God Is An Astronaut – Ghost Tapes #10

Die musikalische Beharrlichkeit der Iren

Artist: God Is An Astronaut

Herkunft: Glen of the Downs, Wicklow, Irland

Album: Ghost Tapes #10

Spiellänge: 37:14 Minuten

Genre: Post Rock, Instrumental Rock

Release: 12.02.2021

Label: Napalm Records

Link: https://godisanastronaut.com/

Bandmitglieder:

Gitarre und Keyboard – Torsten Kinsella
Bassgitarre – Niels Kinsella
Schlagzeug – Lloyd Hanney
Gitarre und Piano – Jamie Dean

Tracklist:

  1. Adrift
  2. Burial
  3. In Flux
  4. Spectres
  5. Fade
  6. Barren Trees
  7. Luminous Waves

Eine gewisse Beharrlichkeit kann man Niels und Torsten Kinsella unterstellen: Seit fast 20 Jahren sind die Zwillingsbrüder auf ihrer Mission, instrumentale Rockmusik zu schreiben, die den Fokus auf Melodie und Emotion legt. Ihre legendären Liveshows mit eigens produzierten Videos und monumentalen Lichtorgien suchen ihresgleichen. Mittlerweile sind God Is An Astronaut ein Aushängeschild der zweiten Welle des Post Rock, die Anfang 2000 ihren Erfolgszug startete. Ein Fakt, obwohl die Musik der Iren nie von den Mitbegründern des Genres beeinflusst wurde. God Is An Astronaut gehören definitiv nicht zu den Genrevertretern, die ihren Sound auf jedem Output mal eben um ein paar Millimeter korrigieren und ihren Stiefel herunterspielen. Hier steht jedes der bisherigen neun Alben für einen Teil ihrer musikalischen Reise. Auf dem neuesten Streich Ghost Tapes #10 ist neben den Brüdern Kinsella auch wieder Drummer Lloyd Hanney zu bestaunen. Ebenfalls wieder mit an Bord ist Gitarrist und Keyboarder Jamie Dean, der 2017 die Band verließ, um sich eigenen musikalischen Projekten zu widmen. Dean war auf dem 2018 erschienenen Werk Epitaph nur noch auf vereinzelten Songs zu hören. Das beeindruckend schöne Artwork von Ghost Tapes #10 entstammt der kreativen Ader von David Rooney, der u. a. auch für das Cover des Bandklassikers All Is Violent, All Is Bright verantwortlich war.

Der Vorgänger Epitaph ist ein melancholisch bedrückendes Album, voll zu verarbeitender Trauer um ihren auf tragische Weise verstorbenen Cousin, der nur sieben Jahre alt wurde. Mal schauen, auf welche Reise uns die Iren dieses Mal mitnehmen. Zunächst einmal fällt mir die vergleichsweise kurze Spielzeit von 37 Minuten auf Ghost Tapes auf. Neben A Moment Of Stillness aus 2006 gibt es keine Platte mit derart kurzer Spielzeit in der Diskografie der Band zu finden. Um jede Note in mich aufzusaugen, besteht für mich bei dieser Musikrichtung eine gewisse „Kopfhörer-Pflicht“. Wenn man gerade nicht in der Lage ist, eine visuell aufgemotzte Liveshow von GIAA zu bestaunen, dann eben so. Leider ist mir dieses Glück bisher nicht zuteilgeworden und die Liste der Post-Covid-Pflichttermine auf den hiesigen Bühnen wird immer länger.

Wir stürzen uns mit dem Opener Adrift ins Abenteuer Ghost Tapes. Dieser beginnt mit lässig groovenden Drums, bevor sich die bandtypischen Riffberge vor mir auftürmen. Niels Kinsella steigt mit knurrenden Bassläufen ein und Drummer Lloyd Hanney wird von der Leine gelassen. Im Mittelteil gibt es Gitarrenriffs, die härtetechnisch auf den Pfaden von Epitaph oder Helios | Erebus wandeln. Vereinzelte Pianoklänge scheinen wie Sonnenstrahlen durch das dunkle Firmament, ehe ich mich passend zum Songtitel treiben lassen kann. Burial wurde bereits im November letzten Jahres als erste Single veröffentlicht. Der Track beginnt mit wabernden Synthies und zeigt sich anfangs als Wolf im Schafspelz, bis die stark verzerrten Gitarren wieder das Kommando übernehmen. Auch hier gibt es vereinzelt versöhnliche Pianopassagen. Schön, dass Jamie Dean wieder dabei ist. Das Ganze endet dann in einem fiesen Trip zum Songfinale, das ganz sicher live durch aufwendige Lichteinsätze untermalt wird. Passend zum Song gibt es ein Schwarz-Weiß-Video der Künstler Chariot Of Black Moth, die beweisen, dass zu dieser Musik die passenden Bilder gehören.

In Flux wartet wiederum mit anderen Soundsphären auf, denn in den sechs Minuten bleibt mehr Luft zum Atmen. Die Gitarren dringen deutlich schräger durch meine Horchlappen. Wer an der Armada aus Effekt-Tretminen, die auf Ghost Tapes verwendet wurden, interessiert ist, dem lege ich einen Blick auf die Facebook-Seite der Band nahe. Hier wurde nicht mit klanglichen Experimenten gegeizt. Spectres ist ein gekonnter Brückenschlag zwischen vertrauten Klängen aus Zeiten von All Is Violent, All Is Bright und dem schwereren Sound der letzten Alben. Gegen Ende des Liedes durchbrechen sogar Gitarren aus dem Post (Black) Metal sämtliche Hörgewohnheiten. Nach all den Attacken der sechs Saiten, dürfen in Fade Bass und Schlagzeug zurück ins Rampenlicht. Im Gegensatz zu diversen Prog-Formationen hätten Niels und Lloyd diese Demonstration ihres Könnens gar nicht nötig, dennoch verneige ich mich vor dieser Leistung. In Barren Trees werden God Is An Astronaut von Gitarrist Jimmy Scanlan unterstützt. Wie man es aus der Vergangenheit der Iren kennt, wird in diesem Stück mit einer Art Gesang gearbeitet. Bei GIAA bedeutet das jedoch den Einsatz der Stimme als Instrument im Hintergrund. Zum Ausklang von Ghost Tapes #10 wird der Sound um die britische Cellistin Jo Quail erweitert, die schon mit Post Rock Größen wie Caspian und Mono auf Tour war. Hier gibt es diese bittersüße Melancholie, wie sie auch auf Epitaph zu hören war.

God Is An Astronaut – Ghost Tapes #10
Fazit
Aus meiner Sicht haben God Is An Astronaut ihre Meisterstücke mit All Is Violent, All Is Bright, Origins und Helios | Erebus bereits abgeliefert. An diesen muss sich die Band messen lassen, denn Post Rock ist leider ein Genre, welches oft seiner Gleichförmigkeit erliegt. Diese mag ich den Iren gewiss nicht vorwerfen, dennoch geht ihnen zum Ende von Ghost Tapes #10 etwas die Puste aus. Dem gegenüber stehen Songs wie Burial oder Fade, denen ich die Maßgabe zukünftiger Liveklassiker mit auf den Weg gebe. Den Fans der Band sei gesagt, dass dieses Album eine gute Brücke zwischen All Is Violent, All Is Bright und Epitaph schlägt. Es fehlen allerdings Übersongs wie Frozen Twilight, Suicide By Star oder Pig Powder.

Anspieltipps: Adrift, Burial und Spectres
Florian W.
7.8
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