Time For Metal Zeitreise – Guns n’ Roses – Appetite For Destruction

Klassiker von damals neu gehört - mit René W. und Florian W.

In dieser Kolumne plaudern Redakteur Andreas B. und / oder Florian W. mit Chefredakteur René W. ein bis zweimal im Monat über einen Klassiker der Metal- und Hardrock-Geschichte. Der Fokus liegt dabei nicht auf Bands aus der zweiten Reihe oder auf vergessenen Underground-Perlen. Die Time For Metal Zeitreise ist die Bühne für die einflussreichen und großen Bands unserer Szene. Hier wird über deren Alben gefachsimpelt, sich erinnert, diskutiert und manchmal auch gestritten. Von Fans für Fans.

Lehnt euch gemütlich zurück und erinnert euch mit uns an die alten Zeiten und die großen Momente, die uns alle so sehr geprägt haben.

Heute: Guns n’ Roses – Appetite For Destruction aus dem Jahr 1987.

René W.:
Fuck, jetzt bei Guns n’ Roses wie gewohnt am Anfang die persönliche Hose herunterlassen zu müssen, fällt mir absolut schwer. Das liegt aber nicht daran, dass ich euch jetzt mit vielen schlimmen Details aus meinem Leben den Tag versauen muss, sondern an der Tatsache, dass die Amerikaner mit ihrem Hard Rock irgendwie den Weg in meine Ohren gefunden haben. Na gut, ganz irgendwie stimmt leider auch nicht. Das erste Mal richtig wahrgenommen von meinen alkoholisierten Synapsen wurde Paradise City auf der After-Show-Party im Zelt auf dem Party.San und ja, der Song war mir wohl als Einzigem 2009 nicht geläufig. Guns n’ Roses liefen immer an mir vorbei. Gut, Shirts der Band liefen einem immer irgendwo über den Weg, alleine, weil H&M das hässliche Logo mit ins Programm genommen hat. Flo, das Logo ist doch voll kein Metal, oder? Mir persönlich zieht es die Fußnägel noch immer hoch, sobald mein Auge diese Grafik erblickt. Meine Frau hat auch Shirts dieser Formation, also nicht, dass ihr denkt, ich würde mit diesem wunderbaren Design nur selten konfrontiert werden.

Zurück zum Party.San: Der noch junge René fragt also bei Paradise City „wer ist das denn, klingt gut“. Ungläubig durchbohren mich gefühlt alle Blicke. Was soll man dazu sagen, jeder kennt diesen einen Augenblick, meiner war nun eben bei Axl Rose, der meiner Meinung nach das Comeback der letzten Jahre darstellt. Wer kennt nicht die Bilder zum Neustart, wo der völlig aufgequollene Sänger versucht hat, seine alten Hits zu zelebrieren – gruselig. Ohne Sauerstoffzelt und viele Pausen ging gar nichts und dann turnt Axl bei AC/DC auf der Bühne – ohne Worte. Zwar waren viele Fans der Australier schwer enttäuscht, auf der anderen Seite hat Herr Rose extrem positives Feedback eingeheimst.
Kommen wir endlich zu Appetite For Destruction, das unser Thema heute bei unserer Zeitreise bildet. Nach dem Open Air zu Hause angekommen, lief die Platte erst mal in der Anlage. Nach dem ganzen Geballer eine gute Alternative. Okay, Welcome To The Jungle kannte ich dann doch schon länger, das wurde geschickt verdrängt. Was jedoch viel unglaublicher ist, dass dieser Welthit den Opener der Debütplatte mimt. Nicht nur der Hit scheint ein Wunder, das ganze Debüt wirkt heute betrachtet übernatürlich. Warum? Darauf kommen wir in den nächsten Zeilen, als Erstes soll Flo für seinen Start in diese Zeitreise Zeit haben, auch wenn es gerade förmlich aus mir heraussprudelt.

Florian W.:
Haha, deine Geschichte ist der Hammer. 😀 Erinnert mich ein bisschen an den Film Yesterday, als der Hauptdarsteller seinen Kumpels den Titelsong vorspielt und alle ungläubig fragen: „Welche Beatles?“ Ich merke schon, dass die Parallelen nicht so zahlreich sind, wie bei unseren letzten gemeinsamen Zeitreisen. Meine erste Begegnung mit den Guns schließt irgendwo zeitnah an Alice Cooper an, den wir auch erst gewürdigt haben. Soll heißen im zarten Alter von ca. acht bis zehn Jahren. Im Gegensatz zu dir liebe ich die Pistolen mit den geschlängelten Rosen. Als kleiner Pimpf war ich total stolz auf den entsprechenden Patch auf meiner Kutte. Außerdem habe ich das Logo überall mit Edding hingekritzelt. Guns n’ Roses waren eben cool, obwohl die H&M-Fangirls (Name three songs!) natürlich in den letzten Jahren für ein optisches Überangebot sorgen. Damals war Axl für mich neben Alice und Bon Jovi der geilste Typ. Alleine der Look und trotz der passenden Zeit Ende der Achtziger einfach mehr Rock ’n‘ Roll als die ganzen Hair-Metal-Bands. Mittlerweile weiß ich natürlich nur zu gut, dass der Typ nicht alle Latten am Zaun hat. Sein Auftritt mit AC/DC hat mir trotzdem imponiert und animiert mich, doch noch Guns n’ Roses live sehen zu wollen.

Appetite For Destruction ist das erfolgreichste Debüt aller Zeiten. Das sagt schon einiges aus. Guns n’ Roses sind für mich eh ein Phänomen. Ähnlich wie z. B. Rammstein schafften es die Amerikaner ohne viel Studiomaterial zum Erfolg. Sie tourten sich sozusagen den Arsch ab und steckten so manchen Headliner in die Tasche. Zumindest, wenn Axl Bock hatte. Slash ist unbestritten einer der einflussreichsten Gitarristen aller Zeiten. Tausende wollen seinen Klang nachahmen. In der gerade mal sechs Alben umfassenden Diskografie stehen für mich eigentlich nur drei „echte“ Alben: Appetite For Destruction und die beiden Teile von Use Your Illusion. Alle drei befinden sich noch irgendwo als Originalkassette in meinem Besitz. G N‘ R Lies war als zweites Album eher halb gar zusammengeschustert. The Spaghetti Incident? ist ein Coveralbum und über Chinese Democracy legen wir schnell den Mantel des Schweigens. Ich meine ohne Slash? Come on. Wie war deine erste echte Auseinandersetzung mit dem Debüt? Hat es dich nach der Begegnung mit Paradise City überzeugt?

René W.:
Nach meiner Paradise City Taufe habe ich mich im Anschluss einmal näher mit der Platte beschäftigt und war, wie schon geschrieben, verwundert, dass Welcome To The Jungle tatsächlich der Opener des Debüts ist. Für mich immer noch unerklärlich, wie man eine solche Platte als ersten Output mal eben so aus den Boxen rotzen kann und dann am Anfang auch noch dieser Hit über allem prangert? Ich stelle mir einfach vor, wie ein Hard-Rock-Fan 1987 das Tape zum ersten Mal in den Player steckt und Welcome To The Jungle auf die Horchlappen bekommt. Da dürfte ganz oft Guns n‘ fucking Roses gefallen sein. Axl klingt unglaublich authentisch, der Sound ist schon professionell, aber überhaupt nicht glatt poliert, sondern erfrischend tough, ohne jemandem gefallen zu müssen. Heute lachen da alle drüber, aber vor fast 35 Jahren sah das ganz sicher anders aus. Mit Slash, dem Gitarrenmonster als Motor und Antreiber konnte die Truppe gar nicht anders als begeistern. Zurück zu deiner Frage, schließlich lebt der Silberling mehr als nur vom ersten Geniestreich. Über die drei großen Welthits brauchen wir nicht reden, die muss man einfach in Kombination mit der Platte aufführen: Welcome To The Jungle, Paradise City und Sweet Child O‘ Mine. Um meine persönliche Top 3 von Guns n’ Roses nicht so früh zu verheizen, lasse ich nur mein Top-Duo aus dem Sack 🙂 Platz 1 ganz klar Paradise City. Warum? Weil er einfach fett produziert, als Ohrwurm-Kannibale die Gehirnwindungen zerfrisst. Danach etwas überraschend vielleicht Nightrain. Die Nummer verkörpert eins zu eins, was die Lyrics mit den erzeugten Klängen aussagen wollen. Wann hast du Appetite For Destruction richtig wahrgenommen und für dich entdeckt und welchen Stellenwert hat die Produktion noch heute für dich oder hast du schon mit acht dein Kinderzimmer wild headbangend zerlegt?

Florian W.:
Mit acht Jahren waren es wohl eher das Logo und das Outfit der Band. Es gab immer wieder Momente, die ich mit den Guns verbinde. Der wirklich unfassbare Opener erinnert mich immer an diese geile Szene in meiner Lieblingscomicserie Die Simpsons:

Leider habe ich ihn trotz der unbestreitbaren Klasse etwas überhört. Ich bin mir auch nicht sicher, wie sehr die Leute 1987 darauf abgegangen sind. Das Debüt brauchte gut ein bis zwei Jahre, um die Charts zu erobern. Die Produktion von Mike Clinc kann für meinen Geschmack locker mit heutigen Standards mithalten. Kein Remaster notwendig. Die Gitarren singen, das Schlagzeug klingt schön organisch und Axl röhrt und krächzt, wie man ihn kennt.

Ich denke, das erste Mal, dass ich mich intensiv mit der Platte beschäftigte, war durch diverse Top-Listen. Egal ob im Rock Hard oder Rolling Stone, Appetite For Destruction gehört dazu. Eine Party ohne einen Song des Albums konnte ich mir lange auch nicht vorstellen. Der zweite Titel It’s So Easy wurde damals als erste Single ausgekoppelt und ist für mich der einzige Totalausfall unter den 12 Stücken. Dieser tiefe, monotone Gesang steht Axl gar nicht. Nightrain bockt dagegen deutlich mehr. Obwohl man durch die Geschwindigkeit wirklich das Gefühl eines vorbeifahrenden Zugs bekommt, sind die Lyrics eigentlich dem liebsten Bandgetränk der damaligen Zeit gewidmet. Dem Billigwein Night Train Express. Also ein Sufflied. Das passt doch schon wieder zu dir. 😀 Meine Top 3 kommen erst im Verlauf der nächsten Nummern und werden noch geheimgehalten. Nur so viel: Neben AC/DC sind Guns n’ Roses im Hard Rock die Band, die mich mit ihren Songs immer wieder nach vorne peitschen. Ich kann dabei nicht ruhig sitzen, geschweige denn die Regler nur auf die Hälfte aufdrehen. Play it fuckin‘ loud!

Was sagst du eigentlich zur Kontroverse des Original-Albumcovers von Robert Williams? Es wurde ja aufgrund der Vergewaltigungsszene von vielen Plattenläden boykottiert. Stattdessen gibt es das bekannte Kreuzmotiv mit den Köpfen, welches an Axls Tattoo angelehnt ist. Ich finde ja das Original wesentlich passender zur harten Anfangszeit der Band auf der Straße. Einfach Sex, Drugs and Rock ’n‘ Roll. Allerdings so futuristisch, dass man eigentlich von künstlerischer Freiheit sprechen kann. Im örtlichen Jugendraum lief damals sogar jemand mit diesem Motiv auf dem Shirt rum. Die Platte mit dem Cover geht jetzt für Tausende Dollar über den Tisch.

René W.:
Ich weiß zwar nicht, was du mir damit sagen möchtest, dass ein Sufflied zu mir passt, aber es gibt da sicherlich auch Alben von Korpiklaani, Heidevolk, Black Messiah, Equilibrium oder ähnlichen Acts, die wir mal gemeinsam destillieren könnten. 😀 Zurück zu Appetite For Destruction. Da kann ich bei den knallharten Fakten im Duell leider nur den Kürzeren ziehen. Außer diesem Album ist vermutlich kein einziges bei mir mal durchgelaufen. Einzelne Stücke der anderen Werke sollte man zwar kennen, aber in Dauerschleife liefen sie nicht. Bei It’s So Easy verstehe ich die aufgeführten Argumente. Ein Filler! Warum er als erste Single vorgeführt wurde, bleibt schleierhaft. Vermutlich weil er mit 3:20 Minuten absolut radiotauglich in jede Sendezeit passte.

Out Ta Get Me hingegen hat einen schönen Rock ’n‘ Roll Motor, von dem die Guns flink auf die Route 66 gezogen werden. Mit dem Fahrtwind im Gesicht klebt der Staub auf der nassen Haut, während die Haare unterm Helm hin und her flattern. Mr. Brownstone geht in ähnliche Richtung, setzt jedoch auf deftigere Vocals als beim Vorgänger. Die Taktwechsel sind eigentlich recht simpel inszeniert, dabei erklingt die Kombi der Gitarre und der Becken einfach cool. Dass Slash im Mittelpart mal wieder steil geht, hebt das Ganze noch ein Level an. Bevor wir zu meinem Überhit kommen, darfst du ruhig noch mal als Lexikon der Roses glänzen, falls du noch nicht bereits alle Pfeile aus dem Köcher verschossen hast.

Florian W.:
Destillieren klingt erst mal gut, aber über die Bands müssen wir noch mal reden. Ein Lexikon bin ich in der Beziehung wohl nicht, aber mit den Hintergründen des Debüts habe ich mich schon häufiger beschäftigt. Verschossene Pfeile bzw. Pulver ist die richtige Überleitung zu meinem drittplatzierten Song Mr. Brownstone. Die von dir erwähnten deftigeren Vocals sind auch angebracht, denn Brownstone ist ein Slangbegriff für Heroinsucht, die einen immer toleranter gegenüber dem täglichen Konsum macht. Der Text beschreibt einen typischen Tagesablauf zur damaligen Zeit von Slash und dem anderen Gitarristen Izzy Stradlin: Lange nicht aus dem Bett kommen, keine Sorgen machen, eine gute Show abliefern, Saufen, Fixen. Der Text ist allerdings keine Verherrlichung, sondern eine Anklage. Sie wünschten sich, dass sie Mr. Brownstone nie begegnet wären. Ich liebe Axls Gesang im Refrain, die Zeilen gehen mir nicht mehr aus dem Kopf:

We been dancin‘ with
Mr. Brownstone
He’s been knockin‘
He won’t leave me alone
No, no no

Auch Out Ta Get Me zeigt die bösen Buben in voller Pracht. In diesem Fall Axls Jugend in Indiana, als er mehr als nur einmal Ärger mit dem Gesetz hatte. Dazu passt das „on the Road“ Feeling perfekt.

Dein Überhit Paradise City landet bei mir auf Platz zwei. Entstanden ist er auf einer Rückfahrt vom Konzert, wobei Slash damals noch eine andere Textzeile im Sinn hatte. Statt der bekannten „Where the grass is green and the girls are pretty“ wollte er lieber „Where the girls are fat and they’ve got big titties“ im Text haben. Der alte Spitzbube. 😀 Paradise City ist einfach eine Partynummer, noch mehr als Welcome To The Jungle. Ich liebe den langsamen Aufbau mit den Gitarren, die Drums setzen ein und am Schluss eskaliert es völlig – großartig! Man spürt förmlich, wie man damit ein ganzes Stadion zum Ausrasten bringen kann. Das beweist auch das Video zum Song:

Axls typischen Schulter- und Hüftschwung haben wir übrigens auf meiner Hochzeit zu der Nummer getanzt, da konnte sich keiner gegen wehren. 😀 Glaubst du, dass die Band heutzutage live noch in der Lage ist, so eine Magie zu versprühen oder ist es ein Relikt aus den Achtzigern?

René W.:
Bei Axl wage ich solche Prognosen nicht mehr. Als Stehaufmännchen ist er definitiv für Überraschungen gut und dazu gehört auf jeden Fall eine krachende Show oder gar Tour. Wer hätte, wie schon gesagt, vor Jahren gedacht, dass er mit AC/DC auf Tour gehen würde und dabei sogar stark performen kann? In dem Verbund mit Slash und Co. wäre alles andere als ein Abriss eh eine Enttäuschung und da lege ich mich fest, die wird es nicht mehr geben. Eine unwürdige Guns n’ Roses-Show schließe ich da eher aus, dafür sind die Männer erwachsen geworden und haben ihre treuen Fans nicht nur einmal enttäuscht.

Paradise City ist Party pur in allen Belangen, das fängt beim Riffing an und geht über die Lyrics bis hin zu den wilden Umsetzungen der Texte durch Slash und Axl. Der Song taugt, wie es die jungen Menschen heutzutage wohl sagen würden. Peavy von Rage würde dem Ganzen ganz sicher ein grooviges Stück attestieren. 😀 Zeitlos ist die Nummer allemal, der Refrain ein Kracher und irgendwie muss man Paradise City einfach lieben. Selbst auf dem Party.San wird wie schon erwähnt der Klassiker im Aftershowprogramm abgefeiert. My Michelle erreicht mich nur bedingt. Der Refrains sitz auch wie die Faust aufs Auge, der Rest ist eher Beiwerk, der nicht wehtut. Aber ich denke, da geht die Meinung deutlich weiter auseinander als ich jetzt vermute. Eine gute Sequenz, die auch gut in das Konzept von Appetite For Destruction passt. Als Filler würde ich ihn auch nicht degradieren, doch gegen die Top 4-5 kommt er nicht an.

Think About You hat wieder mehr amerikanischen Slang im Blut. Wieder steht der Refrain als Rammbock im Vordergrund und drückt den Track unaufhaltsam durch die Wand. Mir fehlt auch da etwas mehr Killerinstinkt, ansonsten kann man die Melodiefolgen besonders gut im Sommer laut aufdrehen. Leichte Lagerfeuerromantik versprüht er allemal. Sweet Child O‘ Mine habe ich irgendwann mal totgehört und mich bis heute nicht von erholt. Der Anfang ist dennoch grandios, die Melodien verschmelzen förmlich ineinander und spucken im Anschluss die verträumten Vocals von Axl aus. Eine Ballade mit Charakter und wohl der bekannteste Hit der Truppe im Verbund mit November Rain und Knockin‘ On Heaven’s Door. Die mir auch beide gut gefallen, aber nicht an Paradise City und Welcome To The Jungle herankommen. Irgendwie komme ich gerade vom Weg ab und gebe dir das Wort zur zweiten Hälfte von Appetite For Destruction.

Florian W.:
Dann versuche ich den heißen Ofen mal wieder aus dem Staub auf die Straße zu schieben. Du hast es ja auch schon öfter erwähnt, das Album ist einfach absolut roadtauglich. My Michelle finde ich eigentlich ganz geil, vor allem vor dem Hintergrund, dass die damalige Freundin von Slash gerne einen „schönen Song à la Your Song von Elton John haben wollte. Dann hauen die Jungs voll auf die Kacke und erzählen von ihrem Vater, dem Pornoproduzenten. Der ruhige Anfang führt auf die falsche Fährte, der Groove lässt mich nicht still sitzen und dann geht’s gegen Ende richtig ab. Da zucken die morschen Knochen. Die von Izzy Stradlin geschriebene Nummer Think About You habe ich erst durch unsere Zeitreise für mich entdeckt. Wieder vermitteln Guns n‘ Roses dieses „Fenster runter, Arm raus“ Gefühl für einen wilden Roadtrip. Dieser Mix aus E- und Akustikgitarre, der sich immer wieder seinen Weg bahnt, hat schon was Außergewöhnliches.

Tja, bei dir ist es Sweet Child O‘ Mine und bei mir, wie schon erwähnt, Welcome To The Jungle. Manche Songs laufen gefühlt immer und überall. Trotz des kommerziellen Erfolgs und zeitweiligen Überpräsenz liebe ich Sweet Child O‘ Mine, bei dem es mal wieder um eine Freundin geht. In dem Fall Axls Flamme Erin Everly. Ich weiß gar nicht, wie oft ich den Anfang schon auf der Gitarre geschrammelt habe. An Slash komme ich nicht ganz ran, muss wohl an der Frisur liegen. 😀 Das Solo kann ich ebenfalls auf Repeat hören, das fließt so schön und Slash arbeitet nicht mit so viel Effekten und Gepose wie die anderen Guitar Heroes zu der Zeit. So viel Gefühl und trotzdem mit Power. Dann die Textzeile „She’s got eyes of the bluest skies“, die zwar kitschig ist, aber von Axl voller Leidenschaft intoniert wird. Meine Nummer eins auf Appetite For Destruction. Bevor es zum Endspurt und den letzten drei Songs auf dem Debüt geht, gönnen wir uns das Video zu Sweet Child O‘ Mine, das bis heute 1,3 Milliarden (!) Klicks für sich verbuchen kann:

René W.:
Noch ein Thema für eine gesonderte Zeitreise mit dem Titel Musikvideos – wäre sicherlich auch mal eine spannende Kolumne wert. Ich merke schon, du bist der Typ, der gerne Songs mit Bildmaterial untermalt haben möchte bzw. der Songs tatsächlich mit den offiziellen Clips in Verbindung bringt. Bei mir sieht das, nur um es anzukratzen, etwas anders aus, wobei einige Videos einfach im Kopf hängen geblieben sind: z. B. die von Lordi, die alten von Metallica oder auch von den Schweden Hammerfall und Sabaton. Wie wäre es mit einem solchen Spezial zum Ende des nächsten Jahres? Das Angebot meinerseits steht 🙂

Bevor wir langsam anfangen, euch zu langweilen, geht es auf hart auf die Zielgerade von Appetite For Destruction zu. Für mich ist nach den letzten drei Tracks Schluss und ausnahmsweise darf Flo nach seinem letzten Beitrag zu den Guns auch unser letztes Thema für das Jahr 2021 anpreisen. Rock ’n‘ Roll Attitüde versprüht aufs neue You’re Crazy. Das höchste Level greift die Komposition nicht an, dennoch ein Titel, den man im Durchlauf der Scheibe nicht vergessen darf. Neben den Mainstream gepushten Hymnen eine tolle Nummer, die in drei Minuten schön frei dreht. Mit viel Power im Arsch geht es stets voran und Axl galoppiert mit Slash im Schlepptau durch den tiefen Wüstensand von Texas gen Las Vegas, um die letzten Kröten noch in einem einarmigen Banditen zu versenken. Sicher nicht auf der Liste der Tophits für mich wie Anything Goes ein Geheimtipp, wenn man nicht immer dieselben Werke der Amerikaner hören möchte. Zwar bleiben zum Ende die Refrains aus, dafür erlebt man auf der Platte das, was man bei vielen Gruppen über diverse Scheiben vermisst. Wenn die Musiker am Anfang noch völlig befreit abliefern, wirken sie zum Ende hin bereits erwachsen und gefestigt – diese Entwicklung macht das Album noch beeindruckender. Rocket Queen bringt den Hüftschwung ins Finale und lässt mich noch eine Runde alleine eine Pirouette durchs Wohnzimmer drehen.

Florian W.:
Die Pirouette hätte ich ja gerne gesehen. 😀 Um auf deine Frage zu den Musikvideos zu kommen: Das können wir sehr gerne machen. Mittlerweile gibt es wieder einige interessante Machwerke zu bestaunen. Vor allem durch die digitale Weiterentwicklung auf dem Gebiet. Jahrelang haben mich die „ich steh mit meiner Gitarre ohne Strom im Wald“ Videos der einschlägigen Metalbands herzlich wenig gekratzt. Aber Ende der 80er Anfang der 90er zur Hochzeit von Guns n’ Roses auf MTV war es eben DIE Gelegenheit härtere Musik zu hören. Für CDs und Platten reichte das Taschengeld nicht aus. Anfang der 2000er dann wieder mit genialen Videos von Tool oder Deftones. Doch dazu nächstes Jahr mehr.

Anfangs hielt ich die drei letzten Songs auf Appetite For Destruction für ziemliches Füllmaterial. Doch mittlerweile wachsen sie immer mehr, ohne an die ganz großen Taten des Debüts heranzureichen. You’re Crazy ist einfach schöne Pogo-Eskalation, um im Moshpit ordentlich Staub aufzuwirbeln. Anything Goes hat wieder diesen unverkennbaren Groove, den Slash scheinbar im Schlaf aus dem Ärmel schüttelt. Ab Minute 0:40, in der der Rhythmus in diese Richtung umschlägt, ist einfach nur lässig as fuck. Der Refrain hat auch gewisse Ohrwurmqualitäten. Die Talkbox-Sektion, die gegen Ende auf die Lautsprecher nach rechts und links gelegt wird, hat wirklich was Besonderes. Peter Frampton wäre stolz. Tja, und Axl wäre nicht Axl, wenn er in der letzten Nummer einfach mal eine Nummer schiebt und das Gestöhne auf Band festhalten lässt. Dafür wurde sogar extra ein „fucking assistant engineer“ angeheuert, weil der Produzent sich weigerte, den Akt aufzunehmen. Vor allem der Part danach veranlasst nicht nur dich zum Tanzen, sondern macht wie das ganze Album einfach Laune. Da es mich an meine Kindheit erinnert, schließe ich mit den Worten meiner Nummer eins Sweet Child O‘ Mine: „… Reminds me of childhood memories.“

In der letzten Ausgabe dieses Jahres bleiben wir wie bei Apptetite For Destruction exakt im Jahr 1987. Zwei Brüder schufen ein Album für die Ewigkeit. Die Rede ist von Jon und Criss Oliva († RIP 1993), die das Meisterwerk Hall Of The Mountain King von Savatage aufnahmen. Bleibt dran!

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