The Plot In You – Swan Song

Das Ende aller Hoffnungen?

Artist: The Plot In You

Herkunft: Ohio, USA

Album: Swan Song

Spiellänge: 35:22 Minuten

Genre: Metalcore, Post-Hardcore, Alternative Rock

Release: 17.09.2021

Label: Fearless Records / Spinefarm Records

Link: https://www.facebook.com/theplotinyou/

Bandmitglieder:

Gesang – Landon Tewers
Gitarre – Josh Childress
Bassgitarre – Ethan Yoder
Schlagzeug – Michael Cooper

Tracklist:

  1. Letters To A Dead Friend
  2. Fall Again
  3. Face Me
  4. Too Far Gone
  5. Paradigm
  6. Both To Blame
  7. Too Heavy
  8. Enemy
  9. Whole Without Me
  10. Freed

Glaube, Liebe, Hoffnung oder im Sinne des fünften Albums von The Plot In You: das Ende von alldem. Dieser Swan Song ist ein Abgesang, Trauerverarbeitung und Therapie in Reinkultur. Beziehungen, Freundschaften, Menschenleben enden und Sänger Landon Tewers verarbeitet seinen Schmerz im lyrischen Kontext des neuen Albums der Amerikaner. Musikalisch ist man der Blütezeit des Metalcore spätestens mit dem letzten Output Dispose entwachsen. Dass sich dieser Schritt in Richtung der Vorbilder Architects und Bring Me The Horizon lohnen kann, beweisen die superben Streaming-Ergebnisse der Band. Allein der Hit Feel Nothing kommt bis heute auf 45 Millionen (!) Streams in Kombination aus Spotify und YouTube. Als Verfechter des Metalcore der alten Schule betrachte ich diese Entwicklung durchaus mit kritischen Augen. Bands wie While She Sleeps beweisen, dass man den Spagat zwischen Härte und Moderne durchaus gekonnt umsetzen kann, ohne zu sehr in Richtung Pop abzudriften. Was erwartet den Hörer also auf Swan Song?

Der Opener Letters To A Dead Friend könnte mit seinen Anflügen von R&B und Dance-Pop auch auf einer Bieber/Sheeran-Platte zu finden sein. Die Vocals von Landon Tewers und die Breitwand-Drums haben dann im Verlauf des Songs ebenfalls etwas von Thirty Seconds To Mars. In der letzten Minute geht es passend zum Titel deutlich düsterer zu. Tewers zitternde Stimme leidet still, nur um dann all seinen Schmerz in markerschütternden Schreien freizulassen.

Noch einen Schritt auf den Abgrund zu macht Fall Again. Geschwärzte Industrialbeats und dicke Gitarrenwände liefern den passenden Soundtrack für diesen musikalischen Drogentrip. The Plot In You verschmelzen ihre Einflüsse aus Metalcore, Electro und Pop und wenden sich immer mehr dem Post-Hardcore zu. Face Me beginnt wieder sehr poppig, behält aber stets diesen bedrückenden Unterton, um nicht in seichte Gewässer abzudriften. Nur das Zittern und Wimmern in der Stimme von Tewers wurde hier etwas übertrieben umgesetzt. Zum Glück screamt und shoutet er im weiteren Verlauf wieder mehr. Die Mischung macht’s.

Too Far Gone ist im direkten Vergleich eher ein leicht verdaulicher Alternative Rocker, der auch im Stadionumfeld funktionieren würde. Die Single Paradigm machte mich als Erstes auf das neue Material des Quartetts aufmerksam. Hier haben The Plot In You für meinen Geschmack diese viel zitierte perfekte Mischung aus Melancholie, Hitpotenzial und Härtefaktor gefunden. Der Refrain bleibt hängen, ohne dass der Song an Durchschlagskraft verliert. Gitarre und Bass grooven ohne Unterlass und bauen ein solides Fundament unter die starken Gesangsmelodien.

Both To Blame greift zu Beginn zu einem bewährten Thema auf Swan Song: Gesampelte, weibliche Gesangsspuren liegen auf einem wärmenden Keyboardteppich. Auftritt Landon Tewers, der zum wiederholten Male seine Stimmbänder testet. Seine Performance hebt den Bandsound von der grauen Masse ab. Zeit, um auch die neue „Nicht-Metal-Freundin“ von seiner Lieblingsmusik zu überzeugen. Dafür sorgt Too Heavy, der auch zum gemütlichen Kuschelabend taugt. Der Text befasst sich dann auch passend dazu mit dem verzweifelten Festhalten an einer gescheiterten Beziehung.

Enemy ist ein echtes „Two-Face“ auf Swan Song. Die bekannten Samples leiten neben dem knurrenden Bass noch recht harmlos, aber dennoch gedrückt ein. Dann reißen Vocals und verzerrte Bassgewitter alles in die Tiefe. Je schwerer der Sound wird, desto mehr Gefallen finde ich daran. So tut mir die Band auch den Gefallen und bleibt „ganz unten“. Whole Without Me flüstert das nächste Kapitel dieser vertonten Jagd der eigenen Dämonen. Tewers Stimme wird in das dichte Klangnetz eingewoben und bekommt so noch mehr Tiefgang.

„Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein“, sagte einst Friedrich Nietzsche. Man kann diesen ernst gemeinten Schmerz spüren. Ein allerletztes und intensives Mal im letzten Titel namens Freed, was so viel wie „befreit“ bedeutet. Es soll jeden daran erinnern, dass man Dinge und Menschen im Leben auch loslassen muss, um sich selbst zu schützen. Musikalisch beginnt das Stück minimalistisch. Dann wird ganz tief Luft geholt vor dem letzten großen Sprung. Die Breitwand-Drums kehren zurück und liefern Tewers die richtige Grundlage, um sein persönliches Finale in Stein zu meißeln.

The Plot In You – Swan Song
Fazit
Swan Song ist gewiss kein Album für einen gemütlichen Strandspaziergang. Hier wurden all der Schmerz, die Wut und die Verzweiflung der letzten Jahre kanalisiert, um sie in intensiven 35 Minuten zu entladen. Wer in Genre-Grenzen denkt, wird mit dem neuen Material von The Plot In You nicht glücklich. Wer den Blick über den Tellerrand nicht nur wagt, sondern sich gleich kopfüber von der Klippe stürzt, wird mit moderner Musik irgendwo zwischen Pop, Metalcore und Post-Hardcore belohnt.

Anspieltipps: Fall Again, Paradigm und Whole Without Me
Florian W.
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