Interview mit Peavy Wagner von Rage

Der Frontmann spricht über neu gewonnene Harmonien an der Gitarrenfront, das kommende Album und die Zukunft der Menschheit

Artist: Rage

Herkunft: Herne, Deutschland

Genre: Power Metal

Label: Steamhammer/SPV

Link: https://www.facebook.com/RageOfficialBand

Bandmitglieder:

Gesang und Bass – Peavy Wagner
Gitarre – Stefan Weber
Gitarre – Jean Borman
Schlagzeug – Vassilios Maniatopoulos

Peter Wagner (oder wie ihn alle besser kennen unter seinem Spitznamen Peavy) ist schon so lange in der Metalszene aktiv wie der Schreiber dieser Zeilen auf der Welt. Mitbegründer der Urgesteine von Rage und treibende Kraft für Genres wie Speed Metal, Thrash Metal und Power Metal. Zusammen mit dem Lingua Mortis Orchester hat er dazu beigetragen, Klassik im Metal salonfähig zu machen. Am 17.09.2021 erscheint das mittlerweile 26. Studioalbum von Rage namens Resurrection Day. Lest selbst, was der sympathische Frontmann dazu zu sagen hat.

Time For Metal / Florian W.:
Moin Peavy,
ich begrüße dich mal wie unter Freunden, dabei sind wir uns noch nie begegnet. Allerdings begleiten Rage meine Kumpels und mich schon seit über 20 Jahren. Dabei gibt es euch schon exakt so lange wie mich (1984 als Avenger). Über 20 Jahre ist es auch schon her, dass man euch zu viert bestaunen konnte, und zwar auf dem Album Ghosts, wenn mich nicht alles täuscht. Wie kam es zur Rückkehr zu einem Gitarrenduo (Stefan Weber und Jean Borman) bzw. woher kommt die beständige Unbeständigkeit in eurem Line-Up?

Rage / Peavy Wagner:
Mitten in der Produktion von Ghosts sind die beiden Gitarristen (Spiros Efthimiadis und Sven Fischer) abgewandert und ich musste das mit Victor Smolski fertigmachen. Das letzte Album in voller Besetzung war also die XIII.

So unbeständig ist unser Line-Up auch wieder nicht, verglichen mit anderen Bands. Kein Line-Up war unter fünf Jahren zusammen. Wenn man sich andere Bands anschaut, die haben jedes Album oder jede Tour andere Musiker. Es liegt nicht unbedingt an mir. Es ist nicht so, dass ich die Leute ständig rausschmeißen würde. In den meisten Fällen waren es die Entscheidungen der Musiker aus privaten Gründen oder wegen musikalischer Umorientierung. Zweimal musste ich jemanden feuern, weil da geschäftlich dumme Sachen gelaufen sind. Ansonsten sind die Leute aus freien Stücken gegangen. So viel zu dem Gerücht, wir hätten ständig Line-Up-Wechsel [lacht].

Das mit dem vierer Line-Up habe ich mir schon länger wieder gewünscht. 2015 sind ja dann Marcos (Rodríguez/Gitarre) und Lucky (Vassilios Maniatopoulos/Drums) dazugekommen und wir haben uns musikalisch wieder viel mehr an den 90ern orientiert. Black In Mind, End Of All Days und solche Alben, die im Quartett entstanden sind. Ich weiß gar nicht, warum wir das nicht viel eher in Angriff genommen haben. Wir haben lange nicht darüber nachgedacht, einen zweiten Mann an der Gitarre dazuzuholen. Wir hatten schon mal auf einer Tour (Black In Mind Jubiläum 2015) einen Gast-Gitarristen.

Ende 2019 gingen dann die Gespräche zu dem Thema los. Alle fanden die Idee gut, auch Marcos. Wir hatten uns direkt überlegt, Stefan Weber (ex-Axxis) zu fragen, der jetzt auch dabei ist. Allerdings hatten wir zu dem Zeitpunkt gerade die Wings Of Rage fertig, die stand in den Startlöchern und kam im Januar 2020 raus. Bevor wir da Nägel mit Köpfen gemacht haben, wollten wir erst mal die erste Tour-Etappe spielen und später im Jahr dann die Aufstockung vornehmen. Bevor die Tour Ende Januar losging, hatte Marcos dann schon private Probleme, die ihn dazu zwangen, aus Deutschland wegzugehen, nach Teneriffa, wo er ursprünglich herkommt. Die Probleme wurden immer schlimmer. Bis Ende Februar konnten wir noch touren, dann kam der Lockdown. Die ersten Monate dachten wir, dass es trotz der großen Distanz klappt, aber seine Angelegenheiten zwangen ihn etwas später zum Ausstieg. Wir sind immer noch Freunde und ich habe ihm versprochen, dass ich seine genauen Gründe aus der Öffentlichkeit heraushalte. Er ist am traurigsten darüber, dass er seinen Kindheitstraum wieder beerdigen musste.

Foto: (C) Julez Braun

Da wir mit Stefan eh schon in Gesprächen waren, haben wir ihn erst mal dazu geholt, damit wir auch kurzfristig wieder handeln konnten. Wir hatten auch schon Angebote für Streaming-Auftritte (u. a. für Magenta Musik) die Stefan dann alleine gespielt hat an der Gitarre. Nachdem Marcos dann endgültig die Segel streichen musste, haben wir Jean (Bormann von Angel Inc und Rage & Ruins) dazu geholt. Die Idee, als Quartett weiterzuarbeiten, fand ich sehr gut. Stefan und Jean sind ein sehr gutes Team geworden, sie haben sich sehr gut aufeinander eingespielt. Sie arbeiten sehr harmonisch und kooperativ zusammen, was auch sehr wichtig ist, wenn man zwei Gitarristen hat. Konkurrenzgehabe und Ego-Geschichten würden es nur unnötig schwierig machen, in so einer Konstellation zu arbeiten. Mit den beiden haben wir echt Glück gehabt, das passt sehr gut zusammen. Leider bisher ohne richtige Tour, nur mit vereinzelten Shows. Hoffentlich geht’s bald wieder los damit.

Time For Metal / Florian W.:
Dann wünsche ich dir ein langes Leben für dieses Line-Up. Das hört sich gut an, wenn man keine zwei Alphamännchen an der Gitarre hat, die jeweils das längere Solo spielen wollen.

Rage / Peavy Wagner:
Ich habe beiden zum Einstieg gesagt, dass ich mir wünsche, dass sie wenigstens zehn Jahre durchhalten [lacht]. Ich weiß zwar nicht, was in zehn Jahren ist, aber das ist schon mal eine ganz gute Zeit. Wenn jemand zehn Jahre durchhält, dann vielleicht auch 20 [lacht]. Beide können es sich vorstellen und haben sich innerlich darauf eingestellt [lacht].

Time For Metal / Florian W.:
Kurzer Gedächtnistest: Vor 18 Jahren habe ich euch das erste Mal auf dem Blind Guardian Open Air in Coburg gesehen. Was schwirrt zu diesem Festival noch in deinem Kopf herum?

Rage / Peavy Wagner:
Wow, ja klar, da erinnere ich mich noch dran. Bemerkenswerte Erlebnisse fallen mir jetzt nicht ein. Grave Digger waren auch dabei. Das war halt echt schön mit all den Kumpels dort. Die Guardians sind auch schon ewig lange Freunde von mir. War ein schöner Tag, das ist das Einzige, was ich noch weiß. Kein Stress, kein Ärger und ein gutes Publikum.

Time For Metal / Florian W.:
Kommen wir zu eurem mittlerweile 26. (!) Studioalbum Resurrection Day, welches am 17.09. erscheint. Ich durfte schon reinhören und finde es ausgesprochen abwechslungsreich. Vor allem bei der ersten Single Virginity war ich mir mit meinem Kumpel einig: Klingt nach good old Rage. Nichtsdestotrotz stechen die Twin-Lead-Guitars hervor und der Sound klingt schon wie eine Frischzellenkur, auch die Produktion. Melodisch und angepisst zugleich. Wie würdest du das kommende Album beschreiben?

Rage / Peavy Wagner:
Die Beschreibung finde ich sehr gut. Die Jungs sind heiß und wollen erst mal allen zeigen, was sie draufhaben. Die beiden haben richtig Bock und es ist ihre erste Chance, sich der größeren Öffentlichkeit zu präsentieren. Sie sind ja beide auch noch relativ jung. Es spiegelt auch die extrem gute Stimmung zwischen uns allen wider. Das Schöne ist, dass du mit zwei Gitarren auch spannendere Arrangements machen kannst, mehr Harmonien. Ich weiß nicht, ob das dann frischer klingt, aber schon geiler. Ich steh auf so ‘n Zeug. Live lässt sich das mit einer Gitarre schwerer umsetzen, da muss man mit Bandeinspielungen oder Effektgeräten arbeiten. So hat man deutlich mehr Möglichkeiten. Ich denke, das hört man der Platte an, dass wir alle Spaß daran hatten, wieder so zu arbeiten.

Time For Metal / Florian W.:
Es klingt auch besser in den Gesamtsound integriert. Ohne das hier jemand etwas falsch interpretiert, ich liebe auch die Alben mit Victor Smolski. Da wusste ich allerdings genau „klick-bumm-zack“, jetzt kommt das Smolski-Solo. Die Gitarrenharmonien haben sich nicht durch den ganzen Song gezogen.

Rage / Peavy Wagner:
Die Jungs arbeiten extrem songdienlich. Da geht’s nicht darum, die ganze Zeit nur Show zu machen. Victor Smolski ist halt ein Selbstdarsteller, der allen unter die Nase reiben muss, was er drauf hat. Der Ansatz von Jean und Stefan ist ein anderer, da geht’s darum, dass die Songs möglichst geil rüberkommen. So ist der Ansatz von uns allen in der Band. Das lief so ab: Für die meisten Stücke hatte ich schon ein Grundgerüst aus Akkorden, Harmonien und Melodien. Auch von den Grooves und Riffs hatte ich schon eine Vorstellung. Ich hab es dann den Jungs gezeigt und wir haben es zu viert ausgearbeitet. Ich wollte möglichst viele Ideen der anderen einbauen. Eine sehr schöne Teamarbeit – mehr als in der Vergangenheit. Lucky wurde auch viel mehr einbezogen. Er hat bei mehreren Songs seinen Part eingebracht. Das hat er in der Vergangenheit noch nicht gemacht, dabei ist er ein guter Komponist. So viel Teamarbeit hatten wir schon lange nicht mehr. Vielleicht bringt das diesen kleinen Unterschied auf dem Album zum Ausdruck.

Time For Metal / Florian W.:
Gefällt mir sehr gut, dass jeder was einbringt. Ich hatte jetzt gerade das kommende Album von Tri State Corner (Band von Lucky – das Album Stereotype kommt am 01.10.21) zur Rezension hier. Da merkt man auch, dass die Jungs Songs schreiben können.

Vassilios „Lucky“ Maniatopoulos

Rage / Peavy Wagner:
Da macht ja der Lucky im Grunde alles. Fand ich auch schön, dass er für Rage ein paar Ideen eingebracht hat.

Time For Metal / Florian W.:
Travelling Through Time sticht besonders hervor. In der Vergangenheit habt ihr eh schon vieles ausgelotet wie z. B. das Lingua Mortis Konzept. Trotzdem habe ich so einen Song noch nicht von euch gehört, obwohl es für mich DEN typischen Rage-Sound eigentlich gar nicht gibt. Was gibt es zur Entstehung der Nummer zu sagen?

Rage / Peavy Wagner:
Die ganzen verschiedenen Elemente machen genau den Rage-Sound aus. Dieser Spagat zwischen thrashigen Elementen und großen epischen Momenten, Melodien und orchestrierten Arrangements. Das ist schon ein weitgefächertes Feld, aber in der Kombination macht es den typischen Sound dieser Band aus.

Zu dem Song: Da ist viel Klassik drin. Er basiert auf einem Thema der Renaissance (Schiarazula Marazula), des italienischen Komponisten Giorgio Mainerio. Eigentlich war er Kirchenmusiker, hat aber auch einen Tanzzyklus entwickelt, der ihn bis heute überdauert. Die meisten Leute kennen die Melodien aus diesem Zyklus, wissen aber nicht, woher sie stammen. Ich habe mal einen schönen Vergleich in einer Biografie über ihn gelesen: „Der Dieter Bohlen der Renaissance.“ [lacht] Das war damals so populär, das haben alle gespielt und getanzt.

Das Thema hatte ich schon in jungen Jahren gelernt, ich habe mit neun Jahren schon angefangen, klassische Gitarre zu spielen. Als wir an den Ideen arbeiteten, habe ich das mal angespielt, war mir aber nicht sicher, ob das zu Rage passen würde. Ich hatte ein paar Ideen, einen Refrain, Grooves und Melodien. Jean ist darauf angesprungen und fand die Idee klasse. Er hat mich bestärkt, das zu machen. Bei unseren Vorproduktionen hat er meistens die Drums programmiert. Dann hat er dazu Gitarre gespielt und etwas vorgelegt. Ich habe dann gemerkt, dass er den Rhythmus falsch gesetzt hatte. Das fand ich dann allerdings so interessant, dass wir es so übernommen haben. Dieser „Irrtum“ war der Grundstock. Später kamen dann noch die geilen Orchestrierungen von Pepe Herrero dazu, dem Dirigenten vom Lingua Mortis Orchester. Er hat wieder ein paar schöne Orchestrierungen für das Album gemacht und auch diesen Song zu seinem Ursprung zurückgeführt. Aus der Klassik zum Metal und wieder zurück zur Klassik.

Time For Metal / Florian W.:
Cool, dass der Song so lange in deinem Kopf war und jetzt doch noch den Weg auf eine Platte gefunden hat.

Rage / Peavy Wagner:
Ich weiß nicht, ob ich ihn genommen hätte. Da er sich jetzt doch vom originalen Thema unterscheidet, durch Jeans Verwechslung, macht es für mich noch mehr Sinn. Ich wollte nicht einfach nur ein Klassik-Thema covern. So ist es inspiriert, aber nicht dasselbe [lacht]. Da hat der Kommissar Zufall mitgespielt. Wahrscheinlich sind es höhere Mächte, die einen da führen.

Time For Metal / Florian W.:
Das erlebe ich in Interviews häufiger bei der Frage nach der Entstehung eines Songs. Da lautet die Antwort dann: „Keine Ahnung, wahrscheinlich Eingebung.“

Rage / Peavy Wagner:
Manchmal führt einen die Intuition da hin und man fragt sich, wer einem das jetzt wieder eingeflüstert hat. So funktioniert das halt mit der Kreativität.

Time For Metal / Florian W.:
Solange du nach so vielen Alben noch kreativ bist, ist doch alles gut.

Rage / Peavy Wagner:
Auf jeden Fall wie eine unerschöpfliche Quelle. Vielleicht, weil man es gar nicht so viel analysiert. Ich mache mir keine Gedanken dazu, ich bin einfach froh, wenn die Ideen fließen. Dann frage ich auch nicht nach, wo es herkommt. Einfach fließen lassen und aufnehmen.

Time For Metal / Florian W.:
Euer Vorteil ist unser Nachteil. Wir Schreiber versuchen alles zu analysieren, auseinanderzupflücken und irgendwo einen Sinn zu finden.

Rage / Peavy Wagner:
Das will ich nicht machen. Mich hat letztens jemand gebeten, meine Top Ten aus den bisherigen Rage-Veröffentlichungen zu nennen. Das wollte ich nicht beantworten. Alle Alben und Songs sind gleich wichtig. Das ist nicht meine Aufgabe, meine Musik zu bewerten. Ich mache Musik und bewerten können es andere. Ich finde es nicht so wichtig, das zu bewerten (Anm. d. Verf.: In der Redaktion brechen gerade Herzen). Ich möchte nicht wissen, warum einem die Musik gefällt und andere nicht.

Time For Metal / Florian W.:
Magazine machen gerne solche Rankings, da bildet auch Time For Metal keine Ausnahme. Aber wie soll man ein Album von 1988 mit einem aus 2014 vergleichen?

Rage / Peavy Wagner:
Da vergleicht man Äpfel mit Birnen. Musik ist reine Geschmackssache, obwohl jeder seine persönlichen Kriterien hat, nach denen man aussortiert. Die eigene Meinung sollte nicht als Tatsache hingestellt werden. Musik, die man selbst als totalen Mist empfindet, hat ja für andere eine Bedeutung. Man sollte aus seiner Meinung kein Dogma machen, das finde ich sehr anmaßend.

Time For Metal / Florian W.:
Im Promoschreiben habe ich gelesen, dass du in den Texten auf Resurrection Day die Menschheitsgeschichte aus philosophischer und psychologischer Sicht betrachtest. Gibt es zur aktuellen Lage der Gesellschaft überhaupt noch etwas Positives zu sagen?

Rage / Peavy Wagner:
Ich habe es deswegen Resurrection Day (dt. Tag der Auferstehung) genannt, weil wir als Menschheit ja immer noch die Möglichkeit haben, das Steuer rumzureißen. Wie wir uns heute entscheiden, das wird die Zukunft enorm beeinflussen. Wir haben jederzeit die Möglichkeit zu einer positiven Entscheidung, die uns nach vorne bringt und eine positive Zukunft hervorbringen wird. Die Auferstehung liegt in unserer eigenen Hand. Wir können uns aus den ganzen Problemen, in die wir uns reinmanövriert haben, auch wieder herausholen.

Ich bin seit jeher an Anthropologie interessiert und habe auch eine riesige Sammlung zu dem Thema. In der Jungsteinzeit vor ca. 10.000 Jahren fand ein massiver Wechsel der kulturellen Evolution der Menschheit statt. Damals gingen die Menschen von Jäger- und Sammlertum zu Ackerbau und Viehzucht über. Von einem Leben mit der Natur, wie es vereinzelte Völker heute immer noch tun, zu einem massiven Eingriff in die Natur. Die erste Vorstellung, dass sich da ein paar Leute ein Weizenfeld angebaut und ein paar Kühe gehalten haben, die ist ja noch ganz nett, aber du siehst ja, was daraus geworden ist. Wenn man sich heute anschaut, wie stark wir in die Natur eingreifen. Nicht nur in der Landwirtschaft, sondern mit allem, was wir in den letzten 10.000 Jahren erfunden haben. Dadurch haben wir die Welt so massiv verändert, dass wir kurz davor sind, unseren eigenen Lebensraum zu vernichten und uns den eigenen Ast abzusägen. Es ist schon fünf nach 12, aber noch sind nicht alle Chancen verbrannt, um das Steuer noch mal rumzureißen. Ich hoffe, dass wir alle langsam wach werden und vielleicht kann ich ein paar Leute zum Denken anstoßen. Mehr kann ich als Künstler nicht machen. Vielleicht treffen wir langsam bessere Entscheidungen. Wir haben jetzt wieder eine Chance, denn bald ist wieder eine Wahl. Dann können wir uns ein paar andere Führer hier hinsetzen, die mehr im Sinne der Zukunft der Menschen entscheiden und nicht nur den Status quo erhalten. Ich nenne jetzt mal keine Namen, aber man kann sich denken, wen ich meine [lacht].

Time For Metal / Florian W.:
Man merkt schon, dass es uns die Natur in den letzten Jahren heimzahlt.

Rage / Peavy Wagner:
Das ist alles noch relativ harmlos, aber unübersehbar auf der ganzen Welt, wie sich die ganzen extremen Wetterereignisse und damit verbunden Dramen häufen. Das hat es früher auch schon gegeben, aber nicht so massiv. Im letzten halben Jahr ist nicht eine Woche vergangen, in der es nicht irgendwelche extremen Ereignisse auf der Welt gab. Vieles haben wir nicht registriert, weil wir nicht persönlich betroffen waren. Wenn man mal ein bisschen die Nachrichten verfolgt, dann ist immer irgendwo auf der Welt etwas los. Wenn man die wissenschaftlichen Prognosen verfolgt, dann sieht man, wie sich der Golfstrom verlangsamt und der Jetstream sich verändert. Die Wetterverhältnisse, die in unseren Breiten für ein einigermaßen stabiles Klima gesorgt haben, verändern sich gerade massiv. Da wird sich einiges tun in den nächsten Jahrzehnten. Da wird es immer einige geben, die das alles für Quatsch halten. Die werden mit den Ohren schlackern, wie es hier dann zugeht. Da können wir ziemlich sicher sein. Wir leben hier noch in einem der besten Teile der Welt, wo es noch am gemütlichsten bleiben wird, verglichen mit anderen Zonen. Riesige Landstriche werden nicht mehr bewohnbar sein in absehbarer Zeit.

Time For Metal / Florian W.:
Das ist auch die Wahrnehmung aus Deutschland, weil bei uns noch nicht genug passiert ist.

Rage / Peavy Wagner:
Ja, bis jetzt waren es immer nur lokale Geschichten, aber die werden sich auch häufen. Wir sind noch im gemäßigten Teil der Welt. Die Ereignisse in Richtung des Äquators werden wir hier wohl nicht erleben. Schau mal in Richtung der abschmelzenden Pole und versuch mal aktuell in Sibirien zu leben, wo der ganze Permafrostboden auftaut und ganze Städte im Schlamm versinken. Das wird in absehbarer Zeit nicht mehr bewohnbar sein. Die Polkappen schmelzen, dadurch ändern sich sämtliche Meeresströmungen. Das haben wir bis jetzt noch gar nicht durchschaut, was das für Auswirkungen hat. Aber das ist ja kein Geheimnis, dass auf der Welt alles zusammenhängt. Je mehr wir eingreifen, desto mehr wird sich auch verändern. Das ist für die Welt nicht unbedingt schlimm, aber für die extrem organisierte Spezies Mensch wird sich sehr viel ändern. Worauf augenblicklich unser Wohlstand fußt, das wird wegbrechen.

Time For Metal / Florian W.:
Das sollte eigentlich jedem klar sein, der nicht nur von hier bis zur Kirchturmspitze denkt.

Rage / Peavy Wagner:
Viele leben noch in der Illusion der Separation. Wir sind aber nicht separiert. Alles hängt zusammen. Der blödeste Sack Reis, der in China umfällt, hat bildlich gesprochen irgendwann einen Zusammenhang mit Ereignissen, die hier stattfinden – der Butterfly Effect.

Time For Metal / Florian W.:
Ein kurzer Schwenk zu positiven Erlebnissen aus der jüngsten Vergangenheit. Ihr habt vor wenigen Tagen die Festivals Ostrava V Plamenech (Tschechien) und Rock For Animal Rights (Sandstedt, DE) gespielt. Wie schön war es nach dem „Entzug“?

Rage / Peavy Wagner:
[lacht] Das erste Ding haben wir in Ostrava vor 6.000 Leuten gespielt. Das war überwältigend. Ich glaube, die hatten auch 3G dort, aber keinen Abstand oder Masken. Da wurde gefeiert, wie zu besten Zeiten. So, wie man es von früher kennt. Damit haben wir nicht gerechnet. Das hat tierisch Spaß gemacht, hoffentlich gibt es bald mehr davon.

Auf dem Rock For Animal Rights gab es eine Limitierung, die durften nur eine bestimmte Anzahl aufs Gelände lassen. Dann gab es Barrieren zwischen den Fans, sodass nicht alle knuddeln konnten. Es wurde aber nicht mehr so streng kontrolliert wie im letzten Jahr. Also damals mit Strandkörben oder Bierbänken und keiner durfte aufstehen. Einige halten sich dann doch nicht daran, so kommt keine Stimmung auf. Auf dem Festival war es ein bisschen schöner, weil die Leute sich wieder freier bewegen durften. Es wurden allerdings alle Leute vorher getestet, selbst die Geimpften. Schöne Sache, wieder live zu spielen.

Time For Metal / Florian W.:
Ich danke dir für deine Zeit und deine Antworten, denn das nächste Interview drängt bei dir. Viel Spaß auf der kommenden Tour, eventuell sieht man sich in Hamburg.

Rage / Peavy Wagner:
Ich danke dir auch. Das wäre doch schön, wenn man sich in Hamburg sieht. Bis bald.

Tourdaten 2021:

12.11. CH-Sarnen – UrRock Musik Festival
23.11. DE-München – Backstage
26.11. DE-Hamburg – Markthalle
27.11. DE-Rostock – Zwischenbau
03.12. DE-Mannheim – 7er Club
06.12. DE-Regensburg – Airport Eventhalle
08.12. DE-Stuttgart – Universum
09.12. DE-Siegburg – Kubana
10.12. DE-Nürnberg – Z-Bau
12.12. DE-Essen – Turock