WeLive Musikfestival mit Dead Venus und der Matt Woosey Band am 27.02.2021 im Schlachthof in Lahr

Streaming-Serie startet in die zweite Runde

Eventname: WeLive – Das Online Musikfestival

Bands: Dead Venus, Matt Woosey Band

Ort: Schlachthof – Jugend & Kultur, Dreyspringstr.16, 77933 Lahr/Schwarzwald

Datum: 27.02.2021

Kosten: – (nicht öffentlich)

Genre: Progressive Rock, Folk Rock, Blues Rock

Besucher:

Link: https://www.welive-festival.com

Setlisten:

Matt Woosey Band:
01. Was The Grass Any Greener
02. Think And Thin
03. Compass And The Sand
04. Blue Bayou
05. Dirt In Your Eye
06. Let It Flow
07. Life Is But A Song

Dead Venus:
01. Bird Of Paradise
02. Redemptionless
03. Human Nature
04. Sirens Call
05. Valediction
06. The Beauty
07. Dark Sea
08. Flowers & Pain
09. Kiss Of The Muse

Vor ziemlich genau einem Jahr legte das Coronavirus u.a. die gesamte Veranstaltungs- und Eventbranche lahm und in den Konzertlocations und Clubs ging das Licht aus. Auch der Schlachthof – Jugend & Kultur in Lahr/Schwarzwald war von diesem Zwangs-Pausemodus betroffen, bis die Lahrer Rockwerkstatt e.V. im Frühsommer 2020 in Kooperation mit dem Schlachthof und den beiden Filmemachern Pirmin und Maik Styrnol vom Lahrer punchline studio das neue Konzertformat WeLive – Das Online Musikfestival aus dem Boden stampften, um die regionale Musikszene zu unterstützen. So ging das Licht im Schlachthof zumindest zeitweise wieder an und die Filmbrüder Styrnol, die auch schon mit Szenegrößen wie Deep Purple, Uriah Heep, Nazareth und Wishbone Ash arbeiteten, drehten insgesamt sechs hochprofessionelle Konzertfilme mit Dominik Büchele und der Band Umleitung, Qult, Von Welt, No Authority, Oil und dem Pianisten Pervez Mody, die dann später online ausgestrahlt wurden.

WeLive war ein klares Zeichen dafür, dass die regionale Musikszene noch lebt und aktiv ist und das, da die Fans von Livekonzerten mittlerweile ausgehungert waren, zu einem großen Erfolg wurde, das im Dezember 2020 sogar mit dem deutschen Rock&Pop-Preis für die Förderung der Rock- und Pop-Musik in Deutschland ausgezeichnet wurde. Somit ist es nicht weiter verwunderlich, dass aktuell eine zweite Staffel mit neuen Bands und Künstlern abgedreht wird.

In Staffel Eins hatten wir von Time For Metal die Ehre, den Dreharbeiten mit der Hardrock Band Oil beiwohnen und einen Blick hinter die Kulissen werfen zu können (hier geht es zu unserem Bericht). Eine völlig neue und vor allem andere Konzerterfahrung, die durchaus interessant war.

Somit gab es für mich nichts zu überlegen, als nun erneut eine Einladung kam und wir gefragt wurden, ob Interesse besteht, am ersten Drehtag der zweiten Staffel mit der Matt Woosey Band und Dead Venus teilzunehmen. Nach Monaten endlich mal wieder Livemucke auf die Ohren. Somit machte ich mich am 27. Februar erneut auf den Weg nach Lahr, wobei ich zunächst nur vorhatte, an dem Gig der Schweizer Prog Rock-Band Dead Venus teilzunehmen, da Folk- und Blues Rock nicht unbedingt zu meinen bevorzugten Genres gehören. Manchmal kommt jedoch alles anders, denn als ich gegen 14:30 Uhr am Schlachthof ankomme, ist es verdächtig ruhig und niemand ist zu sehen. Ich bin davon ausgegangen, dass die Dreharbeiten zum Konzert der Matt Woosey Band bereits abgeschlossen sind und die Crew um die Styrnol-Brüder rauchend und Bier trinkend die Frühlingsluft genießt. Tatsache ist, wie ein erster Blick ins Innere klarmacht, die Band um den gebürtigen Engländer Matt Woosey steht zwar auf der Bühne, jedoch hat das Konzert noch gar nicht begonnen. Nun gut, das kenne ich mittlerweile, denn schon beim Oil-Konzert vor einigen Monaten kommentierte Pirmin Styrnol diese Umstände folgendermaßen: „So ist das eben beim Film!“ Punkt!

Kaum habe ich meine Nase ins Innere gesteckt, werde ich jedoch gleich wieder hinausgeschickt, denn während bei den Dreharbeiten im letzten Jahr noch Mund/Nasen-Schutz und Abstand halten angesagt waren, so muss sich heute jeder Anwesende zuvor außerdem noch einem Corona-Schnelltest unterziehen. Der Arzt des Vertrauens ist heute niemand Geringeres als Taner Demiralay, der Tontechniker der WeLive-Crew, der extra dafür einen Kurs absolviert hat und sich nun kurzerhand in den weißen Arztkittel schwingt. Stäbchen rein – Spender sein! Nun ja, nicht ganz, anstatt in den Mund wird mir das Stäbchen tief in die Nase geschoben, was nicht wehtut, aber auch nicht unbedingt ein angenehmes Gefühl ist, aber wer dabei sein will, muss leiden, so ist das beim Film. Anschließend heißt es warten und die Frühlingssonne genießen, wobei das mir zuvor versprochene Bier leider wegen keine Zeit ausfällt. 20 Minuten später dann Entwarnung, ich bin negativ und darf das Geschehen nun aus der Nähe beobachten.

Ob man nun extra auf mich gewartet hat, I don`t know, jedenfalls steigen Matt Woosey und seine Band gerade, als ich die Location betrete, in ihr Set ein. Matt wer?, werden sich jetzt sicherlich einige fragen, denn auch ich hatte vor dem heutigen Tag noch nie von dem Engländer gehört, obwohl die Matt Woosey Band hier in der Region Südbaden und auch darüber hinaus längst keine Unbekannte mehr ist. Der Mann aus Bristol, der in Münchweier in der Ortenau lebt, ist ein echter Vollblut-Musiker, ein Singer/Songwriter, der in England bereits drei Mal für den British Blues Award nominiert wurde. Die Band spielt im Durchschnitt 250 Konzerte im Jahr und dabei nicht selten vor ausverkauftem Haus. Paul Jones, ehemaliger Sänger der britischen Beat-Band Manfred Mann (1962-1967), bezeichnete Matt Woosey einmal als den besten britischen Blues-Künstler seit Rory Gallagher. Mit Michael Oertel (Gitarre), Ralph Küker (Gitarre), Lukas Steinmeyer (Bass) und Dave Small (Drums) hat Matt Woosey eine Riege großartiger Musiker aus dem Raum Freiburg in seiner Band um sich geschart.

Die Band eröffnet die Dreharbeiten mit einem Song namens Was The Grass Any Greener, wobei Matt Woosey mit seiner Akustikgitarre in der Mitte der Bühne auf einem Stuhl sitzt, neben sich ein Uralt-Nachtschränkchen aus Omas Zeiten mit Flüssignahrung darauf. Überhaupt sieht die Bühne gerade aus wie ein Wohnzimmer aus Omas Zeiten, mit Sessel, alten Lampen und Globus, in dem das Nachtschränkchen etwas deplatziert wirkt, dennoch war die WeLive-Crew, wie auch schon in der ersten Staffel bemüht, jeder Band ein passendes Bühnenbild herbeizuzaubern. Hier geht es nicht um billig produzierte Streamingshows, wie es sie in den letzten Monaten zu Tausenden im Netz zu sehen gab und mit denen die Bands dann um Unterstützung in dieser schweren Zeit bei ihren Fans baten, sondern jeder einzelne Auftritt wird aufwendig mit zehn Kameras mitgeschnitten, wobei den Kameramännern wirklich alles abverlangt wird. Doch damit nicht genug, denn im Anschluss wird im punchline studio das gesamte Material in stunden- und wochenlanger Kleinarbeit gesichtet, zusammengeschnitten und bearbeitet, bis letztendlich ein hochprofessioneller Konzertfilm heraus kommt.

Wie Anfangs bereits erwähnt, ist Folk/Blues Rock nicht unbedingt meine bevorzugte Musikrichtung, dennoch bin ich der Meinung, jedes Genre hat seine Daseinsberechtigung und meistens kann ich einem Künstler auch etwas abgewinnen. So ist es auch heute, denn die Matt Woosey Band spielt auf einem sehr hohen Niveau und schon nach wenigen Minuten ist mir klar geworden, wieso Matt Wossey in Blues Rock-Kreisen solch einen guten Ruf genießt. Dabei ist der heutige Auftritt alles andere als normal, denn Matt, der sonst für wildeste Bühnen-Action bekannt ist, erhebt sich heute während des ganzen Auftritts kaum von seinem Stuhl, und so zeigt sich auch während der nächsten Songs, dass der wilde Blues-Rocker heute so gar nicht mit den ungewohnten Umständen klar kommt, denn bei einigen Songs braucht er mindestens zwei Anläufe. Nun sollte man meinen, ein Künstler, der in einer ausverkauften Location klarkommt und zur Rampensau mutiert, der kommt auch bei einem Streamingkonzert völlig ohne Publikum zurecht, doch offenbar sind das zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Der Mann ist sichtlich nervös und schämt sich sogar für seine Aussetzer, lässt zwischendurch sogar mal ein Fucking Bastard raus und tritt wütend gegen das alte Nachtschränkchen. Das ist zwar durchaus nachvollziehbar, doch völlig unnötig, denn abgesehen von der Nervosität ist ihm und auch der Band rein gar nichts vorzuwerfen, denn in Gang gekommen, präsentiert man sich auf hohem musikalischen Niveau und kann begeistern. Professionell zeigt sich hier auch das komplette Filmteam um die Brüder Pirmin und Maik Styrnol, die dem Sänger und Gitarristen alle Zeit lassen und versuchen, das fehlende Publikum zu ersetzen, indem sie johlen und applaudieren und den Mann pushen.

Die Songs selber, wie das eröffnende Was The Grass Any Greener, Think And Thin oder auch Compass And The Sand sind mir völlig unbekannt, vermutlich Eigenkompositionen. Dann jedoch kommt mit Blue Bayou, im Original von Roy Orbison (1963), ein Song, denn ich nur zu gut kenne und den ich hier und heute so gar nicht erwartet hätte. Wäre heute Publikum vor Ort, käme dieses vor der Bühne garantiert in Wallung. Es folgt noch Dirt In Your Eye, dann braucht die Band eine kurze Pause, um sich noch einmal zu sammeln, bevor mit Let It Flow und Life Is But A Song noch zwei Songs wiederholt werden, die im ersten Versuch nicht so hingehauen haben. Damit ist der erste Auftritt des Tages im Kasten und die Band ist sichtlich froh, die Bühne nun verlassen zu können. Offenbar ist man so gar nicht zufrieden, doch trotz der diversen Pannen, die der Nervosität von Frontmann Matt und der durchaus ungewöhnlichen Konzertsituation ohne Publikum zugeschrieben werden können, hat man sich hier hochprofessionell und als Profimusiker präsentiert.

Nach einer kurzen Zigarettenpause und einem guten Essen geht es dann an den Bühnenabbau und für mich beginnt eine fast endlose Wartezeit, die irgendwie überbrückt werden muss. Zwischenzeitlich sind auch die Prog Rocker Dead Venus vor Ort eingetroffen und das Zittern, ob denn auch alles klappt, hat ein Ende. Zwar sind den Schweizern vorab Bescheinigungen ausgestellt worden, doch das Alpenland ist hier bei uns als Risikogebiet eingestuft und es gibt derzeit Reisewarnungen, sodass Deutsche, die aus der Schweiz zurückkommen, sich in Quarantäne begeben müssen. Zwar war man in den letzten Tagen optimistisch gestimmt, dass alles funktioniert und die Band heute in Lahr spielen kann, doch die Anspannung, ob denn auch tatsächlich alles problemlos funktioniert bei der Ausreise, war in den letzten Stunden spürbar. Doch wie so oft sind manche Befürchtungen einfach unnötig, denn wie die Musiker dann berichten, haben am Grenzübergang Rheinfelden gar keine Grenzkontrollen stattgefunden und man konnte die Grenze problemlos passieren, jedoch müssen die Künstler binnen 24 Stunden wieder zurück sein.

Während die Matt Woosey Band bei Time For Metal nicht so ganz ins Konzept passt und wohl den wenigsten Lesern etwas sagt, sieht es bei Dead Venus schon ganz anders aus, denn es handelt sich hierbei natürlich um die aktuelle Band der ehemaligen Burning Witches-Fronterin Seraina Telli. Seraina hat mit dem Schweizer Hexen-Zirkel die ersten beiden Alben Burning Witches (2017) und Hexenhammer (2018) eingespielt, bevor sie sich vermehrt auf ihre eigene Band Dead Venus konzentrieren wollte und bei der All Female-Metal-Band Burning Witches durch die Niederländerin Laura Guldemond ersetzt wurde. Ich bin äußerst überrascht, dass Seraina sich noch an mich erinnern kann, denn zuletzt haben wir uns beim Burning Witches-Auftritt auf dem Bang Your Head-Festival 2018 getroffen.

Gegen 19:30 Uhr trifft dann Verstärkung durch die örtliche Feuerwehr ein, da Dead Venus später in einem Lichtermeer aus Kerzen spielen sollen, die nun jedoch erst einmal auf alt getrimmt werden müssen, doch genügend Pyromanen sind dank guter Planung vor Ort. Der Zeitplan gerät dennoch gewaltig durcheinander, denn der Auftritt war für etwa 20:00 Uhr geplant, doch die Bühne ist bei Weitem noch nicht fertig. Die Schweizer sind noch dabei, ihr Equipment aufzubauen und Licht- und Tontechniker richten währenddessen die Bühne. Auch die Verteilung der vielen Kerzenleuchter muss offenbar genaustens durchdacht sein und obwohl die Chefs das selbst in die Hand nehmen, muss am Ende wieder umgeplant werden, denn Seraina Telli hat Einwände und fürchtet um ihre Haarpracht. Auch der Sound- und Lichtcheck nimmt noch eine gewisse Zeit in Anspruch, doch gegen kurz nach 22:00 Uhr ist es dann endlich so weit und nach einer kurzen Zigarettenpause kann es losgehen. Was sich hier aber nach einem ordentlichen Durcheinander anhört, ist in Wahrheit gar nicht so schlimm, denn das WeLive-Team besteht aus Profis, die genügend Erfahrung aus der ersten Staffel haben, sodass es ein eher geordnetes Chaos ist, bei dem fast jeder Handgriff sitzt. Das Problem ist, dass man aufgrund der Coronabestimmungen nur mit kleiner Crew arbeiten darf und so fehlt es einfach an Stagehands, erklärt Pirmin Styrnol.

Als das Prog-Trio dann endlich die Bühne entert, gelingt der Einstieg mit dem Titeltrack ihres Debütalbums Bird Of Paradise (2019). Wer Frontfrau Seraina Telli, die bei Dead Venus für den Gesang sowie die akustischen sowie elektrisch verstärkten Gitarren- und Keyboard/Piano-Parts zuständig ist, bisher nur aus Burning Witches-Zeiten kannte, der wird heute Abend überrascht über den Frickelsound sein, denn musikalisch haben beide Bands nichts gemeinsam. Das Trio um die ehemalige Old School Heavy Metal Hexe, die sich in einen bunten Paradiesvogel verwandelt hat und hier von Bassist André Gärtner und Drummer Mike Malloth unterstützt wird, bewegt sich auf Progressive Rock Pfaden, schreckt jedoch auch nicht vor Ausflügen in andere Genres wie Jazz, Post Rock, Klassik, Metal und Soul zurück. Gespielt werden heute mit dem einleitenden Bird Of Paradise, Redemptionless, Human Nature, Sirens Call, Valediction, The Beauty und Dark Sea zwei Drittel des Debütalbums, denn neue Songs sind derzeit erst in der Mache. Doch auch so ist der Abend eine anspruchsvolle Achterbahnfahrt, bei der man sich nur zurücklehnen und genießen kann. Mal geht es progressiv rockig nach vorne, dann werden plötzlich sanfte, fast minimalistische Töne angeschlagen, bevor es plötzlich hart und heavy zur Sache geht. Der Auftritt ist ein echtes Highlight und das nicht nur, weil sonst Corona-bedingt keine Konzerte stattfinden dürfen. Es wird zu keinem Moment langweilig und die wenigen Anwesenden zeigen sich begeistert von Serainas ausdrucksstarkem Gesang, der gebettet ist auf teils sanften Pianoläufen, rockigen Riffs, einem dominanten Bass und abwechslungsreichem Schlagzeugspiel. Nun zeigt sich auch, dass das Bühnenbild mit all den Kerzen perfekt gewählt ist.

Eine Überraschung haben die Schweizer aber dann doch noch mit im Gepäck, denn mit Flowers & Pain wird die erste Single aus dem kommenden Album präsentiert, wobei ich hier nicht zu viel vorwegnehmen will, denn ihr sollt euch ja den kompletten Konzertfilm ansehen. So viel vorweg: Der Song macht Lust auf mehr, also nehmt euch die Zeit, es lohnt sich! Zum Abschluss gibt es noch Kiss Of The Muse vom Debüt auf die Ohren, bevor auch das zweite Konzert des Abends um kurz vor Mitternacht zu Ende geht.

Ein langer Tag geht für das WeLive-Team nach gut 16 Stunden langsam zu Ende, doch Dead Venus müssen sich nach dem Abbau noch auf die Rückfahrt machen, da man ja innerhalb von 24 Stunden wieder in der Schweiz sein muss, und auch für die Brüder Styrnol und das punchline studio geht der zweite Teil der Arbeit nun erst los, denn das gesamte Material muss gesichtet und bearbeitet werden. Genug hat man dennoch noch nicht, denn parallel zu den Studioarbeiten sollen auch die Konzerte weitergehen. Der zweite Drehtag wird in der Sternenberghalle in Friesenheim mit FatCat und Hannah M. Wilhelm stattfinden. Weitere Dreharbeiten für einen Heimatabend sind für den Mai mit dem Komiker Helmut Dold, mit Buurequartett und anderen sowie einem Crossover-Projekt aus Klassik und elektronischer Musik im Parktheater Lahr geplant.

Der fertige Konzertfilm mit Dead Venus soll übrigens am 18. April hier online gehen.