„Entwicklung kommt immer aus einem Mangel heraus“ – Das Interview mit Jan Müller, dem Macher von A Chance For Metal (ACFM)

„Entwicklung kommt immer aus einem Mangel heraus“ – Das Interview mit Jan Müller, dem Macher von A Chance For Metal (ACFM)

Artist: Jan Müller / Geschäftsführer bei A Chance For Metal

Herkunft: Andernach / Deutschland

Genre: Black Metal, Heavy Metal, Glam Metal, Thrash Metal, Death Metal, Groove Metal, Power Metal

link: : https://www.acfm.info/

Als Medienpartner von A Chance For Metal (ACFM) wird es doch einmal Zeit, mit der Person zu reden, die hauptsächlich dahinter steckt. Diese Person ist der gebürtige Hesse Jan Müller, selbst Musiker bei der Band Dragonsfire. Der sitzt bei allen Konzerten im JUZ in Andernach hinter der Kasse und managt alles, was mit den Konzerten zu tun hat.

Die Idee, uns einmal ausführlich über A Chance For Metal zu unterhalten und einige Informationen dazu zu erhalten, haben wir schon länger. Es hat sich wegen Zeitmangel jedoch immer wieder verzögert. Heute hat es dann endlich mit zweiwöchiger Anlaufzeit geklappt, und ich unterhalte mich mit Jan Müller in einem Cafe in Andernach.

Hier erhalte ich interessante Informationen und einen Einblick, wie A Chance For Metal entstanden ist und wofür A Chance For Metal steht.

Time For Metal / Jürgen Simon

Hallo Jan, freut mich, dass es heute endlich mit dem Date geklappt hat. Ich möchte ein wenig darüber erfahren, wie A Chance For Metal entstanden ist, wie es läuft und wo es sich hin entwickeln soll.

A Chance For Metal / Jan Müller

Jürgen, ebenfalls Danke, dass wir uns hier unterhalten können. A Chance For Metal gibt es seit 2006. Entstanden ist das aus einer Idee heraus von der Band (Anmerkung der Redaktion: Dragonsfire). Weil, wir wohnten in Südhessen, und da gab es nicht viel. Dann sind wir 2006 gestartet und haben das erste A Chance For Metal Festival gemacht. Daher auch der Name, weil es in der Region nichts gab.

Time For Metal / Jürgen Simon

Wo war das?

A Chance For Metal / Jan Müller

In Riedstadt in Südhessen. Beziehungsweise das Festival haben wir damals in Rüsselsheim gemacht. Auch in einem Jugendzentrum. Seitdem gibt es das. Dazu noch folgendes: Eine gute Freundin von mir ist Physikerin, und deren These ist „Entwicklung kommt immer aus einem Mangel heraus“. So wurde das dann im Prinzip weiter entwickelt. Aufgrund von Mangel.

Time For Metal / Jürgen Simon

Wer steckt dahinter?

A Chance For Metal / Jan Müller

Außer mir, meine Frau. Die hilft sehr viel mit. Sie fängt einiges ab. Natürlich kooperiert man sehr viel mit dem Kulturamt der Stadt Andernach. In diesem Fall in Persona mit Thomas Schmidt. Ansonsten, was das Label angeht, mit den Bands, die dann auch noch sehr vieles selbst mitmachen und selbst mitwirken, weil wir das sonst nicht stemmen können.

Time For Metal / Jürgen Simon

Einmal im Jahr das Festival, dann neu das Ironhammer Festival im September. Ich denke das Ironhammer Festival ist letztes Jahr richtig gut gestartet, oder!?

A Chance For Metal / Jan Müller

Ja, das ist richtig gut gestartet. Das war super. Uns ging es darum, neben dem etablierten Festival nochmal ein 1 Tages Festival zu machen, wo dann auch ein bisschen namhaftere Bands dabei sind. Ein wenig abgekoppelt vom A Chance For Metal Festival, wo das Voting der Bands über die Fans mit der Bandbox passiert. Beim Ironhammer Festival hat man die Bookingzügel quasi selbst in der Hand.

Time For Metal / Jürgen Simon

Nochmal zurück zum A Chance For Metal Festival. Das war die letzten Jahre immer früh ausverkauft! Wann war das Festival das erste Mal hier in Andernach?

A Chance For Metal / Jan Müller

2013 war das A Chance For Metal Festival das erste Mal in Andernach. Dieses Jahr war es das Fünfjährige hier in Andernach.

Time For Metal / Jürgen Simon

Du hast mittlerweile auch das Label A Chance For Metal Records. Da macht ihr momentan Wiederveröffentlichungen. Es sind Platten, die es schon gab, die werden jetzt wieder veröffentlicht auf CD. Wen habt ihr bisher wieder veröffentlicht? Eine davon ist von Secutor die Stand Defiant, da habe ich zuletzt ein Review dazu gemacht (hier geht es zum Review).

A Chance For Metal / Jan Müller

Ja genau. Die letzten Veröffentlichungen waren Secutor mit Stand Defiant. Torment Of Souls mit Zombie Barbecue. Davor hatten wir von Steelpreacher die Drinking With The Devil veröffentlicht. Und von Dragonsfire die Visions Of Fire.

Time For Metal / Jürgen Simon

Sind bereits schon eine ganze Ecke Alben.

A Chance For Metal / Jan Müller

Ja ich sage es mal so: eigentlich ist die Idee der CD-Veröffentlichungen für das Label bei der Aufnahme von Steelpreachers CD Devilotuion entstanden. Ich vertrete die Band ja auch ein Stück weit nach außen. Dann haben Steelpreacher zu mir gesagt: Schaue doch mal, ob wir ein Label finden. Wir haben auch tatsächlich Labels gefunden. Und wir haben Plattenverträge auf den Tisch gelegt bekommen. Irgendwann ruft dann der Jens (Anmerkung der Redaktion: Member von Steelpreacher) mich an und fragt: würdest du das unterschreiben? Da habe ich ganz klar Nein! dazu gesagt. Da sind wir dann zur Idee gekommen (da sind wir wieder bei dem Thema Entwicklung aus dem Mangel), dass wir das auch selbst machen können. Du kannst das nicht guten Gewissens unterschreiben. Bei der Plattenfirma XY bekommst du heutzutage Konditionen, die sind genauso wie bei Pay To Play.

Time For Metal / Jürgen Simon

Ja denke ich mir. Da gibt es nur einen Gewinner und das ist die Plattenfirma!

A Chance For Metal / Jan Müller

Ja, richtig. Da haben wir gesagt, dann machen wir das nicht. Das machen wir dann lieber selbst. Das habe ich dann mit den Bands abgesprochen, ob sie dabei wären. Die fanden das alle eine klasse Idee. Ich habe gesagt, das können wir gerne machen. Wir stellen bei A Chance For Metal praktisch die Strukturen, übernehmen das ganze Organisatorische. Aber das Beiarbeiten muss dann schon die betroffene Band selbst übernehmen. Weil wir keine Zeit dafür haben.

Time For Metal / Jürgen Simon

Bis auf die Steelpreacher sind das alles Wiederveröffentlichungen!?

A Chance For Metal / Jan Müller

Das sind alles Wiederveröffentlichungen. Die Drinking With The Devil ist ein zehn Jahre altes Album. Dragonsfire und Steelpreachers Alben sind im Prinzip beide zehn Jahre alt geworden. Da haben wir gesagt, wir nehmen die mal. Das war sowas wie ein Wetterballon. Erst mal gucken, was geht. Funktioniert das überhaupt? Wir schauen mal, was geht von dem verfügbaren Material überhaupt raus. Jede Band hat die ja praktisch im Keller liegen. Jede CD, die rausgeht, ist eine CD mehr. Das ist ja eine CD, die wäre nie verkauft worden. Wir haben einen weltweiten Vertrieb über Nova gefunden. So erreichen wir nochmals Leute, die du mit einem Livekonzert (wir spielen zu 99,9 Prozent in Deutschland) so nicht erreicht hättest.

Time For Metal / Jürgen Simon

Wie sieht es aus mit den Verkaufszahlen? Sind die zufriedenstellend? Habt ihr euch da was anderes vorgestellt? Oder ist es so, wie ihr das euch vorgestellt habt?

A Chance For Metal / Jan Müller

Ja. Wie gesagt, der eigentliche Anspruch war: wir verkaufen eine CD. Und diese eine CD ist die, die wir sonst nicht verkauft hätten. Ich bekomme da immer ein Labelstatement, also wo der Vertrieb mir sagt, was sie verkauft haben. Ich bin zufrieden. Gerade weil da auch viel Ausland mit dabei ist. Da geht doch noch was. Wir haben einen digitalen Vertrieb dabei, wo ich tagesgenau sehen kann, was da an Streams oder an Downloads läuft. Wir sind eigentlich sehr zufrieden. Du musst natürlich auch berücksichtigen, dass jede verkaufte CD, die von einem zehn Jahre alten Album verkauft wird, ein Gewinn ist.

Time For Metal / Jürgen Simon

Ist auch daran gedacht, davon auch mal was auf Vinyl zu machen? Da ist ja momentan ein recht großer Run drauf.

A Chance For Metal / Jan Müller

Ja wir sind da im Prinzip sehr offen. Gerade auch was das Thema Neuveröffentlichungen angeht. Irgendwie auch zwiegespalten. Die Bands, die das mit mir machen, sagen mir, der Deal ist gut. Wenn wir eine Neuveröffentlichung machen, dann machen wir das bei dir. Klar, wir sind befreundet, da wird aber trotzdem ein Vertrag gemacht. Um halt Rechtssicherheit für beide Seiten zu haben. Zum Thema Vinyl: klar, wenn die Band das machen möchte, machen wir das auch. Aber der Impuls dafür muss ganz klar von der Band kommen.

Time For Metal / Jürgen Simon

Da fällt mir gerade ein. Secutor haben das Album Stand Defiant auch auf Vinyl. Das vertreibst du aber nicht? Das gibt es nur bei der Band, oder?

A Chance For Metal / Jan Müller

Ja, das gibt es nur bei der Band. Wird von uns nicht vertrieben.

Time For Metal / Jürgen Simon

Deine Konzerte und Festivals laufen nur in Andernach!? Oder hast du da nebenbei noch was anderes laufen?

A Chance For Metal / Jan Müller

Was die Konzerte und Festivals angeht nur Andernach. In A Chance For Metal ist noch eine Booking Agentur integriert. Da buche ich natürlich noch Konzerte für Bands, die ich vertrete europaweit. Da würde ich jetzt aber nicht sagen, dass das mein Konzert ist. Du buchst da halt noch andere Geschichten. Momentan buche ich für zwei Bands, die ich jetzt noch nicht nennen darf, Europatouren. Wenn wir selbst was veranstalten nur Andernach, weil der Club ist geil. Hier hast du kurze Wege. Ich habe keine Lust und Zeit, hunderte Kilometer zu fahren um irgendwo ein Konzert zu veranstalten.

Time For Metal / Jürgen Simon

Kann ich mir vorstellen. Du machst das ja auch alles nur nebenbei. Du hast ja noch einen echten Job!

A Chance For Metal / Jan Müller

Ja so ist es. Man hat halt noch einen echten Job! Wie fast alle in der Branche. Anders geht es nicht. Du siehst ja heute, wenn eine Band auf einen zweistelligen Chartplatz einsteigt, weiß man ja selbst, wie gering auch da die Verkaufszahlen noch sind. Wahrscheinlich decken auch da die Erlöse noch nicht einmal die Produktionskosten, wenn du in einem großen Studio aufgenommen hast. Da spielt natürlich Homerecording auch bei größeren Bands eine Rolle.

Time For Metal / Jürgen Simon

Wie kann man in dem Business als Band überhaupt noch Geld verdienen? Mir persönlich ist Meet and Greet für Geld ein Dorn im Auge. Hatte dazu schon Interviews mit Alissa von Arch Enemy und Heidi und Carla von den Butcher Babies. Heidi und Carla sagten mir: am besten ist es, wenn du beim Konzert ein T Shirt von uns am Merchstand kaufst. Da bleibt für uns als Band am meisten noch hängen.

A Chance For Metal / Jan Müller

Ja, genauso ist es. Das Problem ist, da kann sich ja jeder selbst fragen, wie viel CDs er im Jahr noch kauft. Da gibt es eine interessante Dokumentation, ich glaube die heißt “Wer ist Thomas Müller”. Da geht es darum, was der deutsche Durchschnitt so treibt. In dieser Dokumentation wird halt auch gesagt, dass der Durchschnittsdeutsche im Schnitt noch 2 CDs im Jahr kauft. Ich gehe mal davon aus, dass du und ich da wahrscheinlich deutlich über dem Durchschnitt liegen! Wir reißen den Rest damit noch richtig raus. Aber das heißt ja auch, dass andere Leute überhaupt keine CDs mehr kaufen. An der Stelle ist es dann so, dass du wirklich sagen musst: ja das Thema Merchandise ist ein wichtiges Thema! Eben weil Tonträger nicht mehr verkauft werden. Letztendlich ist es egal, was du von den Bands kaufst, weil du supportest die Bands damit, dass du was kaufst, egal was. Das ist eine wichtige Einkommenskomponte, die sich aber in einem Rahmen bewegt, wo du sagen musst, dass es nicht für wirklich viel reicht. Die zweite Liga bis zur Champions League der Bands lass ich hier mal außen vor.

Time For Metal / Jürgen Simon

Ich bin wirklich erstaunt, was die Fans da teilweise für ein Meet and Greet hinlegen.

A Chance For Metal / Jan Müller

Na gut, das Thema Meet and Greet ist nochmal was anderes. Es wird halt gemacht und regelt sich wie alles in der Wirtschaft irgendwie durch Angebot und Nachfrage. Irgendeiner bietet es an. Da entscheidest du selbst, das mache ich mit, oder nicht. Das ist genauso wie bei Ticketpreisen oder Getränkepreisen. Ich find es schon komisch. Früher hast du Bands gehabt, die haben sich in die Plattenläden reingesetzt und das ohne Geld angeboten. Heutzutage wird das alles durch Meet and Greet und Selfies gegen Geld gemacht. Das muss jeder für sich entscheiden. Entweder er sagt ich bin bereit dafür, oder ich mache es nicht. Das ist deine eigene Entscheidung, wenn es dann die Leute gibt, die das dafür bezahlen, dann ist es ok. Müssen sie selbst entscheiden.

Time For Metal / Jürgen Simon

Abschließend! Du hast ja auch noch einige Merchsachen. T-Shirts, Pins, Patches usw. Wo soll es mit A Chance For Metal hingehen? Wo kann es hingehen, so dass es für dich machbar bleibt?

A Chance For Metal / Jan Müller

Das muss man situativ sehen. Prinzipiell sind die Wege, die wir gehen, zunächst mal so in Ordnung, wie es gerade ist.

Time For Metal / Jürgen Simon

Ich meine das eher so: zuletzt bei Lacuna Coil war die Hütte voll. Bei Masters Of The Underground zum Beispiel mit Cripper hast du keine hundert Leute da. Das muss ja irgendwie machbar sein. Da nützt dir ja nichts, wenn du zehn tolle Veranstaltungen hast, aber die Summen werden nicht eingespielt.

A Chance For Metal / Jan Müller

Gut, aber das ist genauso wie mit dem Meet and Greet. Letztendlich entscheiden die Leute ja selbst, ob sie hingehen wollen oder nicht. Man stellt ein Angebot zur Verfügung und weiß letztendlich nicht, ob es angenommen wird oder nicht. Ich denke, wenn wir das halten können, was wir momentan tun, wäre ich schon zufrieden. Bezogen auf Qualität und Quantität. Das fände ich erstrebenswert.

Wo soll es hingehen? Das hängt auch davon ab, was passiert, wo entwickelt sich eine Szene hin? Wo entwickeln sich Konzerte hin? Welche Bands sind für einen überhaupt noch verfügbar? Dadurch, dass weniger CDs gekauft werden, explodieren momentan auch die Gagen für die namhafteren Bands. Da wird es immer schwieriger, überhaupt einen Treffer zu landen und die eine oder andere Band zu bekommen. Wenn wir das hinbekommen, wäre ich schon sehr zufrieden.

Time For Metal / Jürgen Simon

Ich glaube, die ganze Metalszene hier in Andernach und Koblenz wäre zufrieden. Es ist hier ja das Einzige was wir hier haben, oder?

A Chance For Metal / Jan Müller

Nee, da hast du noch den Florismarkt in Koblenz, wo ab und an was läuft.

Time For Metal / Jürgen Simon

Klar! Aber das ist nochmal ein ganz anderes Kaliber

A Chance For Metal / Jan Müller

Ja, aber das ist ganz wichtig, ein ganz wichtiger Anlaufpunkt für die Szene, wo auch Sachen besprochen werden. Das, was der Jochen und sein Team da machen, ist einfach super wichtig für die ganze Szene.

Time For Metal / Jürgen Simon

Ja klar. Ich finde es ganz toll was der Jochen da macht!

A Chance For Metal / Jan Müller

Exakt! So ein wichtiger Punkt zum Thema, wo kann es sich hin entwickeln, wäre, wenn man noch mehr regional kooperieren würde. Wenn man mehr und bessere Partnerschaften herstellt. Was wiederum schwierig ist, weil jeder sehen muss, dass er das Boot weiter auf dem Wasser hält. Und weil ja auch keiner Angestellte hat, die sich um Themen wie PR oder Human Resources kümmern könnten. Da werkelt so jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten vor sich hin.

Time For Metal / Jürgen Simon

Jan, ich danke dir für den Einblick hinter die Kulissen von A Chance For Metal und deine Einschätzungen zur lokalen Musikszene.