MMTH – Paternoster

“Ein durchaus gelungenes Debütalbum“

Artist: MMTH (mammoth)

Herkunft: Emden/Aurich, Deutschland

Album: Paternoster

Spiellänge: 58:47 Minuten

Genre: Post Rock, Instrumental Progressive Rock, Instrumental Rock

Release: 29.09.2017

Label: Eigenproduktion

Link: https://www.facebook.com/mmthband/

Produktion: Dickfehler Studio, Aurich von Hanno Janßen

Bandmitglieder:

Gitarre – Carlo
Gitarre – Jan
Bassgitarre – Bernd
Schlagzeug – Hanno

Tracklist:

  1. Paternoster
  2. Big Mouth
  3. Souvenirs
  4. Impuls
  5. Träumen Wale vom Fliegen
  6. (It Takes Two To) Tango
  7. Tidal Waves
  8. A Thousand Years
  9. Pogba Is The New Zidane?

 

Tja, so kann es gehen: Eingeladen war ich zur Show „An evening with Spoiwo“, der Bericht dazu ist hier zu finden. Eine der Supportbands an diesem Abend war MMTH aus dem hohen Norden Deutschlands, und die hatten mich vor der Show gefragt, ob ich nicht ein Review für das zur Veröffentlichung am 29.09. geplante Debütalbum schreiben möchte. Wie könnte ich da „nein“ sagen? 😀

Seit ihrer Gründung im letzten Jahr haben die vier Jungs ein ziemliches Tempo vorgelegt, hatten allerdings auch den Vorteil, über ein bandeigenes Studio verfügen zu können. Es wurde nämlich die Garage, in der sich die Jungs immer zum jammen und Musik machen trafen, zum Studio umgebaut, was einem ja doch ein gewisses Maß an zeitlicher und – nicht zu unterschätzen – finanzieller Flexibilität verschafft. So wurden also nach und nach die einzelnen Instrumente eingespielt und zu den neun Songs, die auf Paternoster zu hören sind, zusammengefügt. Neben der CD-Version gibt es auch eine Special Edition in Form einer Cassette. 100 Stück werden aufgelegt und in eine sehr edel daherkommende Verpackung gehüllt. Nun aber zur Musik, wobei ich dazu ja schon einiges in meinem Konzertbericht geschrieben hatte.

Bei mir ist es definitiv so, dass ich Post Rock nicht einfach mal so nebenbei hören kann. Dazu gibt es in den Songs viel zu viel zu entdecken, wofür ich mir dann auch gern die Zeit nehme. Nicht anders ist es bei Paternoster, das mit seinen neun Songs eine dermaßene Vielfalt bietet, dass ich während des Hörens insgesamt vier DIN A4-Seiten vollgeschrieben habe. Damit habe ich sicherlich nur einen Bruchteil von dem notiert, was man zu diesem Album sagen könnte, aber ich versuche mal, das in Kurzform zu bringen:

Der Titeltrack Paternoster, mit dem das Album startet, erinnert mich in seiner Machart an das Meisterwerk Tubular Bells (Part I) von Mike Oldfield. Auch wenn es hier nicht so ist, dass immer ein Instrument dazukommt, schaffen es MMTH, diesen Song vom leisen Start – nur Gitarre und Schlagzeug sind zu hören – bis zum wuchtigen Ende nach und nach aufzubauen. Dabei verschieben sie geschickt die Prioritäten der Saiteninstrumente und schaffen es dadurch tatsächlich, dass es klingt, als würde immer noch was dazukommen. Genau den umgekehrten Weg gehen MMTH bei Big Mouth, der sehr voluminös startet, um dann in ruhigeren Bahnen weiterzufließen.

Mein absolutes Highlight kommt mit Souvenirs. Hier knie ich bei jedem Hören im Geiste nieder, allein das Gitarrenspiel mit seinen ganzen Effekten ist wunderbar. Das Gefühl ist vergleichbar mit dem Kribbeln im Magen bei einer Achterbahnfahrt, wenn der Wagen ganz oben angekommen ist – hier geht es dann allerdings nicht rasant abwärts. Sehr eingängig, sehr großes Ohrwurmpotential!

Den Songtitel Impuls hätte man besser nicht wählen können, denn der Track könnte auch im Hintergrund eines Science-Fiction-Films à la 2001: Odyssee im Weltraum laufen. Sehr spacig, im Hintergrund wabert ständig ein Soundeffekt vor sich hin und sendet von Anfang bis Ende seine Impulse – vielleicht ins Weltall, wer weiß? Auch Träumen Wale vom Fliegen eröffnet sofort das Kopfkino, hier muss ich gleich an die französische Band Gojira denken. Die vergisst man allerdings, wenn man den Song hört, der mit über 10 Minuten der längste des Albums ist und sich meiner Meinung nach ein wenig zieht. Von der Aufmachung her hätte man auch drei Tracks draus machen können, denn es gibt zwei sehr krasse Stilwechsel, die sich mir zugegebenermaßen auch nach mehrmaligem Hören nicht so ganz erschließen. Aber gut, die Männer werden sich was dabei gedacht haben 🙂 Was auf jeden Fall zum Titel passt, ist das nach knapp zwei Minuten einsetzende Gitarrenspiel, das könnte man nämlich durchaus als Walgesang deuten. Auch die Ruhe verströmenden ersten acht Minuten lassen vor dem geistigen Auge diese Riesen der Meere auftauchen, wie sie langsam und in großen Schwärmen durch die Gewässer ziehen und dabei lange Strecken zurücklegen.

Gar nicht selbsterklärend ist (It Takes Two To) Tango, denn Tangorhythmen kommen gar nicht vor. Wieder mal sehr spacig, sehr Prog Rock-lastig, erinnert mich ein wenig an die Black Space Riders, und mein Kopf fängt automatisch an, mitzunicken. Mit Tidal Waves (= Flutwelle, Springflut) geht es weiter. Der Track ist ungefähr über die halbe Spielzeit sehr reduziert mit einem schönen Gitarrenspiel, baut sich dann allerdings fast unmerklich zu einer mächtigen Woge auf, die aber niemals bedrohlich daherkommt, sondern den Hörer sanft umspült. Sanft umspült ist ein gutes Stichwort, das tut auch A Thousand Years, der zweitlängste Track des Albums. Der Bass in der ersten Hälfte erinnert mich ein wenig an das Twin Peaks Theme. Ungefähr zur Mitte des Tracks hin muss ich immer an eine alte Dampflok denken, die versucht, am Berg anzufahren, deren mächtige Räder aber immer wieder durchdrehen, und sie einfach kein Tempo aufnehmen kann. So zieht sich dann der Song wie glühend heiße Lava über weite Flächen, bevor sich diese zähfließende Masse dann zischend ins Meer ergießt und das Wasser zum Kochen bringt.

Nicht unter den Instrumenten zu finden, aber Pogba Is The New Zidane? – welch‘ ein Titel! – besteht tatsächlich fast nur aus einem sehr präsenten Klavierspiel. Der drittlängste Song des Albums zerrt dann allerdings in seiner fast durchgängigen Gleichförmigkeit irgendwann ein wenig an meinen Nerven. Es mag auch daran liegen, dass ich mit so einem präsenten Klavier noch nie viel anfangen konnte.

Den Titeltrack Paternoster haben MMTH schon als Hörprobe ins Netz gestellt, Ihr findet ihn hier:

https://mmth.bandcamp.com/track/paternoster

Ab 0:00 Uhr ist dann das komplette Album im Stream zu hören.

Fazit: Post Rock ist definitiv nicht gleich Post Rock, das beweisen MMTH mit ihrem Debütalbum. Da haben die Jungs beim Songwriting eine große Kreativität bewiesen, kein Track gleicht dem anderen, der Zuhörer bekommt immer wieder etwas Neues auf die Ohren. Trotzdem wird man hier nicht überfordert und kann den Songs wunderbar folgen. In der deutschen Post Rock-Szene sollte man sich damit schon mal gut etablieren können, was dann noch folgen mag, bleibt abzuwarten.

Anspieltipps: Paternoster, Souvenirs, Impuls und Tidal Waves
Heike L.
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