Eisregen – Todestage

“Hoffentlich folgt Menschenmaterial…“

Artist: Eisregen

Herkunft: Deutschland

Album: Todestage

Spiellänge: 50:33 Minuten

Genre: Dark Metal

Release: 15.11.2013

Label: Massacre Records

Link: https://www.facebook.com/eisregen.official

Bandmitglieder:

Gesang – Blutkehle
Gitarre – Bursche Lenz
Keyboards – Dr. Franzenstein
Schlagzeug – Yantit

Tracklist:

  1. Waldgott
  2. Todestag
  3. DSDSL (Deutschland sucht die Superleiche)
  4. Höllenfahrt
  5. Lang lebe die Nadel
  6. Familienbande: Vater Tod & Mutter Nacht
  7. Oh wie sie schrie
  8. Mitternacht
  9. Oststern am Narbenhimmel
  10. Tot/Untot
  11. Seele mein

Eisregen - Todestage
Auch wenn ich dazu angehalten bin, die CD, die mir vorliegt und nicht das Werk, dass mir NICHT vorliegt, zu bewerten: Eine CD einen oder zwei Tage vor Veröffentlichung zu verschieben, weil man vermutlich (die Band äußert sich natürlich nicht konkret) kalte Füße bekommt, weil ein Lied Probleme bereiten könnte, ist schwach. Ja, Blutkehle lebt von der Musik und ich kann mir auch gut vorstellen, dass sich der ein oder andere Moralapostel über ein Lied wie Flötenmongo aufregt, aber gerade bei einer Band wie Eisregen, die schon immer mit ihren Texten provozierte und polarisierte, kommt die Selbstzensur einer Bankrotterklärung gleich. Auch wenn man spätestens seit Landser weiß, dass Texte ein Ticket in den Knast sein können… Berufsrisiko! Die Band, mit der ich anfing, extremeren Metal zu hören, hat sich innerhalb von zwei Tagen in meinen Augen komplett selbst demontiert.

Aber kommen wir zum eigentlichen Werk, Flötenmongo ist eh ein grottenschlechtes Lied (Youtube hilft), die Spielzeit der CD ist mit über 50 Minuten immer noch recht üppig, ich hätte mir trotzdem Ersatz gewünscht. Natürlich hat die Zensur bei der Bewertung von Todestage kein Gewicht.

Also los geht’s: Waldgott glänzt mit einer Atmosphäre, die vor allem durch die Bratsche, die auf dem Album vermehrt zu hören ist, erzeugt wird. Allerdings fährt man die Karre mit dem Liedende so gegen die Wand, dass selbst Personen mit flexiblem Humor eher das kalte Kotzen als einen Lachanfall kriegen. Todestag ist, wenn man die erste halbe Minute auslässt, das beste Lied der CD, der Text ist schön bösartig geschrieben und vor allem der Abschied von seinem Schatz ist musikalisch außerordentlich gut umgesetzt.

Den ersten Kratzer kriegt die CD mit DSDSL verpasst. Musikalisch unterer Durchschnitt, textlich ein Totalausfall, trotz potenziell guter Idee. Höllenfahrt klingt ein wenig nach dem Black Metal-Projekt Panzerkreutz, ohne aber an dessen Klasse heranzukommen. Spätestens beim vierten Lied fällt auf, dass die Blutkehle ein stimmliches Problem zu haben scheint, da der Gesang ein Schatten seiner selbst ist und nicht im Ansatz an die Leistung bis einschließlich Knochenkult und vielleicht auch noch Schlangensonne herankommt. Und Blast Beats mit den für Eisregen typischen eher simplen Riffs sind nicht wirklich die Stärke der Band.

Lang lebe die Nadel ist abseits des Refrains recht gelungen, der Text hätte – meiner Meinung nach – mehr in die Tiefe gehen dürfen. Familienbande knüppelt wieder solide, aber tendenziell eher belanglos. Gleiches Adjektiv gilt auch für Oh wie sie schrie, das der fülligste Füller des Werkes ist. Mitternacht ist unfassbar simpel gestrickt, dafür aber ein Ohrwurm vor dem Herren. Das Bonuslied, das auf einigen Versionen des Albums vorhanden ist, basiert übrigens auf der gleichen Melodie, wird aber von einer grandios unfähigen Sängerin gesungen, inklusive dem schlechtesten Text der Metalgeschichte. Eine Frechheit.

Update: Eine Frechheit ist es, ein Kind mit einer Frau zu verwechseln. Mich hat der Bonustrack so gewurmt, dass ich noch einmal nachgeforscht habe, warum das Lied so weit abfällt. Da das Bonuslied wie gesagt nicht auf allen Versionen dabei ist und auch nicht in die Wertung mit eingegangen ist, habe ich den Fehler gemacht, nicht weiter nachzuhaken. Die „Sängerin“ ist ein 10-jähriger Junge namens Quentin, der Sohn des Sängers, der den Text mit acht Jahren größtenteils selber verfasst und für das Album neu eingesungen hat. Die Melodie von Mitternacht war sogar ursprünglich nur für Eisenherz gedacht. Natürlich ist der Text keine lyrische Offenbahrung, aber ich habe schon Texte ähnlicher Qualität von erwachsenen Menschen gesehen. Wenn man überlegt, dass Quentin schon mit acht Jahren Fertigkeiten besitzt, die manch einer zehn Jahre später nicht vorweisen kann, besteht die Hoffnung, dass da ein kleiner, talentierter Künstler heranwächst. Eine echt süße Leistung. Für die Albumversion mit dem Bonustrack würde ich einen halben Punkt aus Sympathiegründen drauflegen

Oststern am Narbenhimmel soll wohl episch sein, ist es aber nicht, da es mich komplett kalt lässt. Tot/Untot gab es schon kurz nach dem Release von Rostrot zu hören, ob sich was geändert hat, weiß ich nicht, dafür habe ich die alte Version zu lange nicht mehr gehört. Das Lied ist recht solide, der Kommentar am Ende des Liedes eignet sich garantiert als T-Shirt-Slogan. Abgeschlossen wird das Werk dann von Seele Mein, das sich ab der Hälfte zu einem Outro verwandelt und ein wenig an das Lied Erscheine! erinnert, ohne an dessen Qualität heranzureichen.

Fazit: Todestage liefert genau das, was ich von Eisregen erwartet habe: Seit einigen Alben sind maximal drei Lieder wirklich interessant, dann gibt's ein paar solide, aber nicht wirklich erwähnenswerte Titel und ein oder zwei Totalausfälle. Leider sind die interessanten Lieder diesmal nicht so interessant wie auf den Vorgängern, dafür die schwachen umso schwächer. Das Album wirkt über weite Strecken wie eine B-Seite von Rostrot, nur an einigen wenigen Stellen blitzt das durch, was die Band bisher ausgemacht hat. Damit ist Todestage das bisher schwächste Werk der Band. Schade. Anspieltipps: Todestage und Waldgott
Gordon E.
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