Livingston – Animal

“Trotz sehr viel Elektronik sehr berührend“

Artist: Livingston

Herkunft: London, Großbritannien

Album: Animal

Spiellänge: 58:35 Minuten

Genre: Alternative Rock

Release: 19.09.2014

Label: SPV / Long Branch Records

Link: https://www.facebook.com/livingstonmusic

Bandmitglieder:

Gesang – Beukes Willemse
Gitarre und Percussion – Jakob Nebel
Gitarre und Keyboards – Chris van Niekerk
Bassgitarre und Keyboards – Phil Magee

Tracklist:

  1. Intro
  2. When It Goes Away
  3. Big Mouth
  4. Chemicals
  5. Time Bomb
  6. Skin & Bones
  7. The Hunter
  8. Opposite Tracks
  9. In My Head
  10. Into The Rain
  11. Reckless
  12. Human
  13. Animal

Livingston - Animal 2014

 

Die Geschichte der im Jahr 2008 von London nach Berlin übergesiedelten Band Livingston ist schon eine der mehr oder weniger verschlungenen Pfade. Damals war man noch bei der Plattenfirma Universal Music und das Debütalbum war unter anderem in den Top 20 der deutschen Verkaufscharts. Als es dann an die Arbeiten zum Nachfolgealbum ging, hatte die Plattenfirma dann plötzlich noch diverse Änderungswünsche, wollte das Album massentauglicher haben. Zähneknirschend ging Livingston viele Kompromisse ein, aber das Album floppte mehr oder weniger. Für das neue Album nahm sich die Band daher vor, alles von Anfang bis Ende selbst zu machen und sich von Niemandem reinreden zu lassen. Das neue Label SPV/Long Branch Records ließ der Band diese Freiheit, und so nistete man sich in einer sehr abgelegenen Jagdhütte im Spreewald ein und spielte das neue Album Animal, das am 19.09.2014 erschien, ein. Kein Ton drang nach draußen, bis das neue Album komplett von der Band selbst produziert war. Wer auch weitere Hintergrundinformationen zu den einzelnen Songs haben möchte, für den hat die Band Track-By-Track-Kommentare auf Spotify eingestellt. Ich habe es mir angehört, und es ist definitiv sehr interessant.

Das instrumentale Intro hört sich etwas holprig an, fast wie eine Art Orchesterprobe. Zum Schluss klingt es, als ob eine Motte ständig gegen eine Glühbirne fliegt. Wie die Band in ihren Track-By-Track-Kommentaren ausführt, war die Hütte, in der das Album geschrieben und aufgenommen wurde, voll von Motten. Darum wurde dieses Geräusch auch eingebaut und das Albumcover entsprechend gestaltet. Bereits beim folgenden, im Refrain fast schon hymnenartigen When It Goes Away zeigt sich auf jeden Fall schon mal das enorme Gesangspotenzial von Beukes Willemse. Er meistert auch die hohen Gesangspassagen problemlos, seine Stimme bleibt weiterhin kräftig. Vom Tempo und auch vom Songaufbau her ähnlich ist Big Mouth. Hier sind mir besonders die leicht schräg klingenden Gitarrentöne aufgefallen. Zum Ende hin wird die ständige Wiederholung des Titels allerdings etwas penetrant. Zu Chemicals gibt es auf der Facebook-Seite der Band auch ein Video, in dem die Band eine Akustikversion zum Besten gibt. In der hier gespielten Albumversion klingt die Stimme von Beukes Willemse definitiv nicht so zerbrechlich, ich könnte allerdings nicht sagen, welche Version mir besser gefällt. Time Bomb mit seinem fast schon poppigen Charakter und dem recht massiven Einsatz von Keyboardteppichen erinnert mich fast schon ein wenig an Depeche Mode, aber es sorgt definitiv für Abwechslung. Das folgende Skin & Bones lebt definitiv von den sehr präsenten Percussions sowie wiederum vom Gesang von Beukes Willemse. Trotz eines sehr ausladenden Klangteppichs sticht der Gesang immer heraus. Passend zum Titel nimmt The Hunter dann für Livingston-Verhältnisse mal richtig Tempo auf. Trotz des wiederum sehr präsenten und opulenten Klangteppichs habe ich teilweise das Gefühl, Beukes Willemse singt für sich allein, so isoliert klingt sein Gesang an manchen Stellen. Bei Opposite Tracks, das vom Tempo her wieder etwas nachlässt, wird dann mal eine Tonlage tiefer gesungen. Hier erinnert mich die Stimme sehr an Tom Smith von Editors. Der Kontrast zwischen dem fast schon zerbrechlich wirkenden Gesang von Beukes Willemse und den sich langsam einschleichenden Gitarren bei In My Head könnte größer nicht sein. Er zeugt aber wieder einmal von den Qualitäten der Band, richtig gute Songs zu schreiben und dann auch zu produzieren. Man muss sie halt nur machen lassen. Auch bei Into The Rain gibt es wieder eine sehr interessante Songstruktur. Der Wechsel zwischen den relativ ruhigen Strophen und dem plötzlich explodierenden Refrain ist sehr gelungen. Sehr elektronisch, sehr düster und sehr getragen kommt Reckless daher. Könnte auch auf einem Album von Hurts seinen Platz finden. Zunächst nur mit Gesang und Gitarre startet Human, steigert sich dann aber im weiteren Songverlauf zu einem wiederum relativ opulenten Werk, dessen Rhythmus im mittleren Teil von den massiv eingesetzten Percussions vorangetrieben wird. Das abschließende Titelstück Animal ist dann zunächst fast schon als reduziert zu bezeichnen, hier wird eher mit dem Gesang gespielt, teilweise verfremdet, teilweise mehrstimmig. Das gesamte Repertoire an Instrumenten wird erst im letzten Drittel aufgefahren, bevor das Lied dann sehr langsam und sehr ruhig ausklingt.

Fazit: Also so was ist mir ja auch lange nicht passiert. Ein Blick auf die Spielzeit, etwas über 58 Minuten, wie werden die wohl verlaufen? Und dann sitze ich vom ersten bis zum letzten Ton wirklich schon andächtig vor den Boxen und bin nach jedem Lied aufs Neue gespannt, was da noch Geniales kommen mag. Definitiv nichts für Nebenbei, aber das wäre auch Verschwendung, denn in das Album kann und muss man richtig eintauchen. Mir ist es auch sehr schwer gefallen, mich auf fünf Anspieltipps zu beschränken, denn das Album ist schon so etwas wie ein Gesamtkunstwerk. Wer die Jungs vorher noch nicht gehört hat, aber Placebo, Editors oder Muse mag und nichts gegen den Einsatz von ziemlich vielen Keyboardsounds hat, sollte definitiv mehr als ein Ohr riskieren.

Anspieltipps: Chemicals, Skin & Bones, The Hunter, In My Head und Animal
9.7
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