Ice Nine Kills – The Silver Scream 2: Welcome To Horrorwood

Hollywood Horrorcore at its best

Artist: Ice Nine Kills

Herkunft: Boston, Massachusetts, USA

Album: The Silver Scream 2: Welcome To Horrorwood

Spiellänge: 47:21 Minuten

Genre: Metalcore, Melodic Hardcore, Symphonic Metal

Release: 15.10.2021

Label: Fearless Records

Link: https://iceninekills.com/

Bandmitglieder:

Gesang – Spencer Charnas
Gitarre – Ricky Armellino
Gitarre – Dan Sugarman
Bassgitarre – Joe Occhiuti
Schlagzeug – Patrick Galante

Tracklist:

  1. Opening Night…
  2. Welcome To Horrorwood
  3. A Rash Decision
  4. Assault & Batteries
  5. The Shower Scene
  6. Funeral Derangements
  7. Rainy Day
  8. Hip To Be Scared (feat. Jacoby Shaddix/Papa Roach)
  9. Take Your Pick (feat. Corpsegrinder/Cannibal Corpse)
  10. The Box (feat. Brandon Saller/Atreyu und Ryan Kirby/Fit For A King)
  11. F.L.Y.  (feat. Buddy Nielsen/Senses Fail)
  12. Wurst Vacation
  13. Ex-Mørtis
  14. Farewell II Flesh

Wieder pünktlich zum Halloween-Monat und drei Jahre nach ihrem Erfolgsalbum The Silver Scream öffnen die Amerikaner von Ice Nine Kills wieder ihre Pforten: Welcome To Horrorwood. Wie jede gute oder schlechte Horror-Franchise erhält auch das Konzeptalbum über Hollywood-Schlitzer wie Freddy Krueger, Jason Voorhees und Michael Myers eine Fortsetzung. Doch spulen wir die VHS erst mal zurück zum Anfang. Im Jahr 2000 gründeten sich Ice Nine und fügten ihrem Namen einige Jahre später noch ein Kills hinzu. Frönten die Jungs um den charismatischen Sänger Spencer Charnas Anfangs noch dem Pop-Punk, so hielt mit dem zweiten Album Safe Is Just A Shadow Metalcore bzw. melodischer Hardcore Einzug in den Sound der Band. Noch nicht in der Lage, aus der Masse der Genre-Veröffentlichungen herauszustechen, wendete sich das Blatt 2015 mit dem ersten Horror-Konzeptalbum Every Trick In The Book. Damals mussten noch die klassischen Schinken wie Dracula oder Der Exorcist herhalten. Das folgende The Silver Scream war dann der endgültige Durchbruch mit gefeierten Kritiken und Charterfolgen vor allem in den USA. Kann The Silver Scream 2 seinem Vorgänger das Messer reichen?

Spoiler-Warnung: Wer das muntere Filmeraten selbst betreiben möchte, sollte ab hier NICHT weiterlesen.

Das gesprochene Intro Opening Night… stellt Spencer Charnas als Hauptverdächtigen im Mordfall seiner Verlobten dar und die folgenden Kapitel gehören zur Einführung von Spencers Schöpfung The Silence. Der Titelsong führt weiter ins Szenario und enthält als Einziger keine Querverweise zu einer berühmten Horrorfigur. „Welcome to Horrorwood where anyone would kill for a comebaaaaaack“ ertönt Charnas Stime zunächst sanft, um dann alle in Panik zu versetzen. Es folgt ein großartiger Wechsel zwischen dem eingängigen Refrain und Moshpit-Action. Die perfekt eingestreuten Breakdowns und Soli ebnen den Weg zum Singalong-Part. Dieser Einstieg fesselt die Zuschauer direkt an die Kinositze.

Es gab eine Zeit, in der regelmäßig neue Horrorfilme den Weg in meine DVD-Sammlung fanden. So auch Eli Roth‘ absurd geniale Story in Cabin Fever. Wer den Film kennt, dem ist wie mir vermutlich die Szene in Erinnerung geblieben, in der sich eine der Darstellerinnen die Beine rasiert. Wie dem auch sei, A Rash Decision handelt von besagtem Film aus dem Jahr 2002. Unter die wilde Songstruktur mischen sich immer kleine Ska-Elemente und Breaks. Noch wahnwitziger wird’s ab Minute zwei. Das Virus gewinnt die Überhand und alle Beteiligten drehen durch. Was für ein Griffbrett-Massaker.

Die kindliche Stimme zu Beginn von Assault & Batteries gehört zur vermutlich tödlichsten Puppe der Filmgeschichte. Die Rede ist natürlich von Chucky, dem 80er-Kultfilm von Tom Holland. „It’s time to play motherfucker.“ Dachte ich bei A Rash Decision schon an kranken Scheiß in Liedform, so setzt diese Nummer noch einen obendrauf. Hochgepitchter Kindergesang vermischt sich mit abgefucktem Deathcore. Was so in den Köpfen von Horror-Regisseuren vorgeht, können Ice Nine Kills ohne Probleme vertonen.

Man muss den Hitchcock Klassiker Psycho nicht einmal gesehen haben, aber mit The Shower Scene kann nahezu jeder etwas anfangen. Der Song stellt die Melodien wieder etwas mehr in den Fokus und hat nicht so viel Wahnsinn zu bieten wie seine beiden Vorgänger. Die berühmte Melodie und die Schreie dürfen natürlich ebenso wenig fehlen wie die tollen Hooks der Marke INK.

Funeral Derangements führt uns auf den Friedhof der Kuscheltiere, der von Horror-Ikone Stephen King erdacht wurde. Schon der Wechsel zwischen extremen Screams und Growls stößt die Friedhofspforte weit auf. Ein getragener Teil leitet zum grandiosen Refrain über. Das ist groß, das ist mächtig, das ist Hollywood. Und wer mit diesen Filmen so gar nichts anfangen kann, kann sich immer noch an dem zerstörerischen Breakdown erfreuen. Abriss Freunde!

Foto: F Scott Schafer

Umbrella Corporation incoming: Resident Evil ist natürlich auch verfilmt worden, hatte seine Hochphase allerdings als Videospiel-Reihe. Vibes von Bring Me The Horizon sind hier zu finden. Was sticht besonders hervor? Da wäre zum einen die brillante Textzeile „Are you listening through the whispering? Is it sinking in ‚cause it’s sickening.“ Dann wäre da noch eine Erfahrung, die erst mit dem erstklassigen Video einhergeht. Der Breakdown wurde perfekt mit den Schüssen der Maschinenpistolen synchronisiert. In die aktuellen Musikvideos wurde vermutlich mehr Geld investiert als in so manchen B-Movie des Genres.

Apropos Musikvideo: Das übertrieben geile American-Psycho-Video zu Hip To Be Scared hat mich überhaupt erst auf den Highway Richtung Horrorwood geführt. Spencer Charnas nimmt die Rolle des genialen Christian Bale alias Patrick Bateman ein. Anstatt Jared Leto in der Rolle des Paul Allen agiert Jacoby Shaddix von Papa Roach. Ob er sich die Textzeile „Cut my life into pieces“ jemals so bildlich vorgestellt hat? Die Referenz an das Original von Huey Lewis und die Diskussion der beiden Figuren ist einfach zum schießen. „To hell with good intensions“ dieser Song ist einer der besten des Jahres – 10/10.

Shaddix leitet zugleich einen Feature-Block aus illustren Gästen ein. Wer darf in diesem Gemetzel auf keinen Fall fehlen? Richtig, der Corpsegrinder von Cannibal Corpse. Dieser teilt sich die Vocals mit Charnas in der Slasher-Hommage Take Your Pick. Diese richtet sich an den kanadischen Film My Bloody Valentine und holt gleichzeitig einige Hardcore-Geschütze aus der Waffenkammer. Obwohl ich den Corpsegrinder wirklich vergöttere, wirkt mir dieser Song etwas zu zerfahren. Der unfreiwillig komische Mittelteil fördert allerdings wieder einen amtlichen Breakdown zutage.

Der Kinosaal ist noch nicht ausverkauft, also immer hereinspaziert mit den Gästen. Für das rätselhafte The Box aus der Hellraiser-Filmreihe holten sich INK Brandon Saller (Atreyu) und Ryan Kirby (Fit For A King) dazu. Zu diesen Beats kann man unmöglich still sitzen und die Integration der Gäste gelingt perfekt. Die Hooks sprudeln nur so aus den offenen Wunden. Der kurze, gesprochene Teil zieht mich in den Schlund der Hölle und diese Box öffne ich nur zu gern wieder.

Der Sci-Fi-Klassiker Die Fliege mag den Kids heutzutage maximal ein müdes Lächeln entlocken. Als kleiner Mensch heimlich in der Nacht geschaut, sorgte Jeff Goldblum in seiner Rolle als halb Mensch, halb Fliege jedoch für schlaflose Nächte. Der Song setzt passend zum Film etwas mehr auf elektronische Spielereien und Breitwand-Chöre. Die Screams liefert Buddy Nielsen von Senses Fail. Ice Nine Kills erfassen zu jeder Zeit den Spirit eines Films und machen damit ihren Metal-Soundtrack zu etwas Einzigartigem.

Schönes Wortspiel im Titel Wurst Vacation, der erneut einen bitterbösen Eli Roth Film thematisiert. Hostel hat vor ca. 15 Jahren das Blut einiger eingefleischter Horrorfans in den Adern gefrieren lassen. Da schließe ich mich selbst ein. Er war einfach zu realistisch und führte die zweite Welle des Subgenres Terrorfilm fort. Das Böse ist nicht mehr übernatürlich, sondern kommt aus der Mitte der Gesellschaft. Deutsche Ansagen am Bahnsteig von Stuttgart eröffnen das Spektakel, das passend dazu einige Rammstein-Anleihen enthält. Wilder Industrial paart sich mit dem viel zitierten Gespür für Hooklines.

Ex-Mørtis bittet zum Tanz der Teufel. Wenn das orchestrale Arrangement nicht wäre, hätte ich auf einen alten Song von Marilyn Manson getippt. So swingt das Ganze etwas mehr und stellt durch seine Gegensätze so etwas wie Broadway-Metalcore dar. Farewell II Flesh ist der letzte Blutstropfen auf Welcome To Horrorwood und hat mit Candyman den einzigen Horrorfilm gewählt, der mir noch nie untergekommen ist. Diese Bildungslücke sollte schleunigst geschlossen werden. Was als düstere Ballade beginnt, steigert sich schnell in einen waschechten Banger. Ice Nine Kills bringen ein letztes Mal alle Mauern zum Einstürzen und alle Schubladendenker zum Verzweifeln. Welcome To Horrorwood ist keine Musik, es ist ein Spektakel.

Ice Nine Kills – The Silver Scream 2: Welcome To Horrorwood
Fazit
Irrwitzig, überzogen, abgedreht und mit noch mehr Blut: Genauso dreht man die Fortsetzung für einen Horrorfilm. Ice Nine Kills können das hohe Niveau von The Silver Scream halten und krönen sich selbst zu Königen des Hollywood Horrorcore.

Anspieltipps: Welcome To Horrorwood, Funeral Derangements, Hip To Be Scared und The Box
Florian W.
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