Time For Metal Zeitreise – Alice Cooper – Trash

Klassiker von damals neu gehört - mit René W. und Florian W.

In dieser Kolumne plaudern Redakteur Andreas B. und / oder Florian W. mit Chefredakteur René W. ein bis zweimal im Monat über einen Klassiker der Metal- und Hardrock-Geschichte. Der Fokus liegt dabei nicht auf Bands aus der zweiten Reihe oder auf vergessenen Underground-Perlen. Die Time For Metal Zeitreise ist die Bühne für die einflussreichen und großen Bands unserer Szene. Hier wird über deren Alben gefachsimpelt, sich erinnert, diskutiert und manchmal auch gestritten. Von Fans für Fans.

Da unser lieber Andi dieses Jahr beruflich die Zeitreise nicht weiter aufgreifen kann, fliegen Flo und René weiter durch die Jahrzehnte und legen den Fokus in den letzten vier Ausgaben im Jahr 2021 auf alte Rock Klassiker. Den Anfang macht Trash von Alice Cooper – das Album wurde 1989 geboren und beinhaltet so manchen Gassenhauer.

Lehnt euch gemütlich zurück und erinnert euch mit uns an die alten Zeiten und die großen Momente, die uns alle so sehr geprägt haben.

Heute: Alice Cooper – Trash aus dem Jahr 1989.

René W.:
Mensch Flo, da hast du dir gleich einen Kracher der Hardrock-Geschichte ausgeguckt. Bei Alice Cooper bin ich sofort dabei. Paranormal von 2017 ist tatsächlich mein Lieblingsalbum des amerikanischen Schockrockers. Vom letzten Werk Detroit Stories hätte ich ganz offen jedoch mehr erwartet. Mit Trash führst du uns in die immer noch wilden, späten Achtziger. Aber bevor wir zum Silberling kommen: Wie bin ich überhaupt mit dem Altmeister erstmals in Berührung gekommen? Die Frage kann beim besten Willen nicht beantwortet werden. Mein Onkel hat viele alte Platten aus den Siebzigern und Achtzigern liegen gehabt, mag sein, dass dort das erste Mal auch Alice lief oder war es im Radio? Egal wie tief mein Gedächtnis durchforstet wird, das Ergebnis kommt nicht an die Oberfläche. Live noch nie erlebt, bleibt dieser graue Fleck untröstlich, schließlich zockte der Amerikaner vor Corona mit Paranormal in Aurich und aus privaten Gründen konnte ich mit meinen ostfriesischen Headbanger-Kollegen keinen draufmachen.

Im Alter von 16 bis 20 hingen wir öfter im Captains am Strand von Bensersiel ab. Die Musik ging von Schlager bis 80er, 90er und andere Klassiker. Jeden Abend liefen auch ein bis zwei Stunden Rocksongs. AC/DC geht auch an der Nordsee im Urlaubsparadies steil, Guns n‘ Roses, Nirvana, die Scorpions oder eben Alice Cooper durften da nicht fehlen und wir waren immer dankbar, wenn wir den anderen Schrott nicht hören mussten. Warum wir trotzdem so oft da waren? 25 Euro für einen geselligen Abend inkl. Bier, Cocktails und Longdrinks for free – noch Fragen?

Dieser Sprung führt uns zum Opener Poison, dem erfolgreichsten bzw. bekanntesten Titel neben School’s Out. Ich weiß nicht, wie oft die Nummer in meinem Leben schon lief. Die Riffs bleiben im Kopf, der Refrain ist geil, nur wurde der Track zu oft rauf und runter gespielt. Nach einer längeren Pause macht für diese Zeitreise Poison wieder richtig Spaß und ich fühle mich gleich in meine wilde Jugend zurückversetzt. Partys, viel Alkohol, krachende Konzerte und eben die geselligen Abende mit Alice Cooper und Co. in der Strandbar mit zu vielen Drinks, das war unser Gift und unsere Freude zugleich. Welches ist dein Nummer-Eins-Album? Wie giftig wurde Poison für dich?

Florian W.:
Mein lieber René, wie ich schon an deinen ersten Zeilen zu unserer aktuellen Zeitreise erkennen kann, liegen wir beim Altmeister auf einer Wellenlänge. Alt ist zugleich das Stichwort, denn der gute Alice ist ein Jahr älter als wir beide zusammen. Dennoch hat er es unbestritten immer noch drauf. Genau wie du finde ich ebenfalls Paranormal deutlich stärker als Detroit Stories. Auch mir blieb bisher aus unterschiedlichen Gründen der Zutritt zu einer der legendären Bühnenshows des Schockrockers verwehrt. Wir sollten das zusammen nachholen! Bevor ich zu meinem Lieblingsalbum von Alice komme, noch eine kleine Anekdote zum Thema Alkohol, du böser Geist: Mitte der 80er überwand Alice Cooper seine eigene Alkoholsucht und half anderen Musikern ebenfalls damit fertig zu werden. So auch den Jungs von Megadeth auf der gemeinsamen Tour. Hut ab!

Die Frage nach meinem Topalbum in der Diskografie von Mr. Cooper ist schnell geklärt: Es ist Trash. Warum? Es war das erste Rockalbum, welches ich jemals gehört habe. Und zwar in einem Alter, in dem an wilde, alkoholgetränkte Partys noch nicht zu denken war. Mit ca. 7, 8 Jährchen gelang durch meinen älteren Bruder ein Tape in meine Hände, dass meine musikalische Ausrichtung nachhaltig prägen sollte. Im Freundeskreis meines Bruders war Tape-Trading gerade ein großes Ding und so gelang besagte Kassette in meinen Besitz. Auf einer Seite war Trash und auf der anderen Walls Of Jericho von Helloween. Kein schlechter Einstieg, würde ich sagen. Von Benjamin Blümchen, den Schlümpfen und TKKG zu Hardrock und Speed/Power Metal. Es war die erste Musik, die ich bewusst gehört habe. Obwohl mich mein Vater in noch jüngeren Jahren bestimmt schon mit Musik von Pink Floyd, Led Zeppelin und Co. konfrontiert hatte. Doch Alice war anders und sein Auftreten zog einen kleinen Pimpf wie mich magisch an. Das erinnert mich auch gleich an meine Mutter, die, so tolerant sie auch war, mir zwei Sachen nie erlaubte: Das „Two-Face“ Shirt von Alice (Hallo Mama, ich kaufe es mir jetzt trotzdem, okay?) und das Tailgunner-Motiv von Maiden.

Quelle: EMP

Tatsächlich gab es 1989 auf Trash gar keinen Schockrock mehr zu hören. Stattdessen hörten Fans auf Hochglanz polierten Hardrock mit Bon-Jovi-Schlagseite. Das bringt mich direkt zur nächsten Frage: Was haben Bon Jovi, meine Lieblingsband Dream Theater, Tokio Hotel und Alice Cooper gemeinsam? Die Antwort lautet: Hitproduzent Desmond Child. Der legendäre Songwriter hatte bei den genannten Bands und dem Album Trash seine Finger im Spiel, genau wie bei anderen Meilensteinen und Hitsingles à la I Was Made For Lovin’ You und Livin’ On A Prayer. Du hast recht, Poison wurde auf Partys und einschlägigen Radiosendern schon totgenudelt. Für unsere Zeitreise macht es allerdings wieder mächtig Bock. Der Bon-Jovi-Faktor zieht sich durch einige Songs auf Trash, sodass ich schon vor langer Zeit zu dem Schluss gekommen bin, dass es ein BJ-Album mit Alice am Mikro ist. Was jedoch keineswegs die großartigen Nummern schmälern soll. Welche Songs auf Trash bringen dein Blut zum Kochen?

René W.:
Neben Poison, das auch tausendmal gehört, nach ein paar Tagen Pause immer wieder funktioniert, liegen mir am meisten Spark In The Dark und I’m Your Gun, ohne den Titeltrack zu vergessen. Spark In The Dark hat für mich persönlich sogar einen höheren Stellenwert als eben Poison. Alleine diesen Blog kann man doch nur laut aufdrehen Flo, oder nicht?

I’ll take you to the deepest
darkest, hottest, lovers‘ lane
For a little spark in the dark
Just a little spark in the dark
Don’t matter where we sleep
Don’t matter where we park
All we need is a spark, spark
Spark in the dark

Cool, cooler, Spark In The Dark – alleine die Grundmelodie packt einen jedes Mal wieder an den Eiern, die Gitarren hauen einen um, vielleicht sogar der beste Alice Song aller Zeiten. House Of Fire im Anschluss wirkt richtig blass nach dem Kracher, obwohl der Song eigentlich typisch für den Rocker ist. Der lockere Refrain, die schick verzerrten Vocals, die man 1989 schon auf einem sehr hohen Niveau einspielen konnte, passen wie die Faust aufs Auge. Die Gitarrensoli machen ebenfalls Spaß, da will ich direkt eine Lanze für John McCurry brechen. Er ist wie der Mastermind ein absolut gradliniger Hund, der seine Kunst beherrscht und den Cooper-Sound auf Trash immer wieder veredeln kann. So viele Seitenhexer haben bereits für die Ikone gezockt, für mich ist John einer der prägnantesten Alice-Zupfer. Die Dreierfront auf Paranormal mit Nita Strauss, Tommy Henriksen und Ryan Roxie ist natürlich auch eine Augenweide. Why Trust You geht noch groovend vorwärts und passt wie die Vorgänger einwandfrei in das Konzept, obwohl die ganz große Power öfter hochgezogen werden dürfte.

Mein erster und größter Bruch folgt mit Only My Heart Talkin‘, das kannst du von mir aus direkt von der Platte streichen. Die Ballade zieht den Stecker und das, wo man gerade auf einem harten Partyrock-Modus durch die Bude gleitet. Welche drei Höhepunkte machst du neben Poison aus und warum berühren dich die Nummern? Wo wir schon beim Berühren sind, die Artworks gelten in der Szene oft als abstrakte Kunst, billig oder einfältig. Würdest du dir ein Plattencover als Tattoo stechen lassen? Ein gemeinsames Konzert, sobald es möglich ist, können wir in der To-do-Liste dick eintragen!

Florian W.:
Spark In The Dark ist wirklich ein richtig cooler Schweinehund eines Rocksongs und die von dir erwähnten Zeilen dürfen auch gerne die Nachbarn hören – ob sie wollen oder nicht. Wo es für dich blass wird, gehen bei mir erst die Scheinwerfer an. Für mich ist House Of Fire der beste Alice Song ever. Obwohl man den Bon-Jovi-Refrain auch hier nicht von der Hand weisen kann, packt er mich immer wieder aufs Neue. Ich liebe es, wenn mir die Haare vom Rücken über den Nacken bis zur Kopfhaut zu Berge stehen und diese Zeilen schaffen es jedes verdammte Mal:

We are building this house together, baby
Standing on solid ground
We are building a house of fire
That you can’t tear down

Faust hoch und laut mitgegrölt. Du kannst zu Recht eine Lanze für John McCurry brechen, denn immerhin hat er den Überhit Poison und deinen anderen Favoriten I’m Your Gun mitkomponiert. Der Ruhm für die geilen Aufreißer-Soli in House Of Fire gebührt jedoch Aerosmith-Saitenhexer Joe Perry. Überhaupt ist es für den Meister nicht ungewöhnlich, eine ganze Armada an Musikern um sich zu scharen. So ist neben McCurry und Perry auch der langjährige Bon-Jovi-Weggefährte Richie Sambora zu hören. Dieser sorgt in meiner zweiten „Treppchen-Nummer“ Hell Is Living Without You für das überragende Solo ab Minute 2:30. Für mich eines der besten Rocksoli aller Zeiten. Da steckt einfach Gefühl in jedem Saitenanschlag. Totos Steve Lukather ist ebenfalls an der Ballade beteiligt. Wenn Alice ruft, stehen die Stars Schlange. Darüber hinaus zeigt der Song, wie man eine grandiose Powerballade schreibt, im Gegensatz zu dem von dir erwähnten Only My Heart Talkin‘, das einfach nur trash ist. Da kann auch das Gekeife von Steven Tyler nichts mehr retten, da sind wir uns definitiv einig.

Old School Rocker wie der Titelsong und I’m Your Gun mochte ich als kleiner Steppke gar nicht. Mit einigen Jahren Abstand gefallen sie mir jedoch immer besser. Auf dem dritten Platz steht bei mir allerdings Bed Of Nails. Wieder dieser mächtige Stadionrefrain wie in House Of Fire und dieses Mal Kane Roberts an der Klampfe, der auch auf anderen Outputs von Alice Cooper zu hören ist und hier einen astreinen Job abliefert. Man, ich bin so gehypt, wenn ich nur an ein Livekonzert denke. Man gönne sich diese Performance alleine von Nita Strauss:

Schön, dass du fragst: Tatsächlich überlege ich schon seit Jahren, mir ein Coverartwork als Tattoo stechen zu lassen. Bisher hat es allerdings an der teils schwierigen Umsetzung oder meiner Entscheidungsfreude gehapert. Ein Tattoo mit Bezug zum Metal wird vermutlich trotzdem zeitnah den Weg unter meine Haut finden. Einige verewigen ihre Idole ja auch in Form von Textzeilen auf ihrer Haut. Gut, dass ich als kleiner Mensch die Lyrics auf Trash nicht verstehen konnte. Auch wenn sie oft mit einem Augenzwinkern und Metaphern versehen wurden, sind Zeilen wie „I’ll drive you like a hammer on a bed of nails“ nicht unbedingt für die Ohren eines 7-Jährigen gedacht. Kämen Textzeilen deiner Lieblingsbands für dich als Tattoo infrage und wenn ja, welche?

René W.:
Auch wenn es nicht mehr ganz zum Thema passt, möchte ich deine Frage auch beantworten. Texte oder Textzeilen im Allgemeinen finde ich persönlich als Tattoos total gruselig. Wie meine Frau aber so schön sagt, „ein Tattoo muss nur einem gefallen und das einem selber.“ Meine rechte Wade ist bereits verplant und ich hoffe, dass die neue EU-Gesetzgebung der Farben nicht zu lange die Szene beschäftigt. Dort soll in geraumer Zeit ein Hector/Eddie-Battle entstehen. Mehr möchte ich nicht verraten und zeige gerne, wenn es so weit ist, bei einer Hammerfall oder Iron Maiden Zeitreise das Kunstwerk. Kommen wir langsam zum Ende dieser abermals spannenden Zeitreise, die uns zudem in die jüngsten Tage deiner Rocker-Geschichte geführt haben. Hell Is Living Without You und I’m Your Gun bilden einen würdigen Abschluss und schlagen laut krachend die rockige Trash-Geschichte zu.

Nicht nur diese Zeitreise ist zu Ende, auch unser erstes Jahr mit dieser neuen Kolumne dreht auf der letzten Rille. Für den Schlussspurt haben Flo und meine Person noch drei rockige Gassenhauer für euch im Köcher, die wie brennende Pfeile durch die kalten Winternächte gleiten werden. Im nächsten Jahr headbangen wir dann wieder durch alle Genres des Rock und Metal und haben sicherlich für jeden unserer Leser ein paar spannende Geschichten im Gepäck.

Euch gefällt unsere Time For Metal Zeitreise? Dann schaut euch auch gerne die anderen Folgen an:

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