäer werfen jedoch fast alles einmal mehr über den Haufen, um wie der berüchtigte Phönix aus der Asche emporzusteigen. Die weiblichen Operngesänge machen richtig was her. Wo andere Kapellen ein Album vorab in den Himmel loben, lassen die fünf Künstler Taten sprechen. Der immer wilder werdende Ritt gleitet in die groovige Nummer In Tremor Dei – eine Sequenz, die alles beinhaltet, was man nach dem Start benötigt. Kerniger, weiter aber auf spannende Atmosphären basierend, passiert wahnsinnig viel in dem Stück. Im Vordergrund die Band und der Gesang von Fernando Riberio, sprüht im Hintergrund ein zusätzliches Feuerwerk. Der exotische Einschlag durch die für uns ungewöhnlichen portugiesischen Lyrics macht 1755 noch unnahbarer. Die Geschichte à la Moonspell von Lissabon vor fast drei Jahrhunderten imponiert in allen Belangen. Desastre darf als Sinnbild der dramatischen Handlung gesehen werden. In einem Musical dürfte spätestens jetzt jedem konservativen Rentner das Gebiss aus der Visage fallen. Das wiederum darf als positiv gewertet werden, denn vorzeitig wird keiner das Stück verlassen, dafür liegen die Klänge wie fesselnd schwer auf den Schultern des Hörers. Breite Melodienbögen versetzten einen in die düstere Zeit des beginnenden modernen Zeitalters in Europa, welches einige Jahre später offenbaren soll, dass die Menschen an Grausamkeit keine Grenzen kennen sollen. Die Naturgewalt konnte man 1755 nicht vorhersehen und eins zu eins belegen das unsere musizierenden Freunde. Beim ersten Durchlauf von der Unberechenbarkeit weggeblasen bleibt selbst nach mehreren Runden das Gefühl, immer wieder neu entführt zu werden. Solche Augenblicke findet man unter anderem bei Abanão und Evento im Mittelteil. Wer auf ein Happy End hofft, dürfte bei 100.000 Toten wohl wissen, dass Moonspell darauf verzichten müssen und die Grausamkeit bis in die letzten Züge ausreizen. Nachdenklich bleibt Todos Os Santos in der Schädeldecke hängen, bevor Lanterna Dos Afogados mit Pianospiel, die Lichter aus macht.

Fazit: Ganz großes Theater von Moonspell in der Zeitreise in das zerstörte Portugal von 1755, bei dem die Band es schafft, eine authentische Landschaft zu erschaffen, die jeder Hörer in den Adern spürt. Frostig, gespenstisch - immer mit einem warmen Schlag durch die weichen portugiesischen Vocals. Ein nächster Kracher aus den Händen von Fernando Riberio und Gefolge. Da bleibt nur zu hoffen, dass es in naher Zukunft eine Tour gibt, wo alle Tracks in originaler Reihenfolge zelebriert werden!

Anspieltipps: 1755 und In Tremor Dei
Rene W.
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