Sleep Token am 12.06.2023 im Carlswerk Victoria in Köln

Gather in Worship

Headliner: Sleep Token

Ort: Carlswerk Victoria, Köln

Datum: 12.06.2023

Kosten: 35,40 € VVK

Genre: Progressive Metal, Post Metal, Progressive Rock

Besucher: ca. 2000 Besucher

Veranstalter: Prime Entertainment GmbH

Setliste:

  1. Chokehold
  2. The Summoning
  3. Hypnosis
  4. Vore
  5. Like That
  6. Nazareth
  7. Granite
  8. Aqua Regia
  9. Atlantic
  10. Alkaline
  11. The Love You Want
  12. Rain
  13. The Night Does Not Belong To God
  14. The Offering

Vor weniger als einem Monat haben Sleep Token ihr drittes Album Take Me Back To Eden veröffentlicht und sich dabei ein weiteres Mal in mein Musikherz gebrannt. Das Review dazu und zum Vorgängeralbum von Redakteur Flo und mir gibt es ebenfalls online bei Time For Metal zu lesen.

TLDR: Sie sind sehr gut, alle Menschen sollten diese Musik hören. Das erste Album ist Sundowning (2019), das zweite This Place Will Become Your Tomb (2021) und seit dem 19. Mai ist die Trilogie vollständig mit Take Me Back To Eden.

Ich bin absolut gehypt, Sleep Token seit dem Euroblast Festival 2019 endlich wiederzusehen. Die Deutsche Bahn hat mich bei der Anreise ausnahmsweise mal nicht im Stich gelassen. Ich habe auch noch genug Zeit, mir ein Radler zu holen, am Merch vorbeizuschnuppern und bekannten Gesichtern Hallo zu sagen.

Das Konzert von Sleep Token ist eines der wenigen Deutschlandkonzerte als Headliner in der ersten Jahreshälfte und war innerhalb sehr kurzer Zeit ausverkauft, trotz Hochverlegung von der Essigfabrik ins Carlswerk Victoria in Köln. Für den Winter sind bereits weitere Headline Konzerte veröffentlicht.

Niemand weiß so genau, ob es jetzt noch eine Vorband bei diesem „Ritual“ geben wird, für das sich die Fans hier versammelt haben. Nach dem Release des neuen Albums war ich mir nicht ganz sicher, welche Musik-Fans sich bei einem Sleep Token Konzert einfinden würden. Mein schweifender Blick durch die Halle erhascht Metal-Fans verschiedenster Couleur von Core bis Kutte und Kinder bis Oldies. Die Halle ist bei 29 Grad Außentemperatur gefühlt noch mal fünf Grad wärmer, aber im hinteren Bereich sind die Leute ganz gut verteilt, ohne dass sie gedrängt aneinander stehen.

Das Ritual beginnt und die Fans sind so gehypt, dass man die Spannung in der Halle spüren kann. Die Vermutung, dass es keine Vorband gibt, bestätigt sich. Ich freue mich aber auch, dass es direkt losgeht, damit meine innere Oma an diesem Montagabend nicht zu spät ins Bettchen kommt. Die Bühne hat ein großes weißes Banner mit dem schwarzen Take Me Back To Eden Albumcover. Der Licht-Spot ist auf die Mitte der Bühne gerichtet und Sänger Vessel betritt als Erster die Bühne. Das Schlagzeug steht auf einem Riser auf der rechten Seite, auf der linken Seite kommen drei Background-Sänger:innen zum Vorschein. Der Bassist kommt nach links und der Gitarrist noch rechts auf die Bühne. Hinter Vessels zentralem Mikrofon steht noch ein Aufbau mit Keyboard.

Das Konzert beginnt

Es erklingt ein verzerrter Synth-Sound und Vessel beginnt zu singen. Der erste Song des Konzertes ist Chokehold, der erste Song der neuen Platte. Die Menge rastet bei den ersten Tönen schon aus und singt mit. Der Sound kommt der Albumproduktion sehr nah, hat aber live eine sehr gut funktionierende Dynamik und klingt irgendwie noch ein bisschen mehr nach Metal, was ich sehr befürworte. Spätestens als die härteren Parts reinballern, ist klar, dass es sich trotz des abgefahrenen Genre-Mixes von Sleep Token und den poppigen Einflüssen hier immer noch um eine progressive Metalband handelt. Dieser Sound gefällt mir live auf jeden Fall auch noch besser als auf der Platte. Weiter geht es mit The Summoning, was auch auf dem neuen Album als zweiter Song kommt. Ich stelle die Vermutung auf, dass Sleep Token das Album vielleicht einfach am Stück spielen, hoffe aber auch auf Songs der beiden Vorgängeralben und EPs. Wie beim ersten Song ballern die Metal-Parts richtig gut und das Publikum kennt gefühlt den kompletten Text auswendig und die meisten singen mit, mich eingeschlossen. Als Nächstes springen wir ein Album zurück zu This Place Will Become Your Tomb mit dem Song Hypnosis. Die Gesangskoloraturen sind mir seit der Veröffentlichung 2021 aufs Trommelfell gebrannt. Kurz kriege ich aber einen Herzinfarkt, als währenddessen etwas über meinen Kopf fliegt. Es stellt sich schnell heraus, es handelt sich um eine Drohne, die über die Menge fliegt, von der Bühne weg und wieder darauf zu.

Weiter geht es mit dem nächsten Banger Vore vom neuen Album, der ebenfalls richtig abgeht. Danach wieder ein Sprung zum vorherigen Album mit dem Song Like That. In dem Review zu This Place Will Become Your Tomb von Flo und mir habe ich diesen Track als den „Sexy Song“ des Albums bezeichnet. Diese Meinung hält sich auch für die Live-Version und bringt mich in andere Sphären.

Dann endlich der Song, den ich mir absolut gewünscht, aber nicht erwartet hatte: Nazareth von der zweiten EP Two der Band aus 2017. Dieser Song hat sich durch glückliche Zufälle in meinen Spotify-Rückblick „Your Top Songs“ aus 2020 auf Platz 1 gewuselt und ich höre den Song seitdem fast jeden Morgen als Erstes. Es ist tatsächlich objektiv nicht mein Lieblingssong von Sleep Token, aber der, mit dem ich die meisten positiven Assoziationen verbinde.

Noch ein unerwarteter Song, die Nummer drei von Take Me Back To Eden: Granite. Dazu kommt viel Backingtrack vom Band. Auch wenn die anwesenden Fans primär aus der Metal-Fraktion zu kommen scheinen, wird zu diesem Hip-Hop/Pop Track trotzdem mitgesungen und gegroovt.

Bei Aqua Regia freue ich mich auch sehr, dass er es in die Setliste des heutigen Abends geschafft hat. Der catchy Refrain konnte sich auch bei den anderen Fans gut einprägen und alle singen wieder mit. Dann kommt der Song, vor dem ich ein bisschen Angst hatte: Atlantic, der erste Song des zweiten Albums. Vessels intimer Gesang, mit ihm am Klavier, zieht mich trotz der Menschenmenge in emotionale Abgründe.

Wir bleiben noch weiter bei This Place Will Become Your Tomb mit dem Song Alkaline. Mir wird immer weiter bewusst, wie gefühlt jeder Song von Sleep Token mit einem relativ langen Synth-Intro anfängt und dass das niemanden zu stören scheint. Viele aufstrebende Metalbands laufen bei der Komposition ihrer Songs dem Spotify-Algorithmus hinterher. Dieser gibt scheinbar vor, dass ein Song in den ersten 15 Sekunden richtig ballern muss, um die Aufmerksamkeit der Hörenden zu halten. Sleep Token sind also nicht nur dafür, sondern auch für das Überschreiten von Genre-Grenzen ein gutes Beispiel und bestätigen, dass es sich nicht immer lohnt, mit dem Strom zu schwimmen, sondern auch mal sein eigener Strom zu sein.

Der Song mit der hüpfenden Melodie, wie sie Flo beim Review des zweiten Albums bezeichnete: The Love You Want ist auch live spannend zu hören. Dann kommt der Song, den ich beim neuen Album als den typischen Sleep Token Song bezeichnet habe. Rain hat alle wichtigen Aspekte der musikalischen Variation von Sleep Token in sich vereint. Beim nächsten Song hätte Flo sich sicher wieder gefreut: Telomeres war unter seinen Anspieltipps für das zweite Album. Der Twist mit dem vorletzten Song lässt mich schmunzeln: The Night Does Not Belong To God ist der erste Song des ersten Albums und in Referenzen im letzten Song der neuen Platte (Euclid) integriert. Als ich schon dachte, sie würden einen der größten Banger nicht spielen, kommt endlich noch The Offering und das Publikum bewegt sich wieder. Nach knapp 90 Minuten beenden Sleep Token das Konzert und gehen ohne Zugabe von der Bühne, was zwar schade ist, aber auch zum Konzept der Band passt.

Ich bin zwar traurig, dass es schon zu Ende ist, aber auch völlig müde und erschöpft von Konzert und Hitze. Ein paar Gedanken begleiten mich noch auf dem Weg nach Hause:

Trotz der drei Background-Sänger:innen kommen manche Teile strategisch gut getimed vom Band und lassen Vessel etwas Zeit zum Atmen. Das programmierte Licht passt super zu jedem Song und verleiht diesem Ritual noch mal einen mystischeren Vibe.

Vermisst habe ich tatsächlich den Titeltrack Take Me Back To Eden, kann aber verstehen, dass die über acht Minuten zu viel der Setlänge in Anspruch genommen hätten. Vom ersten Album habe ich den Song Sugar vermisst, was meiner Meinung nach auch sehr gut in die heutige Setliste gepasst hätte.

Ich freue mich auf jeden Fall sehr darauf, die Band im Dezember wieder in Köln zu sehen.