Time For Metal: Die Top 5-Alben des Jahres 2020 unseres Teams – Heute: Jürgen F.

Teil 16 von 18

Wie in den vorangegangenen Jahren haben wir auch in diesem Jahr im Time For Metal-Team gefragt, was denn für jeden die musikalischen Highlights waren. Dafür haben unsere Teammitglieder ihre ganz persönlichen Lieblingsalben rausgesucht.

Neben einem Hörbeispiel haben wir für die Top 5 auch jeweils den Link zu unserem Review aufgeführt, damit ihr noch einmal nachlesen könnt, warum das Album seinen Platz in den ganz persönlichen Top 5 des Jahres 2020 gefunden hat. Neben diesen Top 5 – die übrigens kein Ranking darstellen, sondern in zufälliger Reihenfolge genannt sind – gibt es auch immer wieder mal die eine oder andere persönliche Empfehlung unserer Teammitglieder, also viel Spaß bei der Lektüre!

Moin, 2020 ist sicher ein Jahr, welches ich für den Rest meines Lebens nicht vergessen werde. Ich bin eigentlich typischer Clubgänger und das vor meiner Haustür liegende Dorf bietet eigentlich genügend musikalische Unterhaltung. Muss ich noch viel mehr schreiben? Seit März auf weniger als zehn Konzerte reduziert und als Freelancer von Corona stillgelegt. So ist diese Jahreszusammenfassung bis auf Weiteres auch mein letzter Artikel für Time For Metal, da ich die weitere Stilllegung als Freelancer leider nicht mehr kompensieren kann. Aber es gab wenigstens neue Veröffentlichungen im ersten Coronajahr, die mir dann und wann ein Lächeln auf die Lippen zauberten oder alternativ mich in meinem Büro zum Headbangen brachten. Mein größtes Problem ist, das Thema auf nur fünf Werke zu reduzieren. Also müssen Einschränkungen her und Livealben, EPs oder Re-Releases bleiben gleich unberücksichtigt. Da sind aber immer noch 20 Longplayer zur Auswahl. So sind meine Top 5 Scheiben von Bands, wo von meiner Seite auch ein emotionaler oder persönlicher Bezug besteht. Das sind dann ggf. nicht die filigransten Sachen, aber dafür haben die Werke mich aus diversen Gründen etwas mehr beeindruckt als viele gute Scheiben anderer Künstler.

Dark Tranquillity – Moment

Die Truppe aus Göteborg ist einer meiner Langzeitfavoriten. Eigentlich sollte erst in 2021 das neue Langeisen auf den Markt kommen. Natürlich waren im Sommer 2020 diverse Festivals geplant und ich war sehr gespannt, was sich die Truppe um Mikael Stanne dafür einfallen lassen wird. Der Rest ist Geschichte. Im September dann die überraschende Einladung von Century Media zum Pre-Listening der neuen Scheibe aus dem Hause Dark Tranquillity inkl. online Pressekonferenz. Beim ersten Hören kann die Scheibe bereits begeistern und zündet deutlich mehr als Atoma. Die Promo läuft in Dauerrotation und die beiden neuen Gitarren klingen, als hätten Johan und Chris in ihrem Leben noch nie etwas anderes getan. So erhält der 2020er-Output des Sextetts als einzige Scheibe die Höchstnote und ist somit mein persönliches Album 2020. Ich dachte zunächst, es wäre eine Fiction – aber nein, man knüpft musikalisch genau an das 2007er-Werk an und hier gibt es das Prädikat besonders hörenswert. In einem Scheißjahr haben mir die Herren aus Göteborg einige nette musikalische Stunden bereitet. Jetzt hoffe ich natürlich, dass die Truppe es irgendwie schafft, in 2021 in den Großraum Hamburg zu kommen, um dort eine Bühne für einen langen Moment zum Beben zu bringen. Einen kleinen Vorgeschmack evtl.? So könnte das dann aussehen (Klick).

Pain Of Salvation – Panther

Panther? Wer ist ein Panther? Der Meister der Konzeptwerke liefert auch in 2020. Die Idee hier ist, dass es Panther gibt, welche der Norm entsprechen und welche, die eher aus dem Rahmen fallen. Ein Schelm, wer denkt, dass Daniel diese Geschichte aus dem täglichen Leben gegriffen hat. So gibt es Musik zu einem meines Erachtens sehr spannenden Thema, wo der Meister der Gegensätze genau das liefert, was man von ihm kennt. Progressive Darbietungen, welche zum Konzept hervorragend passen. Nicht jeder Song haut mich vom Hocker, aber das Konzept ist der Burner. Daniel und seine Mitstreiter haben ein für das Jahr 2020 sehr passendes Langeisen auf den Markt geworfen. Ein Posting von Daniel zur Pandemie unterstreicht die Ideen bezüglich Panther nochmals. Es gibt keinen Unterschied oder Wertigkeit zwischen den Menschen, wonach jemand einen größeren oder kleineren Wert hat. Jeder ist für jemanden anderen wertvoll und wichtig. Das ist große musikalische Kunst und ein Highlight im Jahre 2020.

Course Of Fate – Mindweaver

Aus Norwegen landete im Frühjahr eine Scheibe auf meinem Schreibtisch. Band noch nie gehört, aber es soll progressiv zur Sache gehen. Dazu kommt das Teil aus Skandinavien und das bedeutet in der Regel Qualität. Beim ersten Hören dachte ich nicht nur einmal an Operation:Mindcrime. Die Norweger wandeln ein wenig auf den Spuren von Queensrÿche ohne zu kopieren, sondern liefern ihre eigenen Akzente sowie das eine oder andere Riff von weiteren Größen der progressiven Musik. Nichts erwartet, viel bekommen und somit eine der Entdeckungen 2020. Es gibt ein Interview mit dem Sänger Eivind und ich hoffe, dass wir die Truppe mal nach Germany bekommen.

Iron Savior – Skycrest

Das erste Konzert des Jahres 2020 fand im Hamburger Knust statt, der Ballroom Birthday Bash. Headliner waren Iron Savior. Nach dem Konzert ging es dem Bassisten Jan-Sören Eckert schlecht und er fuhr zügig nach Hause. Zwei Wochen später die heftige Nachricht über seine Krebserkrankung. So ist die neue Scheibe Skycrest evtl. nicht die filigranste Scheibe des Jahres 2020. Aber es ist ein Werk, wo ich mich sehr drüber gefreut habe, denn Jan-Sören zupft nicht nur den Bass, sondern singt auch noch eine Ballade. Mit Piet konnten wir ein Interview führen und hier gibt es weitere Details zum Nachlesen. Einige kleine Tierchen bleiben auch im Gehörgang haften, wenn man sich die Scheibe reintut. Powermetal, wie er war, ist und sein soll.

Grave Digger – Fields Of Blood

So ähnlich wie mit Iron Savior geht es mir auch mit Grave Digger. Eine Band, die eigentlich immer da ist und war. Nicht alle Langeisen sind der Hammer gewesen in den letzten Jahren. Mit Fields Of Blood knüpfte das Quartett an die Tunes Of War an und beendet nun die Schottland Trilogie. Das Ding war im Frühjahr eine der Scheiben, welche bei mir sehr oft rotierte. Grave Digger 2020 haben aber nicht nur musikalisch viel Spaß gemacht. Rund um den Corona-Ausbruch bei Tönnies und der Aufdeckung der Arbeitsbedingungen vor Ort, konnten wir mit Axel „Ironfinger“ Ritt auch noch ein Interview bezüglich Ernährung und der Frage „Ist Metal veggie und vegan?“ führen (Klick). So liefern Chris (weiteres Interview Klick) und seine Mitstreiter neben guter Musik auch noch viele Einblicke zum Bandleben und der Coronasituation.

Weitere Empfehlungen

Ob ManticoraDraconianHeathenPsychotic WaltzKatatoniaTestamentHakenOceans Of SlumberArmored SaintIn ExtremoEnsiferum, Dritte Wahl oder Bonded. Alle hätten hier nochmals eine separate Vorstellung verdient gehabt. Es soll insgesamt jedoch kein Buch werden, so habe ich drei Werke herausgesucht, wo die Bands einen weniger bekannten Namen haben. Aus Frankreich landeten Boisson Divine mit ihrem Langeisen La Halha ziemlich tief in meinem Gehörgang. Das Besondere an der Truppe aus dem Department Gers sind die genutzten lokalen Instrumente, wie z.B. eine Boha. Das ist so was Ähnliches wie eine Sackpfeife. Mit solchen und anderen Instrumenten bringen die Franzosen im Mai ein spezielles, meines Erachtens jedoch absolut hörenswertes, Folk Metal Album auf den Markt. Der Mix von traditionellen Instrumenten aus der Region in Kombination mit Heavy Metal bietet Klänge, die einfach anders sind als viele andere.

Aus dem schönen Oulu im Nordwesten Finnlands gab es im Oktober einen neuen Namen: Slow Fall ließen Beneath The Endless Rains auf die Menschheit los. Hier stellt sich die Frage, ob es in Finnland eine gute Prise Death Metal schon mit der Muttermilch gibt. Eine mir bis dahin völlig unbekannte Band zockt erstklassig im Genre Melo Death / Doom mit progressiven Einflüssen. Da gibt es richtige Granaten zu entdecken. Wer mit Nailed To Obscurity Spaß hat, wird den mit Slow Fall ebenfalls finden.

Auf den letzten Drücker haben sich Kaunis Kuolematon mit Syttyköön Toinen Aurinko als unbekannter Name hier eine Erwähnung verdient. Melancholische Klänge zur dunklen Jahreszeit liefern die Herren aus dem Südosten Finnlands. Wer Death/Doom mit intensiven Melodien garniert hören möchte, ist hier auf jeden Fall richtig. Die Truppe stand uns auch für ein Interview zur Verfügung.

Ich wünsche allen Künstlern und in der Künstler- und Kulturszene arbeitenden Menschen, dass jeder möglichst unbeschadet durch die weitere Zeit der Pandemie kommt und man den Virus irgendwann in den Griff bekommt. Die Befürchtung ist, dass genau das passiert, was die Broilers in Keine Hymnen Heute wunderbar beschrieben haben – die Kultur verlässt das Land und die Gesellschaft geißelt und spaltet sich im Spätkapitalismus.