Secrets Of The Moon + Support am 15.10.2022 im UT Connewitz, Leipzig

Dunkle Messe zum Abschied des Mondes

Eventname: Secret Of The Moon „The Final Shows“

Headliner: Secrets Of The Moon

Vorbands: Errorr, Dolch

Ort: UT Connewitz, Leipzig

Datum: 15.10.2022

Kosten: 24,15 €

Genre: Noise Rock, Drone, Black Metal, Gothic Rock, Ambient

Besucher: ca. 350 Besucher

Veranstalter:  Swansea Concerts

Setliste:


  1. Run Rabbit Run (Servant EP, 2020)
  2. Smash Hit (Servant EP, 2020)
  3. Heroine
  4. Fuzzy (Servant EP, 2020)
  5. Wrong Direction (Servant EP, 2020)
  6. Makeshift Happy
  7. Servant (Servant EP, 2020)
  8. Deep Blue
  9. With Love From The Grave
  10. Just Another
  11. Parachute


  1. Light’s Out (Nacht, 2022)
  2. Open (Nacht, 2022)
  3. Das Auge (Demo I, 2014)
  4. Halo (Afraid of the Sun) (Feuer, 2019)
  5. Licht (Licht. Maschine. Herz EP, 2015)
  6. Into The Night (Nacht, 2022)
  7. Hiob 1.1 (Demo I, 2014)
  8. I Am OK (Nacht, 2022)
  9. House Of Glass (Nacht, 2022)
  10. Bahrelied (Demo I, 2014)
  11. Burn (Feuer, 2019)


  1. Seven Bells (Seven Bells, 2012)
  2. Miasma (Carved in Stigmata Wounds, 2004)
  3. Seraphim is Dead (Antithesis, 2006)
  4. Hole (Sun, 2015)
  5. Sanctum (Black House, 2020)
  6. Lucifer Speaks (Antithesis, 2006)
  7. Serpent Messiah (Seven Bells, 2012)
  8. He Is Here (Black House, 2020)
  9. Dirty Black (Sun, 2015)
  10. Earth Hour (Black House, 2020)
  11. Man Behind The Sun (Sun, 2015)
  12. Queen Among Rats (Privilegivm, 2009)

Leipzigs ältestes Lichtspielhaus lädt ein. Nein, ich verkneife mir Kalauer wie „Ganz großes Kino“ oder ähnliche Bezüge. Das UT Connewitz dient schon seit sehr langer Zeit nicht mehr als Lichtspielhaus. Viele Jahrzehnte stand es leer und fiel fast ein (DDR eben, wo für nichts Geld vorhanden war), bis es vor einigen Jahren sozusagen wieder wachgeküsst wurde und seitdem – die einst sehr marode Bausubstanz wurde dazu genug gesund-saniert, um als Konzertsaal zu funktionieren – als interessante Spielstätte im Reigen der Leipziger Konzertbühnen ihren verdienten Platz gefunden hat. Das fand vor wenigen Tagen (zeitlich nach dem hier besprochenen Konzert) auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die im Auftrag des Bundes den Kulturpreis „Applaus“ für besonders gelungene Programmplanung von Live-Musikstätten vergibt. Und der Hauptpreis als beste Livemusikspielstätte ging in diesem Jahr an niemand anderen als das UT Connewitz. Der Preis ist immerhin mit 30.000 Euro verknüpft und die können die Veranstalter vom UT Connewitz bestimmt gut gebrauchen. Live-Spielstätten haben es in den letzten Jahren wirklich schwer gehabt. Erst Corona, wodurch nahezu alle Live-Events abgesagt wurden, danach Preissteigerungen durch fehlendes Personal, dass sich während Corona andere Jobs gesucht hatte und nun starke Energiepreissteigerungen. Und beim Publikum sitzt der Euro auch nicht mehr so locker. Man hat es wirklich nicht leicht!

Errorr – Leipzig – 2022

Aber genug der weihevollen hochkulturellen Abschweifungen und dem Lamentieren über die Umstände. Das UT Connewitz lädt an diesem Abend zu einer experimentellen Mischung aus Noise Rock, Ambient, Black Metal, Gothic Rock und Drone. Und das alles mit nur drei Bands! Den Anfang macht Errorr. Errorr ist ein Projekt des schwedischen Multi-Instrumentalisten Leonard Kaage, der aber in Berlin lebt. Das Projekt selbst ist noch recht jung. Bis jetzt wurde 2019 eine EP veröffentlicht, die Servant EP. Aus diesem Album voll mit lustvoll-schrammeligem Noise-Rock mit in weiten Teilen schleppenden, melancholischen Passagen wird an diesem Abend auch fleißig gespielt. Aber natürlich haben Kaage und seine Mitstreiter noch mehr in der Hinterhand, um einen Konzert-Gig zu füllen. Und so wird mit Heroine, Makeshift Happy, Deep Blue, With Love From The Grave, Just Another und Parachute auch viel neues Material gespielt. Das Publikum ist noch dabei, sich warmzulaufen. Vorsichtige zwei Meter Abstand zum Geschehen machen zwar den Fotografen vorne an der Bühnenkante die Arbeit leicht, aber die Stimmung im Publikum ist dann doch noch recht verhalten. Oder sind es einfach die richtigen Fans, die schon im Saal sind und die Musik ihres Idols besonders intensiv auf sich wirken lassen? Noch ist jedenfalls Platz im Haus, das maximal 450 Besucher fasst.

Die zweiten Berliner an diesem Abend kommen von Dolch, die der guten alten Black-Metal-Tradition folgen, nur anonym aufzutreten. Obwohl sie gar keinen Black Metal spielen. Natürlich machen sie das mit der altbekannten Begründung, dass das Individuum hinter der Kunst zurücktreten solle. Schließlich ginge es um die Musik, nicht die Menschen. Jaja, kennen wir. Sehr bedeutungsschwanger. Ihr Set am heutigen Abend besteht etwa zur Hälfte aus Songs ihres neuesten Werkes Nacht, das eher dem Dark Wave zuzuordnen ist. Überhaupt sind an diesem Abend die Genregrenzen recht fließend, was ein wirklich interessantes und faszinierendes Gesamtbild ergibt. In der geplanten FeuerNachtTod-Trilogie von Dolch ist Nacht also das zweite Kapitel. Das Konzert startet auch gleich mit den beiden ersten Songs der Scheibe: Light’s Out und Open: getragen-düstere Stücke, die mit ihrem atmosphärischen Soundteppich, über den die Stimme von Sängerin M hypnotisch beruhigend den Text legt, den Zuhörer langsam in die Welt von Dolch hinübergleiten lässt.

Dolch – Leipzig – 2022

Auch die älteren Songs – und hier geht die Band bis zur Demo I betitelten allerersten Veröffentlichung von 2014 zurück – zeigen schon den gleichen reichen, vielschichtigen Klang aus Post-Black-Metal-Gitarren und bewusst repetitiven Noise-artigen Grundmelodien im Zusammenspiel mit dem Gesang von M. Die Band hat ihren Stil also bereits früh gefunden und baut ihn seitdem immer weiter aus. Die dritte Veröffentlichung, von der sie für den heutigen Auftritt Songs entnehmen, ist das Album Feuer von 2019. Wir erinnern uns: Das ist der erste Teil der geplanten Trilogie, dessen letztes Album noch in der Zukunft liegt. Aus Feuer, das merklich in okkulte Klangrichtungen tendiert, werden Burn und Halo gespielt. Auch hier wieder viel schleppende Gitarren, langsame Rhythmen, getragener Gesang. Insgesamt also ein musikalisch eher düsterer Auftritt, wie er vielleicht auch bei Gothic-Anhängern Gefallen finden würde. Von denen ist aber heute Abend nichts zu sehen. Stattdessen hat sich das UT Connewitz weiter gefüllt, Luft zwischen Bühne und Publikum ist nun nicht mehr vorhanden.

Der Headliner des musikalisch und tatsächlich dunklen Abends kommt nicht aus Berlin, sondern aus Osnabrück. Und wie alle Konzerte ihrer Tour wird auch dieser Auftritt von Secrets Of The Moon denkwürdig. Denn es ist – wie der Tourname The Final Shows schon sagt – ihre Abschiedstour, die Band löst sich danach auf. Und das nach 27 Jahren ihres Bestehens. Secrets Of The Moon starteten noch als Black Metal Band mit im Genre ungewöhnlicher Interpretation dessen, was Black Metal sonst war. Im Laufe ihres Bestehens vollführten sie einige Häutungen und setzten ihre musikalischen Schwerpunkte immer wieder neu. Die Show spannt dann auch den Bogen weit bis zurück zum Album Carved In Stigmata Wounds von 2004, von dem Miasma gespielt wird, ein Song, den viele sicher guten Gewissens als halbwegs typischen Black-Metal-Song bezeichnen würden. Zwischen schnell geknüppelten Gitarrenriffs und trocken geballerten Drums keift der angemessen wütend herausgebellte Gesang. Alles im bekannten Rahmen also. Um die Jahrtausendwende gehörten Secrets Of The Moon zur Speerspitze des deutschen Black Metal, aber die Band hat sich noch nie auf irgendetwas ausgeruht, sondern war rastlos immer an Neuem interessiert, was ihren Sound ständigen Veränderungen unterwarf.

Secrets Of The Moon – Leipzig – 2022

Das nur wenige Songs später gespielte Halo vom Album Sun von 2015 ist schon ein völlig anderes Genre. Langsam, fast schleppend ist es eher Post Black Metal, wenn überhaupt noch. Und die Metamorphosen gehen weiter. Sanctum vom letzten Album Black House ist astreiner Gitarren-Dark-Rock, melodisch bis ins Mark. Doch die neuen, vom Dark Rock stark beeinflussten Songs, bilden an diesem Abend nur einige Puzzle-Teile des Konzerts. Schnell ist man wieder bei älteren Stücken wie Lucifer Speaks von Antithesis, das deutlich Metal-lastiger daherkommt und durchaus Black-Metal-Anklänge aufweist. Auch Serpent Messiah vom 2012er-Album Seven Bells schlägt in die gleiche Kerbe. Die Aggressivität des Black Metal ist noch deutlich spürbar, trotz eingängigeren Passagen. Das alles ist die Musik, die das Publikum hören will. Während die Bühne regelmäßig von Nebel eingewallt wird und die Musiker im spärlichen Licht den nächsten Song performen, ist das Publikum aufmerksam dabei. An der grundsätzlichen Ausrichtung ihres letzten Albums als Dark Rock ändern auch die beiden im Set gespielten Songs He is Here und Earth Hour nichts. Aber auf jeden Fall kommen sie live gespielt mit ordentlich Druck auf den Boxen und in nebel- und schattengeschwängerten Atmosphäre sehr gut rüber.

Secrets Of The Moon – Leipzig – 2022

Der Gig, einer der letzten auf dieser letzten Tour der Band, endet mit Queen Among Rats, einem der sehr guten Stücke, die noch einmal richtig reinknallen, vom ansonsten eher von der Kritik als mittelprächtig eingeordneten Album Privilegivm. Wir werden Secrets Of The Moon vermissen!

Letztendlich muss man sagen, der Veranstalter hat hier ein sehr gutes Händchen bewiesen, drei Bands zusammenzustellen, die jede für sich einen ganz eigenen Klang haben und doch auf vielen Ebenen nahtlos zueinander passen, den Stil des einen als eigene Variante weiterführen oder unterschiedliche Akzente setzen. Das UT Connewitz war schon bei Dolch gut gefüllt und spätestens mit Beginn der Show von Secrets Of The Moon richtig gut besucht. Und ich wüsste auch, was die Betreiber mit den 30.000 Euro Preisgeld des eingangs erwähnten Preises machen könnten: Eine Lichtanlage installieren, die dafür sorgt, dass man auch sieht, wer auf der Bühne steht. Das wäre doch mal was!